11.54

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ministerin oder Minister ist keiner anwesend, was mich bei diesem Thema nicht wundert. Gegen den Willen zahlreicher Bürgerinitiativen, gegen den Willen des internationalen Denkmalschutzes Icomos – ein Teil der Unesco, eine Organisation der Vereinten Nationen –, gegen die zahlreichen städtischen Inter­essen und zum Nachteil hinsichtlich der Tourismusströme, von denen wir in Österreich und gerade Wien in hohem Maße profitieren: Trotz all dieser vernünftigen Argumente wird kein Argument für die rot-grüne Stadtregierung stichhaltig. – Da frage ich mich schon nach dem Warum, und beim Warum landet man immer beim Geld. Das ist das Entscheidende: das Geschäftsmodell der rot-grünen Stadtregierung. Die sind ja nur der Handlager und die verlängerten Arme der internationalen und vor allem in Österreich sehr starken, und in Wien besonders starken Bauspekulanten.

Kommen wir zurück in die 1960er-Jahre, zum Heumarkt, denn das ist ein gutes Bei­spiel, wie dieses Bauspekulantentum funktioniert! In den 1960er-Jahren haben Wiens Rathaussozialisten im Stile der Kulturrevolution von Mao Tse-tung, alles Alte zu zer­stören, das Jugendstiljuwel, das Bauwerk von Architekt Ludwig Baumann aus der Zeit der Belle Époque Österreichs, der zweiten Gründerzeit Wiens, einfach abgerissen, gesprengt.

Wer war Ludwig Baumann? – Zum Beispiel sind der Festsaal unweit, etwa 100 Meter, von hier – der Ballsaal Österreichs und vor allem Wiens schlechthin –, das Konzert­haus, das Akademietheater und so weiter und so fort von Architekt Baumann.

Das Bauwerk am Heumarkt wurde abgerissen. Es wurde vom Stadterweiterungsfonds, vom damaligen schwarzen Innenministerium, 2007 an Bauspekulanten um – sage und schreibe! – nicht einmal 5 Millionen Euro verscherbelt. Jahrelang dauert es dann. Was ist die Arbeit von diesen Bauspekulanten? – Die Gefügigmachung von Verantwort­lichen in der Stadtregierung. Das Gefügigmachen heißt nichts anderes – und das ist das Geschäftsmodell – als die Flächenumwidmung, die Änderung der Bebauungsbe­stim­mungen, dass man Hochhäuser errichten kann. Der Bauspekulant vom Heumarkt hat einen gültigen Baubescheid in Händen und damit wachelt er bei jeder Konferenz.

Wie funktioniert so ein Geschäftsmodell der Bauspekulanten? – Nehmen wir das Beispiel Heumarkt: 50 000 Quadratmeter brutto Geschoßfläche kann man dort in einem Hochhaus errichten, der heutige Preis ist 15 000 Euro pro Quadratmeter in diesem historischen Zentrum Wiens. Die Baukosten betragen in etwa – das ist aber schon sehr hoch geschätzt – 5 000 Euro pro Quadratmeter für die Errichtung dieses Hochhauses. Das sind insgesamt 10 000 mal 50 000, also 500 Millionen Euro Gewinn nur aufgrund der Flächenumwidmung. – Das ist das Geschäftsmodell dieser Bau­spekulanten.

Wie dieses Modell hinter den Kulissen tatsächlich funktioniert, wird derzeit gerade in einem U-Ausschuss im Wiener Rathaus geklärt, der dank der FPÖ eingesetzt wurde. Ganz groß im Mittelpunkt sind Mandatare der Grünen, die Verantwortung nicht tragen können, die rücksichtslos hinsichtlich der Wiener Stadtkultur, der Bausubstanz und noch rücksichtsloser hinsichtlich des Stadtbilds der Städte Österreichs und vor allem Wiens wirken.

Wir von der FPÖ fordern die Rücknahme der Abänderung der Bebauungsbe­stimmun­gen, die Wiederherstellung der ursprünglichen Version für den Heumarkt, die Revita­lisierung des Wiener Eislaufvereins und der abgerissenen Jugendstilbauten sowie die Aufklärung, wie in Wien Flächenumwidmungen zustande kommen. Wir wollen einen Blick hinter den Vorhang, hinter die Kulissen, hinter das Unter-den-Teppich-Kehren haben.

Allein im Herbst 2018 wurden 50 Gründerzeithäuser in wenigen Monaten einfach ab­gerissen. Kommen wir zu einem Beispiel! Der Rückblick ist immer ein guter Ausblick und ein Blick in die Zukunft, denn wir Wiener werden keinesfalls vergessen, was da permanent passiert. Kommen wir zum Haus Rothschild – eine jüdische Bankiers­familie, ein Philanthrop, Mäzen und Kunstliebhaber Österreichs aus der Belle Époque!

Der großartige Historiker Roman Sandgruber hat darüber ein Buch verfasst – 2019 wurde es zum Wissenschaftsbuch des Jahres gekürt; der wertvollste Preis überhaupt –, er schreibt von der Chronologie der Auslöschung, wie er es selber nennt. In den Sech­zigerjahren wurde das Palais Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße abgerissen, heute steht dort die Arbeiterkammer. Ein Palais unweit davon in der There­sianum­gasse, Palais Rothschild, wurde auch abgerissen, heute steht dort ein ÖGB-Haus. Ein Rothschild-Spital am Währinger Gürtel wurde abgerissen, und der Rothschild’sche Nordbahnhof wurde gleichfalls in den Sechzigerjahren abgerissen. Die Rothschilds wurden damit ausgelöscht; das, was das NS-Regime nicht geschafft hat, haben Wiens Rathaus­sozialisten erledigt.

Der Nordbahnhof wurde auch als Filmkulisse verwendet. Er war der schönste Bahnhof, mit wunderbaren Fresken versehen, und wurde einfach gesprengt und abgerissen. Von Ästhetik hat diese rot-grüne Wiener Stadtverwaltung noch nie etwas gehört und hat auch niemals bildungspolitische Interessen gezeigt. (Bundesrat Schennach: Und das Maria-Theresien-Schlössel?)

Was schreibt Andreas Unterberger, bei der Tageszeitung „Die Presse“ ein Redak­tionskollege des legendären Vaters des jetzigen Beschuldigten – es wird sich zeigen, was da herauskommt – Chorherr, Thomas Chorherr, über den Heumarkt? – „Sie wollen uns schon wieder betrügen“. Ich zitiere: „Aber dennoch sind die Verbrechen an der Bausubstanz Wiens noch viel schlimmer, weil sie praktisch irreversibel sind. Und weil sie nicht nur mit Unfähigkeit der Stadtregierung zu begründen sind, sondern mit etwas viel Üblerem. Können doch derzeit Spekulanten an nichts so viel verdienen wie an Bau­projekten in zentralen städtischen Lagen“; Beispiel Heumarkt, das historische Zentrum Wiens.

Allein am Beispiel meiner Nachfolgeredner, die von allen Fraktionen kommen, von der ÖVP, von den Grünen und Roten zeigt sich, wie weit diese Flächenumwidmungsmafia bereits unsere Politik und die Politiker infiltriert hat. (Bundesrat Beer: Ungeheuerlich!) Wir von der FPÖ wollen dagegenhalten. Holen wir uns unser historisch-kulturelles Wien zurück! Nein zum Heumarkt und Sistierung der erteilten Baubewilligung! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.01

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Klubvorsitzende Monika Mühlwerth gemel­det. – Bitte.

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