16.38

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundes­kanzler, eine halbe Stunde haben Sie geredet, Kollege Bader detto und meine Vorred­nerin hier auch – und am eigentlichen Thema vorbei. Worum geht es in der öffentlichen Debatte in diesem Land? – Es geht darum, dass jemand, der noch dazu Bundes­kanzler ist, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte angreift. Deshalb läuft diese SOS-Debatte seit Wochen in unserem Land. Ich hätte mir mehr gewünscht, Herr Bundes­kanzler, aber dazu waren Sie nicht bereit.

Wie die Situation in den Gerichten und Staatsanwaltschaften ist, liebe Kollegin, wissen wir. Es gibt den Revisionsbericht der Oberstaatsanwaltschaft, es gibt laut Jabloner das langsame Sterben der Justiz – dazu hätte es keiner Extrasitzung bedurft. Ich hätte mir aber gewünscht, dass der Kanzler hier und heute gesagt hätte: Es tut mir leid, es hat möglicherweise den Eindruck erweckt, dass ich die Gewaltenteilung breche. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, wir alle hier sind regelmäßig zu Gast in der Demokratiewerkstatt, und dort erklären wir Kindern und Jugendlichen, was die Grundsätze einer Demokratie sind. Da betonen wir, dass der wertvollste Schatz der Demokratie die Wahlen sind; das Zweitwertvollste ist, das alles befristet ist und nichts vererbt wird; das dritte Kennzeichen der Demokratie ist die Gewaltenteilung. Was hier gemacht wurde, hat ein Ministerpräsident in unserem südlichen Nachbarland, nämlich Berlusconi, auch gemacht: Immer wenn es um ihn und seine Leute gegangen ist, wurde die Justiz attackiert. In diesem Fall – und das ist ja hier auch ausgeführt worden – geht es um vier sehr wichtige, der ÖVP nahestehende Personen – und genau da kommt diese Attacke und genau da erfolgt dieser Übergriff auf die Gewaltenteilung. Das ist ja das eigentlich Empörende in dieser gesamten Diskussion.

Ich weiß, Sie sind ein Brückenbauer vor allem zu den Visegrádstaaten. Das macht Orbán nicht anders, das machen die Polen nicht anders, und jetzt auch noch Trump, der macht das auch nicht anders. Das bedeutet: Von ganz oben wird die Justiz, wird die Staatsanwaltschaft eingeschüchtert, es werden ihnen Grenzen aufgezeigt und gesagt: Nicht weiter! Es ist doch niemals um die Arbeitsbelastung in der Justiz gegangen. Da hätten Sie auch nicht halbtäglich Messagecontrol gegenüber den eige­nen Abgeordneten machen müssen, damit sie auf Linie bleiben.

Sie haben aber auch so nebenbei – das hat die Kollegin ja sehr behübscht – die Justizministerin abmontiert. Entschuldigung, wird demnächst die Landwirtschafts­minis­terin zu einem Round Table eingeladen? Wird demnächst der Bildungsminister zu einem Round Table eingeladen? – Nein. Sie haben da ganz gezielt die Justizministerin abmontiert, und das geht nicht.

Sie haben gesagt, Sie haben die große Verantwortung als Kanzler. – Na ja, gut: Der BVT-Skandal fand unter Ihrer Kanzlerschaft statt. Wen haben Sie aller einberufen? Wo sind beim BVT-Skandal Ihre Maßnahmen gewesen? (Beifall bei der SPÖ.) Da hatten Sie als Bundeskanzler die volle Verantwortung, und ich kann mich an nichts erinnern. Sie haben ja offensichtlich auch ein bisschen ein schwieriges Verhältnis zu Abgeordneten, denn Sie meinen so generös, wir sind politisch interessiert; da gibt es irgendwelche netten Stammtische, die vielleicht poli­tisch interessiert sind. Kollege Bader scheint auch nur mäßig politisch interessiert zu sein, weil er den Skandal, der hier zur Debatte steht, nicht sieht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Ich habe eh angesprochen, was der Skandal ist!)

Ein Prinzip der Verfassung, Herr Bundeskanzler, teilen Sie hoffentlich mit uns, und zwar das liberale Prinzip. Das bedeutet, die Gerichtsbarkeit ist öffentlich, und die Mitwirkung der Bevölkerung an der Gerichtsbarkeit (Zwischenruf des Bundesrates Preineder); also wer auch immer in einem Verfahren ist, wenn es vor Gericht kommt, ist es öffentlich und die Bevölkerung hat mitzuwirken.

Kollege Bader, du hast genau denselben Vorwurf gemacht, der eigentlich unter Ver­leum­dung eingestuft gehört, den auch der Bundeskanzler gemacht hat. Wenn man behauptet, die Staatsanwaltschaft spiele Akten bewusst nach außen, dann ist das Verleumdung; denn was hätte es zur Folge, wenn das wahr wäre? – Das hätte zur Folge: Verurteilung, Entlassung und strafrechtliche Schritte. Das macht man nicht, und deshalb waren die Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen in den letzten Tagen so empört; und sie waren zu Recht empört, mit dieser Verleumdung muss Schluss sein. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, immer wieder gibt es aber eine zweite Chance. (In Richtung des mit Bundesministerin Raab sprechenden Bundeskanzlers Kurz:) Herr Bundeskanzler? Es gibt immer eine zweite Chance. Wir haben uns soeben entschieden, diese Anfrage auch schriftlich einzubringen, damit Sie eine zweite Chance haben und wir das auch nachprüfen können und diese Debatte unter Umständen, wenn es noch einmal eine so schnoddrige Beantwortung gibt, in einer eigenen Diskussion abwickeln können.

Gleichzeitig bitte ich aber auch die Fraktionsvorsitzenden Schumann und Mühlwerth, diese Form der Anfragebeantwortung in der Präsidiale zu besprechen – Monika Mühlwerth, wir beide sind schon länger im Haus und du weißt, dass wir das öfters getan haben –, denn es geht da um die Achtung einer parlamentarischen Institution, des Bundesrates. Es geht darum, wie Mitglieder der Bundesregierung bei Dringlichen Anfragen künftig Beantwortungen vorzunehmen haben. Deshalb ersuche ich die Angesprochenen, dies auch in die Präsidiale zu tragen.

Kommen wir zu diesem Blümchen, dass seit einiger Zeit irgendwie zur Ablenkung von den roten Netzwerken gesprochen wird. Herr Bundeskanzler, Sie haben einen Brief vom früheren Justizsprecher der SPÖ, Jarolim, bekommen. Was hat er Ihnen ge­schrieben? – Er hat geschrieben, es gab damals, als er zum Justizsprecher ernannt wurde, so etwas wie eine kleine Feier, eine namentlich nicht näher spezifizierte Veranstaltung in der Kanzlei Lansky – 1997, nur damit wir ein bisschen ein Gefühl dafür haben. Er hat Ihnen auch geschrieben, dass ein irgendwie überfleißiger Mitar­beiter der Kanzlei Lansky ein Protokoll erstellt und das einem ihm unbekannten Per­sonenkreis übermittelt hat; das ist ja auch an Ewald Stadler ergangen, der sich aus­führlich mit diesem - - (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir schon öfter erlebt! Worüber regst du dich auf?) – Ja, eben. Ewald Stadler, für die Damen und Herren, die zuschauen, ist von der FPÖ. (Bundesrat Steiner: Nein, nein, nein! Nicht mehr FPÖ!) – Nein, nicht mehr, aber damals! Bitte, wir reden ja über einen langen Zeitraum. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.)

Damals, 1997, schien auch die Rede davon zu sein, dass es ein Netzwerk gab, das überall in der Justiz Postenbesetzungen vor allem durch den Kartellverband vorge­nom­men hat. (Bundesrat Steiner: Da warst du noch grün, wie er FPÖ war! Klubobmann von den Grünen! – Heiterkeit der Bundesrätin Zeidler-Beck.) – Schön, dass Herr Steiner sich auch geschichtlich auskennt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Es ist immer eine Freude, mit geschichtsbewussten Menschen zu debattieren, auch wenn sie aus meinem ursprünglich früheren Heimatland kommen. (Bundesrat Steiner: Wir sind aber froh, dass du jetzt in Wien bist! – Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.)

Was die Fragen betreffend die zwei JournalistInnen beziehungsweise leitenden Jour­nalistInnen angeht: Da braucht es die Sachverhaltsdarstellung von der FPÖ gar nicht, denn wie wir vernommen haben, hat die Staatsanwaltschaft in dieser Sache selbst Ermittlungen gegen unbekannt aufgenommen (Bundesrätin Mühlwerth: ... trotzdem angezeigt!), denn, noch einmal: Da geht es um eine Frage der Verleumdung (Zwi­schenruf des Bundesrates Preineder), es geht darum, Schritte zu setzen, die für die Betroffenen, würde das stimmen, alles andere als lustig sind und auch entsprechende Sanktionen nach sich ziehen. (Bundesrätin Mühlwerth: Es könnte ja stimmen, darum muss man es ja untersuchen!)

Wie auch immer: Wenn wir uns schon darüber beklagen, dass es in der Staatsan­waltschaft, vor allem in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft so wenige Posten gibt, dann können wir uns ja vorstellen, dass jemand fehlt, der die Verfahren hätte weiter vorantreiben können, wenn jemand eine Position nur gehaltsmäßig beklei­det, aber nicht tätig ist, wie die derzeitige Ministerin Edtstadler.

Das sind alles Dinge, Herr Bundeskanzler, zu denen Sie heute schon mehr hätten sagen können. Ich kann mich erinnern, als Außenminister waren Sie, als wir den Vorsitz im Europarat hatten, dort und haben in Ihrer Rede über die Wichtigkeit der Rechtsstaatlichkeit gesprochen. Das ist ja etwas, das wir in vielen Staaten versuchen durchzusetzen. Ihr Angriff auf die Justiz widerspricht diesem Prinzip der Rechtsstaat­lichkeit, was wir sehr bedauern. Liebe Kollegin (in Richtung Bundesrätin Hauschildt-Buschberger), um die Posten und um die Situation ist es mit Sicherheit nicht ge­gan­gen. Schön, dass man nachher das gemeinsame Wording herausbekommen hat, dass es keinen kompletten Gesichtsverlust für die Justizministerin gegeben hat.

In diesem Sinne: Die Anfrage für eine schriftliche Beantwortung ist soeben neuerlich eingegangen, und ich hoffe, dass die Präsidiale diese Beantwortung der Dringlichen Anfrage noch ausführlich bespricht und uns ihre Entscheidung diesbezüglich auch darstellt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

16.51

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.