12.11

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die via Live­stream dabei sind! Vorweg möchte ich mir eine Bemerkung erlauben: Ich finde es schade, dass die Kulturstaatssekretärin nicht den Weg zu uns gefunden hat. Ich weiß, das Coronavirus hat auch die Kultur erwischt, aber ich glaube, das kann nicht das einzige Thema sein.

Meine Damen und Herren, ich bin zwar noch nicht so lange Mitglied des Bundesrates, habe aber in dieser kurzen Zeit einiges erlebt. Heute setzen die freiheitlichen Kolle­ginnen und Kollegen aus meiner Sicht wieder einmal eins drauf. Kollege Pisec hat schon damit begonnen, indem er hier von einer „Flächenumwidmungsmafia“ gesprochen hat – das finde ich höchst eigenartig –, und der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend Erhalt und Schutz des Unesco-Weltkulturerbestatus ist einer der Anträge, die aus meiner Sicht zumindest an Unglaublichkeit nicht zu überbieten sind, meine Damen und Herren. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Da verlangen allen Ernstes FPÖ-Ländervertreter im Bundesrat eine Kontrolle der Bundesregierung über ein Bundesland – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Meine Damen und Herren von der FPÖ, wie Sie eigentlich wissen sollten, sind das Leben und die politische Arbeit kein Wunschkonzert. Ich darf Ihnen auch mitgeben, dass die FPÖ nicht die politische Polizei in unserer Republik ist, die alles kontrollieren kann. (Bundesrat Steiner: Das macht eh ihr!) Natürlich ist mir be­wusst, dass Sie anlässlich des Wiener Wahlkampfes wegen Ihrer schwindenden Wahlchancen in Wien das SPÖ-Bashing verstärken wollen. Ihr Entschließungsantrag, das muss ich ganz offen sagen, würde mich ja fast amüsieren, wäre die Unesco-Geschichte nicht so eine ernste Angelegenheit. (Bundesrat Steiner: Dann nehmt sie ernst!) – Mann der Berge, zuhören! (Allgemeine Heiterkeit.)

Außerdem würde ich mir gerne anschauen, ob sie als Partei zum Beispiel betreffend die Landesregierung in Oberösterreich auch nach einem Kontrollauftrag der Bundes­regierung rufen würden. Natürlich verstehe ich, dass es wohl in Ihrer blauen Seele schmerzt, dass Wien eine der lebenswertesten Metropolen weltweit ist (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Zwazl und Schreuder), und dafür eine sozialde­mo­kratisch geführte Landesregierung die Verantwortung trägt. (Bundesrat Steiner: Trotz!)

Ich will mich aber nicht auf das Niveau Ihres Entschließungsantrages begeben bezie­hungsweise abgleiten. (Bundesrat Steiner: Sie sind eh schon darunter!) Ich möchte hier einige Fakten darlegen. Erstens: Da es sich um eine Flächenwidmung der Stadt handelt, ist eine Weisung der Bundesregierung aus meiner Sicht nicht möglich. Wäre sie möglich, dann wäre die Bundesregierung schon tätig geworden; davon gehe ich aus, das glaube ich ganz sicher. (Bundesrätin Mühlwerth: Na ja, darauf würde ich nicht wetten!)

Zweitens: Sie können davon ausgehen, dass die Stadt Wien in der Sache Heumarkt beziehungsweise Weltkulturerbe einen sehr engen Kontakt zu Unesco und Icomos in Paris pflegt. Icomos ist übrigens ein internationaler Denkmalbeirat, der aus Architekten besteht; das ist ein Welterbebeirat, der die Unesco berät.

Drittens, meine Damen und Herren, vor allem aus den anderen Bundesländern, würde ich Ihnen empfehlen: Nehmen Sie sich einmal Zeit und schauen Sie sich den Heumarkt an! Ich sage Ihnen, das ist ein Teil Wiens, der unbedingt saniert gehört.

Viertens, falls es Ihnen entgangen ist: Das Projekt wurde bereits 2017 beschlossen, Stichwort Flächenwidmungsplan. Gleichzeitig wurde, fünftens, mit dem Investor ein städtebaulicher Vertrag abgeschlossen, der einen öffentlichen Nutzen produziert.

Dazu sechstens: Der Weiterbestand des Wiener Eislaufvereins mit einer Fläche von 6 000 Quadratmetern wird durch diesen städtebaulichen Vertrag für die nächsten 100 Jahre gesichert, inklusive unterirdischer Trainingsmöglichkeiten für Vereine. (Bun­desrat Pisec: Er hatte mal 9 000 Quadratmeter! Bevor Baumann ... gesprengt worden ist, hatte er 9 000 Quadratmeter!)

Siebtens: Die Konferenzräumlichkeiten beziehungsweise Flächen im Hotel Interconti­nental werden von 1 500 Quadratmetern auf 7 000 Quadratmeter erweitert. (Bundesrat Pisec: 200 Millionen Profit, super Geschäft!) Das freut mich auch als Touristiker, denn das stärkt natürlich den Konferenzstandort Wien.

Achtens, und das ist wohl einer der entscheidenden Punkte: Es gibt, und das dürfte Ihnen anscheinend entgangen sein, einen Plan B, ohne Turm – weil Sie sich immer auf den Turm kaprizieren, der seinerzeit angedacht war. Es gibt, wie gesagt, einen Plan B, der Kultur – Stichwort Konzerthaus –, Sport – Stichwort Eislaufverein – und Hotel – Stichwort Tourismus – vereint. Dieses modifizierte Konzept wird bis Anfang Juli dieses Jahres in Paris endverhandelt. Ich gehe davon aus, dass aufgrund dieser veränderten Bedingungen Wien von der sogenannten Roten Liste der Unesco gestrichen wird.

Neuntens – schon zum Schluss kommend – darf ich bemerken, dass Ihnen, geschätz­ter Kollege Pisec, und wahrscheinlich auch manch anderen von der FPÖ das wirt­schaftliche Einmaleins ein wenig fremd sein dürfte. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Und das von einem Sozi!) Das Projekt Heumarkt bewirkt, wie Kollegin Gitschthaler schon angesprochen hat, eine Wertschöpfung von 360 Millionen Euro (Bundesrätin Steiner-Wieser: Er arbeitet in der Wirtschaft, der Kollege Pisec!) und sichert durch den Bau und die Nachfolgenutzung insgesamt bis zu 5 000 Arbeitsplätze. Dies, meine Damen und Herren von der FPÖ, negieren Sie bewusst. Verzeihen Sie mir, ich sehe es ja an Ihren Reaktionen jetzt wieder, bei mir entsteht der Eindruck, dass Ihnen die Wirtschaftswelt mehr als fremd ist (Bundesrätin Mühlwerth: Das sagen ausgerechnet Sie! – Bundesrat Steiner: Ein ganzes Leben im geschützten Bereich, und er redet über Wirtschaft!), sonst würden Sie nicht so einen eigenartigen Entschließungsantrag einbringen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Meine Damen und Herren, aus den genannten Gründen darf ich Ihnen mitteilen, dass wir als sozialdemokratische Fraktion diesen rechtlich problematischen Entschließungs­antrag ablehnen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Schreuder.)

12.19

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich erteile es Ihnen, Herr Bundesrat.