15.17

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuhörerInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Es steht mir als Mitglied der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion, die sich gegen­wärtig auch in der Opposition befindet, in keinerlei Hinsicht zu, das Einbringen einer Dringlichen Anfrage einer anderen Oppositionspartei grundsätzlich zu kritisieren, wenn­gleich – das muss ich sagen – der Zeitpunkt in dieser Situation völlig unpassend ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Euch war die Sicherheit 2015 wurscht! Euch wird sie auch 2020 wurscht sein!) – Herr Kollege, die ZuhörerInnen können Sie dort nicht hören, kommen Sie heraus ans Rednerpult! (Bundesrat Steiner: Nein, mir geht es um Sie!)

Heute wäre ein Tag gewesen, an dem alle Fraktionen unseres Landes geschlossen für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor den pandemischen Bedrohungen durch den Coronavirus eintreten sollten. (Bundesrat Steiner: Und das kann man nicht machen ...?) Es ist momentan nicht die richtige Zeit für Schuldzuweisungen aus parteitaktischen Überlegungen heraus (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ), und es ist auch nicht die richtige Zeit, aus den Umständen an der griechisch-türkischen Grenze mit Ausländerfeindlichkeit politische Vorteile ziehen zu wollen (Ah-Rufe bei der FPÖ), und deshalb richtet sich meine Kritik hauptsächlich gegen den Inhalt dieser Dringlichen Anfrage.

Doch nun einige Worte zu den Vorgängen an unseren EU-Außengrenzen: Die Vor­gänge sind zweifellos beschämend. Da wird Politik auf Kosten der Ärmsten gemacht. Menschen als Spielmasse zu missbrauchen, um aus der EU mehr Geld herauszu­pressen, ist verabscheuungswürdig. (Beifall bei der SPÖ.) Auch die Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sind mit unseren europäischen Grund­werten in keinerlei Hinsicht vereinbar.

Man muss mit deutlichen Worten festhalten, dass politische Entscheidungen, bei de­nen es darum geht, ein Nicht-EU-Land – gemeint ist die Türkei – durch finanzielle Unterstützungen dazu zu bringen, eine wirklich große Anzahl von Flüchtlingen in seinem Staatsgebiet aufzunehmen und damit deren Einsickern nach Europa zu ver­hindern, natürlich äußerst sensible Entscheidungen sind, die, wie man im konkreten Fall sieht, zu unmenschlichen Situationen führen können, wenn diese Flüchtlinge für politische Zwecke eingesetzt werden. Dennoch ist es unabdingbar notwendig, dass Europa seine Grenzen schützt und nur rechtmäßige Zuwanderung zulässt. Unkon­trollierte Zuwanderung in großem Stil kann natürlich die Situation in Europa destabi­lisieren.

Wenn wir jetzt schon beim großen Thema Grenzschutz sind: Die Einsatzfähigkeit unse­res Bundesheeres ist für den nationalen Grenzschutz essenziell. Die sozialdemo­kratische Parlamentsfraktion hat schon öfters darauf aufmerksam gemacht, dass diese Einsatzfähigkeit leider nicht gegeben ist. Das österreichische Bundesheer ist finanziell ausgehungert. (Bundesrätin Mühlwerth: Und wer hat’s kaputtgespart? – Ruf bei der FPÖ: Darabos!) Man erinnere sich nur an die deutlichen Worte des vorigen Landes­verteidigungsministers Thomas Starlinger. Dieser hat den budgetären Mehrbedarf ganz detailliert dargestellt, und nach allem, was man hört, wird das nächste Budget diesen Bedarf leider nicht decken. Es ist daher auch unglaubwürdig, wenn die Bundes­regie­rung, wenn der Bundeskanzler mit Härte droht, aber gleichzeitig die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres durch eine viel zu geringe budgetäre Ausstattung gefährdet.

Nun zum Inhalt der Dringlichen Anfrage der FPÖ: Für besonders unappetitlich und eigentlich unstatthaft erachte ich die spekulativen Fragen, wann gegen Menschen Schusswaffen eingesetzt werden können. Dafür gibt es nämlich, das haben wir heute vom Minister gehört, rechtliche Bestimmungen. Es ist aber inakzeptabel, mit solchen Fragen die österreichische Bevölkerung zu verunsichern! Damit erzeugen Sie nämlich bewusst Bilder, die sich in den Köpfen der Menschen festsetzen und geeignet sind, Menschen Angst einzuflößen, sie zu manipulieren und auseinanderzudividieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Das macht schon ihr! – Bundesrat Rösch: Wo sie recht hat, hat sie recht!)

Symptomatisch für die parteipolitischen Überlegungen, die hinter dieser Anfrage stehen, ist auch Frage 50, wonach der Innenminister ausschließen solle, dass Minder­jährige aus den griechischen Flüchtlingslagern nach Österreich geholt werden, wie dies der Bundespräsident und auch der Vizekanzler verlangt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Na und?) Der Bundesminister für Inneres ist für eine solche Maßnahme nämlich überhaupt nicht zuständig. Es soll damit bloß ein Keil zwischen die Regierungs­fraktionen getrieben werden. Wieder sind es minderjährige Flüchtlinge, die für diese Zwecke missbraucht werden. (Bundesrat Steiner: Wir dürfen jetzt also auch keine Fragen mehr stellen! Interessant! ... weil ihr so brav seid! – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Vielmehr, Herr Kollege, wäre es unsere Aufgabe, nachzudenken, wie man diese bedauernswerten Kinder aus dieser unmensch­lichen Situation holen kann, wie man ihnen helfen kann. Das sollte unser Politikansatz sein. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenruf des Bun­desrates Steiner.)

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Es gibt eine Allianz von Bürgermeistern aus Ober­öster­reich. Diese Bürgermeister und ihre Gemeinden wären bereit, unbegleitete, kranke Kinder – und von denen ist die Rede – aufzunehmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Meine Güte! Ihr habt es immer noch nicht kapiert!) Wie bringen wir die Kinder aus diesen Krisenzonen? (Bundesrat Steiner: ... Populismus!) Wie können wir vor Ort helfen, damit das Leben in diesem Gebieten sicher und menschenwürdig wird? Das sind zentrale Fragen und das ist doch der Stoff für eine wirklich dringliche Anfrage! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Lackner. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Spricht man sich gegen die Vereinnahmung von Flüchtlingen für politische Zwecke im Verhältnis zwischen Europa und der Türkei aus, so gilt das natürlich vollinhaltlich auch für die Politik auf nationaler, auf österreichischer Ebene. Deshalb meine Botschaft an die FPÖ: Hören Sie auf mit Pauschalisierungen über Flüchtlingen aus parteipolitischem Interesse!  – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Lackner. – Bundesrat Steiner: Auf Ihre Botschaft verzichten wir wieder gerne!)

15.24

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort. Ich erteile es ihr. (Bundesrat Rösch: Das wird wieder interessant!)