11.33

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Geschätzte ZuseherInnen auf der Galerie und via Live­stream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört, den Bäuerinnen und Bauern geht es schlecht.

Die Hauptursache der miserablen Einkommenssituationen eines Großteils der Bäue­rinnen und Bauern liegt in den globalisierten Agrarhandelsströmen und in der Klima­krise. Gerade das Jahr 2018 war von österreichweiter Dürre gekennzeichnet, und dort, wo Niederschlag fiel, fiel er in Form von Starkregen. Die Wachstums- und Exportpolitik, sowohl einzelstaatlich als auch auf europäischer Ebene, stellt sich immer mehr als fehlgeleitet dar. Es gibt immer weniger Betriebe, und jene, die überleben, werden immer größer. Dennoch, trotz des angeblichen für das Überleben notwendigen Wachs­tums zeigt die Einkommensentwicklung in den letzten 15 Jahren mit ganz wenigen Ausnahmen stark nach unten. Es wird immer mehr produziert, es bleibt aber immer weniger übrig.

Die Einkommensschere zwischen Berg- und Nichtberglandwirten wird sich vergrößern, weil die Alpenregionen stärker von den Temperaturanstiegen betroffen sein werden und die Vegetation dort viel empfindlicher reagiert. Die Landwirtschaft der Berg­regio­nen erwirtschaftet große Anteile ihres Ertrages aus der Forstwirtschaft, und da werden die Erträge aufgrund des Fichtensterbens und des notwendigen Waldumbaues deutlich abnehmen beziehungsweise überhaupt negativ sein.

Der geringere Einkommensrückgang der Biobetriebe gegenüber allen Betrieben erklärt sich hauptsächlich mit dem geringeren Wareneinsatz seitens der Biobetriebe. Die Nichtbiobetriebe hatten mit der Teuerung daher mehr zu kämpfen. Ein weiterer Grund liegt in der Entkopplung der Biomarktpreise von den konventionellen Marktpreisen.

Was ist zu tun? Wo können wir ansetzen? Ich möchte drei wesentliche Werkzeuge erwähnen: die gemeinsame Agrarpolitik, kurz GAP, die Forschung und die Abgaben.

Zur GAP: Auf europäischer Ebene muss ein Umdenken hin zu einer Agrarwende statt­finden. Der Gedanke: je freier der weltweite Wettbewerb auch bei Agrargütern stattfin­det, umso mehr Nutzen für die europäische Bevölkerung, ist überholt, wenn nicht sogar grundsätzlich falsch. Globaler Agrarhandel emittiert enorm viel CO2 und heizt damit die Klimakrise an. Er fördert die Produktion in Ländern mit weniger Umwelt- und Sozial­auflagen und übt Druck auf die hochwertigen Produkte, aber auch auf benachteiligte Gebiete aus. Der ungleiche Wettbewerb durch den globalen Agrarhandel verschlech­tert die Lebensbedingungen, und zwar auf beiden Seiten. Gleichzeitig werden die Überproduktion angeheizt und die Weltmarkpreise teilweise unter den Produktions­kos­ten gehalten.

Eine Kehrtwende ist mit einer Neuausrichtung der GAP und einer geänderten Marktordnung herbeizuführen. Das Prinzip öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen ist anzuwenden. Es soll dabei bereits die erste Säule mit Umweltauflagen verbunden sein und die zweite Säule soll sich mit dem Ausbau des Biolandbaus, dem Erhalt der kleinstrukturierten Landwirtschaft, dem Erhalt der Bewirtschaftung benachteiligter Berggebiete beschäftigen. Wir müssen die Entwicklung der letzten Jahre, dass nämlich bei Budgetkürzungen der GAP automatisch auch die Umwelt- und Klimamaßnahmen gekürzt werden, umkehren. 2012 wurden noch 30 Prozent der Gelder für Umwelt-, Natur- und Tierschutz ausgegeben, 2016 waren es nur mehr 25 Prozent.

Wir Grüne fordern, dass angesichts der immer größer werdenden Herausforderungen in der nächsten Periode mindestens 40 Prozent der Mittel, über beide Säulen gerech­net, für Umwelt-, Klima-, Natur- und Tierschutz gebunden werden. Alle Maßnahmen müssen sich einem Klimascreening unterziehen. Umwelt- sowie Sozialstandards sind bei Freihandelsabkommen sowie in der Marktordnung zu verankern.

Auf österreichischer Ebene soll der Ausbau des Biolandbaus vorangetrieben werden. Aufgrund der Topologie unseres Landes und dem grundsätzlichen Bekenntnis zur kleinstrukturierten Landwirtschaft werden wir nie zu Weltmarktpreisen produzieren können. Die größtmöglichen selbst erwirtschafteten Deckungsbeiträge bietet aber die Qualitätserzeugung wie der Biolandbau, mit dem Zusatznutzen, am klimaverträg­lichs­ten zu sein. Eventuelle Kürzungen der GAP-Zahlungen sollen aus nationalen Mitteln kompensiert werden. Das oft getrommelte 1-Prozent-Dogma hinsichtlich der öster­reichischen Beitragszahlungen wird hierbei nicht hilfreich sein.

Zum Entschließungsantrag der SPÖ zur Verwendung der Fördermittel möchte ich an­merken, dass ich hier inhaltlich sehr viel teilen kann, dass aber die Frage der Finan­zierung etwas offen ist (Bundesrat Steiner: Nun, ihr seid mit der ÖVP in einer Koali­tion!) beziehungsweise dass es nicht sein kann, dass Gelder angesichts der prekären Einkommenssituation von der Landwirtschaft in andere Bereiche verschoben werden.

Zur Forschung: Derzeit wird Forschung nahezu ausschließlich von Konzernen betrie­ben. Das ist ein Problem, denn aufgrund der Interessen des Kapitalmarktes ist diese Forschung der Entwicklung patentierbarer Pflanzen sowie chemischer Mittel vorbe­halten.

In Österreich wurden die forschungsbetreibenden Abteilungen des Landwirtschafts­ministeriums sowohl personell als auch finanziell geschrumpft. Wir Grüne fordern den Ausbau der Bundesanstalt für Bergbauernfragen und ausreichend Mittel für die For­schung hinsichtlich klimafitter Pflanzen, Böden, Wälder und Bodenbearbeitung.

Wir brauchen Mittel für die Forschung, um die europäische und die österreichische Ei­weiß­lücke schließen zu können. Hierzu zählt zum Beispiel mehr Forschung hinsichtlich Insekteneiweiß als Tierfutter in dezentralen, hofeigenen Zuchtanlagen. Auch die im Regierungsprogramm angekündigte Erarbeitung einer nationalen Eiweißstrategie ist ein Schritt in die richtige Richtung. (Ruf bei der FPÖ: Wir brauchen das ganze Geld für ...!)

Zu den Abgaben: Der Grüne Bericht sollte maßgeblich zur Feststellung des Einheits­wertes sowie zur Berechnung der Beitragskurve der Sozialversicherungsbeiträge heran­gezogen werden. Dies würde kleine landwirtschaftliche Betriebe deutlich entlasten.

Abschließen möchte ich mit einem konkreten positiven Beispiel für ein Miteinander von Klimaschutz und Landwirtschaft. Die Ökoregion Kaindorf bei Hartberg bietet seit einigen Jahren ein Humusaufbauprogramm. Bei einem zusätzlichen Humusgehalt auf Acker und Wiese werden die Anstrengungen der Bauern mit Geld, das aus CO2-Zertiftikaten stammt, abgegolten. Wir haben hier eine Win-win-Situation: Die Bäue­rinnen und Bauern bekommen Geld und fruchtbarere Böden und die Allgemeinheit profitiert ebenso, denn ein höherer Humusgehalt ist der effektivste Hochwasserschutz, verhindert Bodenerosion und vor allem speichert mehr Humus mehr CO2 im Boden. Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen und damit auch drohende Strafzahlungen vermeiden wollen, ist die vermehrte CO2-Speicherung im Boden ein ganz wichtiger Faktor.

Es sind Programme dieser Art, die wir in Zukunft verstärkt fördern und publik machen sollten. Klimaschutz und Landwirtschaft sind nicht als Gegensätze zu sehen. Eine Klimaschutzpolitik wird ohne die Landwirtschaft mit an Bord zu haben scheitern, ebenso würde eine Landwirtschaftspolitik ohne Klimaschutz den Ast, auf dem sie sitzt, absägen. Lassen wir uns Klimaschutz und Landwirtschaft zusammendenken, denn nur so können wir einer guten Zukunft entgegensehen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.42

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. Ich erteile es ihr.