15.22

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die jetzige Situation ist sicher eine einzigartige Herausforderung. Wahrscheinlich werden wir von dieser Sit­zung noch in 20 Jahren – wenn wir noch leben – erzählen. Es ist sicher ein historischer Moment auch für uns hier im Parlament, dass wir uns, beide Kammern, an einem Sonntag treffen, um die notwendigen Gesetze auf den Weg zu bringen, damit der Herr Bundespräsident sie heute noch unterzeichnen kann und diese Gesetze morgen in Kraft treten können.

Es ist eine Situation, die uns – den ganzen Staat, alle Menschen, die in diesem Staat leben, alle Österreicherinnen und Österreicher, alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, die hier mittlerweile ihren Lebensmittelpunkt haben oder gerade zu Besuch sind, alle Flüchtlinge, die hier bei uns Schutz gefunden haben, alle Migrantinnen und Migranten, die den Weg nach Österreich gefunden haben und jetzt hier leben und gemeinsam mit uns in einem Boot sitzen – vor eine Herausforderung gestellt hat.

Wir müssen nun alle zusammenhalten, wirklich alle, als Team Österreich! Das ist jetzt umso wichtiger, da wir besonders schutzbedürftige Menschen schützen müssen. Ich musste meiner Mutter erklären, warum sie ihre Urenkerl jetzt nicht mehr besuchen darf; mit einem Kloß im Hals, wie Ihr euch vorstellen könnt. Das ist nur ein kleines per­sönliches Beispiel für das, was wir alle jetzt erleben. Wir werden das gemeinsam schaffen, davon bin ich überzeugt!

Ich bin jetzt nicht hier, um zu sagen, wie schlimm es ist. Ich bin hier, weil ich glaube, wenn wir alle zusammenhalten, wenn alle Kräfte zusammenarbeiten, dann schaffen wir es, diese Krise zu bewältigen. Ich bin froh darüber, dass wir gemeinsam im Bundesrat sitzen, darüber, dass es Anträge der Opposition gibt, weil nämlich auch die Demokratie in Krisenzeiten stark und wehrhaft sein muss; das halte ich für ganz wichtig. Ich be­danke mich daher ausdrücklich bei allen, auch bei der Opposition.

Der Antrag, den ich nun einbringen werde, betrifft den Bereich Justiz. Wie ihr alle wisst, ist es bei U-Häftlingen noch immer so, dass man persönliche Vernehmungen durch­führen muss. Mit dieser Veränderung schaffen wir es, dass auch da elektronische Ver­nehmungen möglich sind.

Ich bringe daher den Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundes­rates der BundesrätInnen Karl Bader, Korinna Schumann, Marco Schreuder, Kollegin­nen und Kollegen ein, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 15. März 2020 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird, kei­nen Einspruch zu erheben.

*****

Die Regierung stellt heute einen ersten Krisenbewältigungsfonds in der Höhe von 4 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich betone – auch für Sie, Frau Kollegin Mühlwerth –, es ist der erste Krisenbewältigungsfonds. Sie haben recht, wenn Sie sagen, die 4 Mil­liarden Euro sind ein Beginn; das wissen wir. Deswegen ist auch diese Beweglichkeit der Demokratie so wichtig, es ist wichtig, dass wir heute hier sitzen.

Wir wissen nicht, wie es weitergeht, niemand ist ein Prophet. Das Ziel im Moment ist, die Liquidität und die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten, Arbeits­plätze zu sichern und in Härtefällen Hilfe zu leisten. Dies gilt auch und insbesondere für EPUs, für Klein- und Kleinstbetriebe und kleinere Familienbetriebe, denn diese Sofort­hilfen tragen zur Stabilisierung der Wirtschaft insgesamt bei.

Was bedeutet das nun konkret? – Das Ziel der heute beschlossenen Maßnahmen ist es, quasi das Blut im Wirtschaftskreislauf zu erhalten. Jede Hilfe für jeden Einzelnen ist auch eine Hilfe für das gesamte Wirtschaftssystem. So übernimmt der Staat Kredit­garantien für Unternehmen, die durch Corona in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Darüber hinaus wird es Überbrückungskredite, die Akzeptanz von Steuerstundun­gen und einen leichteren Zugang zur Herabsetzung der Steuervorauszahlung geben. Die Regierung hat auch Gespräche mit den führenden Banken geführt. Es wird noch gesonderte Informationen dazu geben, wie zusätzliche Kreditstundungen und Kreditga­rantien möglich sein werden.

Was macht die Regierung, um Arbeitsplätze zu sichern? – Es wird eine Sonderbetreu­ungszeit von bis zu drei Wochen für die Kinderbetreuung geben. Ein Drittel der Kosten für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden vom Staat übernommen. Es wird ein eigenes Coronakurzarbeitsmodell für Unternehmen in besonders betroffenen Branchen geben. Diese Maßnahmen betreffend Kurzarbeit werden mit 400 Millionen Euro dotiert.

Welche Hilfen wird es für Einpersonenunternehmen in Härtefällen geben? – Wie Sie wissen, bin ich ja selber eines; ich werde allerdings noch keine Hilfe brauchen. Für EPUs, Klein- und Kleinstbetriebe, Familienbetriebe und besonders betroffene Bran­chen wie den Tourismus, die Gastronomie, aber auch für Betriebe im Bereich Kunst und Kultur – die sind besonders betroffen – werden eigene Härtefonds eingerichtet. Das ist deshalb notwendig, weil die Betroffenen im Regelfall weder von der Kurzarbeit noch von den Garantien profitieren können.

Wird es über den Krisenbewältigungsfonds hinaus Maßnahmen geben? – Das ist na­türlich eine Frage, die auch die Opposition zu Recht stellt. Es handelt sich jetzt na­türlich um ein erstes Maßnahmenpaket. Es wird weitere Unterstützungsmaßnahmen brauchen. Es wird rasche Hilfe für betroffene Unternehmen und auch für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer brauchen.

Die Auswirkungen auf das Budget hat der Herr Minister dankenswerterweise schon vorweggenommen. Er hat uns sehr eindrucksvoll davon erzählt, dass seine Rede auf­grund der aktuellen Ereignisse gekübelt werden musste. Jedenfalls wird auch das Bud­get weiter sicherstellen, dass wir all jenen helfen, die besonders betroffen sind.

Was sollen übrigens jene Menschen machen – weil wir von denen noch nicht gespro­chen haben –, die in den letzten Wochen in den jetzigen Quarantäneregionen waren: Paznauntal, Sankt Anton am Arlberg und neuerdings auch Heiligenblut? – Diesen Men­schen möchte ich dringend raten, in die Selbstisolation zu gehen. Bleiben Sie zu Hau­se, isolieren Sie sich! Treffen Sie keine anderen Menschen! Das sollten wir eigentlich eh alle machen, aber diese Menschen insbesondere.

Was, wenn Sie befürchten, selber diese Symptome zu haben? – Es läuft eine Kam­pagne der Bundesregierung, in der Ihnen gesagt wird, welche Schutzmaßnahmen Sie ergreifen müssen. Rufen Sie die Nummer 0800 555 621 an! Die Gesundheitsbehörden stehen Ihnen zur Verfügung.

Man hat sich ja schon bei vielen bedankt. Ich möchte jetzt nichts wiederholen, möchte mich aber noch bei einer Gruppe besonders bedanken. Ich bedanke mich bei den Künstlern und Künstlerinnen in diesem Land, die zurzeit nicht die Möglichkeit haben, aufzutreten, zu singen, sich den Applaus zu holen, den sie so sehr brauchen.

An alle Künstler und Künstlerinnen möchte ich folgenden Appell richten: Ich habe mir gestern am Abend ein Konzert angesehen, zu Hause am Bildschirm. In diesem Fall war es ein Konzert des Eurovision-Songcontest-Siegers aus dem Jahre 2017, Salvador Sobral aus Portugal. Gianna Nannini hat mittlerweile ein Onlinekonzert gegeben. Tun Sie das! Schalten Sie Ihre Kameras ein! Ich glaube, wenn wir alle zusammen Kunst und Kultur genießen, so wie die Italiener, die am Fenster stehen und singen, dann gibt das Hoffnung. Ich glaube, diese Hoffnung zu geben, zu spüren, gemeinsam zu singen, zu wissen, dass wir gemeinsam aus dieser Situation herauskommen, ist ganz wichtig. Ein Freund von mir macht heute im Internet ein Kabarettprogramm. – Ja, man darf sich in Zeiten wie diesen auch unterhalten und lachen. Ich halte es sogar für wichtig, dass wir alle nicht den Humor und die Hoffnung verlieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Richtig!)

In diesem Sinne: Passen wir aufeinander auf! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

15.32

Präsident Robert Seeber: Der von Herrn Kollegen Schreuder eingebrachte Antrag ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Ich darf sehr herzlich hier im Hohen Haus Herrn Gesundheitsminister Anschober be­grüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Christine Aschbacher zu Wort. Ich erteile es ihr.