10.51

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin! Selbstverständlich sind Europäische Bürgerinitiativen eine wichtige Möglichkeit, dass sich BürgerInnen in der Europäischen Union überhaupt einbringen können. Vor allem sind sie eine direkte Aufforderung an die Kommission, Rechtsakte zu setzen, die innerhalb der europäischen Kompetenz liegen – auch das ist natürlich ein wichtiger Punkt; es wird leider auch bei einigen Initiativen ein bisschen übersehen, wer eigentlich zuständig ist –, und genauso muss sich auch das Europäische Parla­ment damit auseinandersetzen.

Sie sind derzeit ja auch im Wesentlichen die einzige Möglichkeit, sich an europäischen Entscheidungsprozessen direktdemokratisch zu beteiligen. Eingeführt wurden sie, Sie wissen es, 2009 mit dem Vertrag von Lissabon. Kern der Verbesserung ist – das haben wir gehört, deswegen mache ich es sehr kurz –, dass die Kommission jetzt – das ist natürlich sehr gut – für alle Initiativen ein Onlinetool zur Verfügung stellt. Das ist kostenlos. Das erleichtert die Sache doch sehr wesentlich.

Darüber hinaus – auch nicht ganz unwichtig – übersetzt die Kommission die Texte von solchen Initiativen in alle europäische Sprachen; das ist natürlich auch wichtig. Auf nationaler Ebene, haben wir gehört, werden die Abwicklungen erleichtert, weil die nationale Ebene prüfen muss, ob die Unterschriften auch rechtens zustande gekom­men sind, und mit dem Zugriff auf das Wählerregister wird das erleichtert. Ansonsten ist ja von den Rahmenbedingungen her alles gleich geblieben. Um zu starten – das greife ich noch heraus –, braucht es Bürgerinnen und Bürger aus sieben Mitglied­staaten. Das ist einmal nicht einfach, denn sie müssen sich irgendwie zusammentun und gemeinsam eine Initiative starten.

Was heute gemeinsam beschlossen werden wird, ist jedenfalls zu unterstützen – keine Frage. Trotzdem ist es so, dass man damit noch nicht wirklich zufrieden sein kann. Natürlich braucht es noch mehr an demokratischen Instrumenten in der Europäischen Union, eine weitere Demokratisierung ganz generell der EU und eine Stärkung der Mitsprachemöglichkeiten. Ich bin beziehungsweise wir sind überzeugt, dass das in Hinkunft noch eine wichtigere Frage werden wird, eine wichtige Frage der Legitimation der Europäischen Union überhaupt, eine wichtige Frage der Akzeptanz gegenüber der Europäischen Union als demokratisches Gebilde.

Wir dürfen nämlich nicht vergessen, welche Generation jetzt heranwächst. Vor allem für die jungen Leute, die nach 1989 geboren wurden, ist die Europäische Union ja etwas anderes als für Menschen, die deutlich früher geboren wurden. Für sie ist das viel mehr als eine Wirtschaftsunion. Das war ja damals der Gründungsgedanke, es war auch ein Friedensprojekt, aber es ist über Jahrzehnte natürlich sehr stark als Wirt­schaftsunion entwickelt worden. Diese jungen Leute haben einen anderen Zugang. Sie fühlen sich europäisch, sie können in aller Regel eine gemeinsame Sprache, nämlich Englisch. Wenn sie studieren, studieren sie inzwischen ja fast immer auch in anderen europäischen Ländern. Wir haben viele Instrumente für junge Leute, um in anderen Ländern teilweise auch eine Berufsausbildung zu machen; das gilt beispielsweise auch für Lehrlinge. Diese jungen Leute kennen nur den Euro und keine andere Währung.

Kurzum könnte man es so zusammenfassen: Diese Leute, diese jungen Menschen, sind Europäerinnen und Europäer, und sie wollen natürlich eine demokratische Union, sie wollen – das zeigen Befragungen sehr klar – eine umweltfreundliche Europäische Union, die ihre Lebensgrundlagen sichert, und sie wollen eine soziale Europäische Union. Da sind solche staatenübergreifenden direktdemokratischen Möglichkeiten wichtig – für ein Zusammenwachsen in Europa, für ein Zusammenwachsen der Bürge­rinnen und Bürger in der Europäischen Union und für ein solidarisches Europa. Nur wenn man zusammenwächst, nur wenn man sich kennt, versteht man einander und wird auch solidarisch handeln.

Was wären Beispiele für weitere Verbesserungen? – Eines ist von Kollegin Grossmann angesprochen worden: Ich glaube auch, dass es noch eine bessere Unterstützung dieser Initiativen braucht. Es gibt viel Interesse, es sind inzwischen über 70 Initiativen gestartet worden, 48 sind zugelassen worden. Allerdings waren sehr wenige erfolg­reich, ich glaube, nur vier, fünf waren überhaupt erfolgreich. Das sollte natürlich schon auch zu denken geben. Ich verstehe es: Es ist sicher sehr, sehr schwierig, eine Initiative über viele Staaten hinweg, über viele Sprachen hinweg zu starten und eine Million Unterschriften zustande zu bringen. Das Ganze ist extrem aufwendig, braucht viel Geld, braucht sehr starke Organisationen, und lokal entstehende Bürgerinitiativen sind, sage ich jetzt einmal, wahrscheinlich gar nicht in der Lage, so ein Riesending wie eine Europäische Bürgerinitiative auf die Beine zu bringen. Da sollte sich also, davon bin ich überzeugt, die Kommission überlegen, wie man das noch besser unterstützen kann, auch finanziell, damit man solchen Initiativen ein bisschen auf die Beine hilft.

Gut ist übrigens Transparenz: Die Gelder, die solche Initiativen sammeln, müssen offengelegt werden.

Ein weiterer Zugang wäre, noch besser zu klären, wie mit erfolgreichen Initiativen um­zugehen ist – das ist ein bisschen vage formuliert –, also: Was genau hat die Kom­mission jetzt damit zu machen, wie hat sie zu verfahren? Das soll auch Richtung Euro­päisches Parlament gedacht werden. Da sind, denke ich, sicher noch ein bisschen mehr Verbindlichkeit, mehr Auseinandersetzung angebracht.

Ein Thema, das ein bisschen darüber hinausgeht, aber in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig ist, wäre endlich die Einführung von europäischen Wahllisten bei europäischen Wahlen – denn Wahlen sind eigentlich das Instrument per se, um sich demokratisch zu beteiligen. Nur: Das geht nicht. Bislang können wir nur auf nationaler Ebene wählen. Was heißt das? – Jetzt ein ein bisschen hinkender Vergleich: Das wäre so, wie wenn man bei einer Nationalratswahl in Österreich nur bundesländerweise Listen wählen könnte, aber keine gemeinsame Liste hätte. Auf europäischer Ebene ist das so; das ist eigentlich nicht nachvollziehbar. Das wäre ein wichtiger Punkt.

Die Wahlbedingungen in den Ländern muss man angleichen. Auch da ist jetzt bei der Bürgerinitiative ein wichtiger Schritt gesetzt worden: die Empfehlung, das Wahlalter 16 einzuführen oder anzuwenden. Und – no na – es braucht eine Stärkung des Parla­ments selbst, ein stärkeres Initiativrecht – das hat es nur sehr eingeschränkt –, und das wäre sehr stark im Zusammenhang mit europäischen Wahllisten zu verstehen, weil das Parlament ja eigentlich die Institution in Europa ist, die noch, sage ich jetzt einmal, annähernd direkt gewählt wird – das wäre mit europäischen Listen viel besser –, denn der Rat und so weiter sind ja nicht direkt gewählt, sondern sind eigentlich über die Staaten zusammengesetzt.

Mir ist schon bewusst, dass das Wünsche ans Christkind sind, und wir haben März und das Christkind ist noch weit weg, aber vielleicht hilft uns die Europaministerin (Hei­terkeit des Redners und der Bundesministerin Edtstadler) in der weiteren Entwicklung in diese Richtung. Ich finde das wirklich wichtig, in Zeiten wie diesen – schauen wir auf die globalen Entwicklungen –: China wird sehr stark, es erstarken Asien, Indien; wir beobachten in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Entwicklung, in der America First zum obersten Prinzip gemacht und ein multilaterales, solidarisches Denken eigentlich aufgegeben wurde.

Da wird die Europäische Union als eine Union in demokratischer Verfasstheit wichtiger, das darf man nicht aus den Augen verlieren. – Das muss man verbessern! Da muss Europa auch diesem eigenen Anspruch, der auch oft kommuniziert wird, gerecht werden, und das geht nur mit den Bürgerinnen und Bürgern und das geht nur mit einer sehr gut ausgebauten Demokratie. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

11.00

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.