12.15

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich darf Ihnen, bevor ich mit meinen Ausführungen hinsichtlich der Justiz beginne, ein paar Grußworte von Gesundheitsminister Rudi Anschober ausrich­ten, der aufgrund der sehr fordernden Situation heute leider nicht hier sein kann. Er hat sich aber erlaubt, ein paar Grußworte an Sie zu richten, die ich jetzt vorlese:

Wir alle erleben eine Ausnamesituation – in Europa und in Österreich. Wir sind gefor­dert und müssen kämpfen, um diese Krise gemeinsam in den Griff zu bekommen. Das erfordert leider weitreichende Maßnahmen und Einschnitte in unser gewohntes Leben. Das wird auch Monate dauern und es erfordert von uns allen Solidarität.

Die aktuellsten Zahlen der Coronaerkrankten in Österreich zeigen allerdings, dass die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, auch langsam zu wirken beginnen und wir somit auf dem richtigen Weg sind. Diesen Weg müssen wir aber gemeinsam konsequent fortsetzen, um die Steigerungsraten auch weiter abzusenken. Wenn wir ein Viertel unserer sozialen Kontakte einstellen, können wir das Ansteckungsrisiko um 50 Prozent senken, sagen die Experten und Expertinnen; also kann jede und jeder Einzelne jetzt einen wichtigen Beitrag leisten.

Danke fürs Zusammenhalten, danke fürs Abstandhalten! Jeder und jede Einzelne von Ihnen ist ein Teil dieser Lösung. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. – Das waren die Worte unseres Gesundheitsministers. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir befinden uns in einer noch nie da gewesenen Krise. Vor wenigen Monaten hat niemand damit gerechnet, dass wir solche Maß­nahmen ergreifen müssen, dass wir auf diese Art und Weise vorgehen müssen.

Wir befinden uns auch jetzt in einer Situation, in der vieles unklar ist: Wie geht es weiter? Was passiert mit den Unternehmen? Was passiert mit jedem Einzelnen von uns? – Es stellen sich ganz viele Fragen des täglichen Zusammenlebens. Wie orga­nisieren wir das gemeinsam? – Jeder von uns, wir alle sind gefordert, Kontakte zu reduzieren; zugleich sind aber wir von der Justiz gefordert, den Rechtsfrieden auf­rechtzuerhalten, für die öffentliche Ordnung und für die Sicherheit zu sorgen. Des­wegen haben wir im Justizbereich uns auch zu Maßnahmen entschlossen, die natürlich sehr weitgehend sind. Das gesamte letzte Wochenende haben Expertinnen und Exper­ten, Beamtinnen und Beamte im Justizressort gearbeitet, um wirklich für alle Fälle gerüstet zu sein, um für alles vorzusorgen. Tage und Nächte wurden damit verbracht, die legistischen Maßnahmen zu entwerfen, die heute auch verabschiedet werden sol­len.

Daher gilt mein wirklich großer Dank den Beamtinnen und Beamten des Justizressorts, aber auch aller anderen Ressorts, die in der letzten Woche hart gearbeitet haben, um das, was wir heute verabschieden, auf den Weg zu bringen.

Ich möchte ein paar Punkte aus dem Justizbereich aufgreifen, weil gerade im Justiz­bereich auch viele Unsicherheiten dahin gehend vorhanden sind, wie es weitergeht. Wir haben die Gerichte aufgrund der Notwendigkeit, die sozialen Kontakte zu redu­zieren, auf einen Notbetrieb umgestellt. Trotzdem muss gewährleistet werden, dass die Rechtssicherheit, der Rechtsfriede und die öffentliche Ordnung nach wie vor gegeben sind. Daher haben wir uns dazu entschlossen, alle verfahrensrechtlichen Fristen zu unterbrechen. Das heißt, für alles, wofür die Anrufung eines Gerichtes notwendig ist, gerade wenn man ein Rechtsmittel ergreifen muss, sind diese Fristen vorerst bis 30. April unterbrochen und fangen mit 1. Mai neu zu laufen an.

Materiellrechtliche Fristen wurden gehemmt. Das betrifft Verjährungsfristen, Besitz­stö­rungsklagen, aber auch Gewährleistung und Schadenersatz. Diese wurden bis zum 30. April gehemmt.

Weitere Maßnahmen, die dieser Notbetrieb natürlich auch ausgelöst hat, bringen weitere Fragen mit sich. Auch da haben wir für Ausnahmefälle vorgesorgt.

Schauen wir uns die Unterhaltspflichten an! Da werden jetzt natürlich alle gefordert sein. Die wirtschaftliche Situation wird schwieriger, und wir wissen, dass Unterhalts­pflichtige ihren Unterhalt vielleicht vorübergehend nicht werden zahlen können. Daher habe ich im Einvernehmen mit der Familienministerin auch in diesem Fall vorgesorgt. Nun soll der staatliche Unterhaltsvorschuss erleichtert werden, nämlich so, dass das Kind keine Exekution führen muss, sondern schon anhand des Unterhaltstitels den Anspruch auf Unterhalt hat.

Es wurde aber auch für Unternehmen vorgesorgt. Wir haben in dieser Geset­zes­änderung eine Insolvenzbremse, das heißt, dass der Geschäftsführer nicht gefordert ist, sofort Insolvenz anzumelden, sondern 120 Tage Zeit hat – eine Verdoppelung der Zeitdauer! –, um herauszufinden, ob sein Betrieb weiterlaufen kann oder ob ihm staatliche Förderungen zustehen.

Auch für Personen, die derzeit in Privatinsolvenz sind, stellen sich ganz viele Fragen. Kann man eine Forderung nicht zahlen, ist es derzeit nämlich so, dass sofort die gesamten Forderungen fällig werden. Auch dafür haben wir vorgesorgt und haben in dieser Zeit auch für Privatschuldner eine Bremse eingeführt.

Auch betreffend Strafrecht haben sich ganz viele Fragen gestellt. Auch da haben wir versucht, die besten Maßnahmen zu treffen, die uns in dieser Zeit notwendig er­scheinen. Auch im Strafrecht wurden alle Fristen gehemmt, aber es gibt Dinge, die wir nicht hemmen können, da geht es um Haftfristen, da geht es um Haftver­handlungen, da geht es um die Verhängung der Untersuchungshaft. In diesen Be­reichen haben wir sichergestellt, dass diese Maßnahmen nach wie vor funktionieren. Wir haben auch auf Videoverhandlungen umgestellt, sodass es möglich sein wird, über Videokonferenz letzten Endes zu einer Verurteilung zu kommen. In Salzburg hat es bereits erste solcher Haftverhandlungen gegeben.

Betreffend Gewaltschutz: Es wird jetzt auch verstärkt zum Thema werden, dass viele zu Hause sind, viele nicht hinausgehen können. Wir wissen auch, dass in dieser Zeit der Anteil an häuslicher Gewalt leider zunehmen wird.

Ich möchte Ihnen – auch in Absprache mit dem Innenminister – versichern: Die Polizei ist sensibilisiert, die Gerichte sind sensibilisiert. Selbstverständlich wird es in dieser Zeit möglich sein, Wegweisungen auszusprechen und per einstweiliger Verfügung diese Wegweisungen und Betretungsverbote zu verlängern.

Meine größte Sorge ist der Strafvollzug. Wir alle wissen, dass es verheerende Folgen hätte, sollte ein Coronavirusfall in einer Justizanstalt auftauchen. Daher haben wir sehr, sehr früh die ersten Maßnahmen ergriffen. Bereits am 26. Februar haben wir alle Besuche umgestellt. Es gab kaum direkte Kontakte zwischen den Besuchern und den Insassen in den Justizanstalten. Anfang der Woche mussten wir leider zu noch drastischeren Maßnahmen greifen, wir haben nämlich jeglichen Besucherkontakt gestrichen. Der einzige Besucherverkehr, der möglich ist, ist natürlich auch aufgrund des Rechts­schutzes ein privilegierter Besuch, das ist nämlich der Besuch der Rechtsanwältinnen und der Rechtsanwälte, aber auch dieser ist nur hinter einer Glasscheibe möglich.

Ich möchte an dieser Stelle auch allen Justizwachebeamtinnen und Justiz­wache­beamten danken, die in dieser schwierigen Situation einen großartigen Job leisten. Es ist für sie nicht einfach – denn auch sie sind in diesen Justizanstalten unterwegs –, sie leisten Großartiges, um diese kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten.

Mein Dank gilt aber auch allen Mitgliedern der Bundesregierung, allen Abgeordneten des Nationalrates, allen Bundesrätinnen und Bundesräten. Auch Sie haben durch Ihren Zusammenhalt und die Zusammenarbeit dazu beigetragen, dass wir die richtigen Maßnahmen so schnell wie möglich auf den Weg bringen konnten.

Mein Dank geht auch an die gesamte Justiz, die RichterInnen, die StaatsanwältInnen, die RechtspflegerInnen, aber auch an die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die Unglaubliches leisten – damit die Justiz nach wie vor funktionieren kann, damit drin­gende Dinge nach wie vor erledigt werden können –, und wir somit für Rechts­schutz und Rechtssicherheit sorgen können. – Danke an alle! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

12.25

Vizepräsident Michael Wanner: Danke, Frau Ministerin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Judith Ringer. Ich erteile es ihr.