10.37

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diesen Gesetzes­beschluss auch unterstützen.

Die Europäische Bürgerinitiative, die durch den Vertrag von Lissabon implementiert wurde, wurde seinerzeit als direktdemokratisches Highlight gefeiert. Sie sollte auch das europäische Bewusstsein stärken und die Europäische Union den Bürgerinnen, den Bürgern näherbringen. Dieses Instrument war auch tatsächlich etwas Neuartiges, allerdings wurde es nur sehr zögerlich in Anspruch genommen.

Mein Vorredner hat schon die gesetzlichen Grundlagen erwähnt. Die Hürden sind ja sehr hoch: eine Million Unterschriften in einem Viertel der Mitgliedstaaten, das zu bil­dende Bürgerkomitee mit Mitgliedern aus verschiedenen Staaten und die Tatsache, dass die Unterschriften in zwölf Monaten gesammelt werden müssen. Das verfolgte Ziel ist, die Kommission als Trägerin des Initiativrechts zu einem Rechtsakt zu be­wegen.

Das Ganze wurde einer Evaluierung unterzogen. In dieser Evaluierungsphase im Jahr 2015 hat sich unter anderem auch Österreich für eine Veränderung sehr stark gemacht, damit eben diese Hürden herabgesetzt werden. Diese Initiative war erfolg­reich, das Ergebnis ist diese Verordnungsänderung, die uns heute veranlasst, die entsprechenden Anpassungsgesetze im Bundesrat nachzuvollziehen. Der nationale Gesetzgeber hat da die Umsetzungsverpflichtung. Alle, die Europarecht gelernt haben, werden sich fragen: Na, warum eigentlich, eine Verordnung ist direkt anwendbar, unmittelbar umsetzbar?

Diese Verordnung lässt aber doch auch einen Gestaltungsspielraum offen und ist daher nicht unmittelbar anwendbar, deshalb muss da eben auch der nationalstaatliche Gesetzgeber tätig werden; das tun wir heute.

Bis 2022 soll – und das sind die wesentlichen Inhalte dieser Änderung – ein kosten­loses Zentrales Online-Sammelsystem zur Verfügung gestellt werden, das macht individuelle Sammelsysteme und auch deren Zertifizierungen praktisch obsolet. Online­signaturen, die mit dem Zentralen Wählerregister verknüpft werden, sollen ermöglicht werden, damit auch die Staatsbürgerschaft entsprechend geprüft und nachgewiesen werden kann. Es gibt einzelne Klarstellungen, und wichtig ist eben auch – weniger für Österreich, aber für viele andere Staaten –, dass das Mindestalter dafür, so eine Initiative zu unterstützen, auf 16 Jahre abgesenkt werden kann.

In Österreich haben wir ja schon seit Längerem generell die Wahlaltersenkung be­schlossen. Das heißt, für uns hat das jetzt praktisch keine Auswirkungen, ich hoffe aber, dass sehr viele europäische Staaten von der Möglichkeit der Absenkung des Mindestalters Gebrauch machen, weil dadurch auch die Hürde etwas abgeflacht wird. Das wäre ein wichtiges demokratiepolitisches Signal, weil die Jugend so zu mehr zivilgesellschaftlicher Courage bewegt werden kann und eben auch zur Teilhabe moti­viert werden kann. Wir wissen, aufgrund des Brexits fallen sehr viele Millionen Wahl­berechtigte beziehungsweise – in diesem Fall – Initiativberechtigte weg, sodass die Hürde von einer Million, die ja gleich bleibt, dadurch insgesamt eigentlich höher ist. Wenn aufgrund der Absenkung des Alters theoretisch mehr Personen teilnehmen könnten, würde das insgesamt natürlich auch eine Abflachung dieser Hürde bedeuten.

Es gibt einige Initiativen, die erfolgreich waren, allerdings nur sehr wenige. Diese Initia­tiven sind ja auch immer ein Indikator dafür, welche Themen in der Bevölkerung ge­rade besonders emotionalisieren, besonders unter den Nägeln brennen; ich möchte einige erwähnen, zum Beispiel jene betreffend Wasser als Menschenrecht. Das haben ja wir auch im Bundesrat schon sehr früh erkannt, es gab eine sehr erfolgreiche Enquete und darauf aufbauend eine Verfassungsänderung. Ein wichtiges Thema, das auch von einer Europäischen Bürgerinitiative aufgegriffen wurde, ist das Thema leist­bares Wohnen. Es hat eine sehr interessante Initiative gegeben, „Housing for All“, und daran sieht man dann schon, wie brennend das Problem der Wohnungssuche ist, gerade in Weltstädten. Wien wurde da immer wieder als Vorbild genannt; das gut funk­tionierende System des sozialen Wohnbaus wird eben von vielen, vielen Städten als sehr erstrebenswert erachtet. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Jawohl!)

Ich habe mich in dieses Instrument jetzt wirklich ein bisschen eingelesen und auch gesehen, welche praktischen Hürden es dann noch gibt. So eine Bürgerinitiative muss ja auch entsprechend beworben werden, um eine Breitenwirkung zu erzielen, und das kostet unglaublich viel Geld. Diese Bürgerinitiative ist zum Beispiel zurückgezogen worden, da sind zwar im Rahmen des Fundraising 51 000 Euro aufgebracht worden, aber um so etwas wirklich bewerben zu können, braucht es viel, viel mehr Geld; das ist schon auch ein großes Problem.

Ich habe dann ein bisschen recherchiert, wie das praktisch läuft, und bin auf eine andere interessante Bürgerinitiative gestoßen, die man aktuell noch unterschreiben kann. Da geht es um eine klarere Lebensmittelkennzeichnung nach dem Ampelsystem, damit man quasi sieht, wie gesund oder ungesund ein Lebensmittel ist. Diese Bürger­initiative betreffend Nutriscore – so ist der Fachausdruck – kann noch bis Mitte Mai unterzeichnet werden. Ich möchte gleich die Gelegenheit nützen, für diese Bürger­initiative zu werben. Ich habe sie jetzt auch unterschrieben, habe mich in dieses System eingeloggt. Das ist, wenn die Daten zur Verfügung stehen, gar nicht so kompli­ziert. Mit dem Reisepass kann man sich in das System einloggen, man gibt einfach die Reisepassnummer ein; ich habe die Dienstpassnummer eingegeben, das hat auch funktioniert. Sie können es jetzt gleich versuchen, wenn Sie das auch ausprobieren wollen; es ist gar nicht so schwer.

Das Entscheidende ist aber wirklich, von aktuell laufenden Bürgerinitiativen überhaupt Kenntnis zu haben, und da sehe ich schon Verbesserungspotenzial dahin gehend, dass die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt wird, gerade seitens der Kommission, damit diese Initiativen auch mit Leben erfüllt werden können. – Danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

10.45

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile es ihm.