13.59

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr ge­ehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Das ist keine Übung. Das, was wir gerade in Österreich, in Europa, in der Welt erleben, ist der Ernstfall. Es ist ein Stresstest unse­res gesamten Systems.

Die Auswirkungen dieser Pandemie mit all ihren Folgen treffen uns alle – uns als Staat, als Gesellschaft, jeden Einzelnen, jede Einzelne von uns – in ungekanntem Ausmaß. Es ist die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir konnten nicht üben, wir sind gefordert, in dieser Situation sofort und richtig zu funktionieren und zu handeln. Das geschieht derzeit auf allen Ebenen. Aus diesem Grund sind wir als Bundesrat heute zusammengekommen, um das gestern vom Nationalrat verabschiedete Geset­zespaket zu beschließen.

Was beinhaltet dieses Paket? – Weitreichende Maßnahmen, die es uns möglich machen, in dieser Krise weiterhin handlungsfähig zu sein und größeren Schaden von den Men­schen in diesem Land abzuwenden. Zunächst wurde dazu ein mit 4 Milliarden Euro dotiertes Soforthilfepaket auf den Weg gebracht. Nun folgen weitere 38 Milliarden Euro an Hilfsleistungen oder in der Folge, wie es der Finanzminister gestern gesagt hat, so viel es brauchen wird. Und das ist gut und richtig so.

Das vom Nationalrat beschlossene Paket schafft fünf neue Gesetze und sieht Ände­rungen in 39 weiteren Gesetzen vor, die aufgrund der Coronakrise dringend erfor­derlich sind. Diese Maßnahmen sind aber aus gutem Grund überwiegend zeitlich be­fristet – es ist vielfach vorgesehen, dass sie mit Ende dieses Jahres wieder außer Kraft treten –, das vielleicht auch zur Beruhigung der Kollegen, die das in den vorher­gehenden Redebeiträgen angesprochen haben.

Zwei Bereiche dieses Paketes möchte ich genauer erwähnen.

Die Gesundheit: Zur Aufrechterhaltung der medizinischen und pflegerischen Vorsorge sind insbesondere folgende Maßnahmen vorgesehen – auch das wurde heute in kurzen Sequenzen schon angesprochen –: FachärztInnen, pensionierte ÄrztInnen, ausländische ÄrztInnen sowie TurnusärztInnen können zur Bekämpfung der Pandemie herangezogen werden. SanitäterInnen dürfen Abstriche aus Nase und Rachen neh­men. Alle verfügbaren KrankenpflegerInnen werden mobilisiert, indem etwa die Eintra­gungsvoraussetzung im Gesundheitsberuferegister entfällt. Selbiges gilt auch für den medizinisch-technischen Dienst. Laboruntersuchungen dürfen etwa auch an veterinär­medizinischen Einrichtungen und auch von geeigneten Personen mit naturwissen­schaftlichem Studium durchgeführt werden.

Zivildiener können versetzt und auch zur Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur und der Daseinsvorsorge herangezogen werden. Die Verteilung der aktuellen und wieder einberufenen Zivildiener wird vom Roten Kreuz großartig organisiert. Allgemein können auch Personen, die über keine Berechtigung zur Durchführung der Tätigkeiten verfügen, zu Tätigkeiten der pflegerischen Basisversorgung herangezogen werden.

Apothekenöffnungszeiten können flexibilisiert werden und die elektronische Übermitt­lung von Gesundheitsdaten wird erleichtert. Ersatzbetreuungseinrichtungen sowie Clearing­stellen werden zusätzlich gefördert, um den Wegfall von Betreuungsstrukturen zumindest teilweise abzufangen.

Sie sehen schon, es wurde wirklich sehr viel nachgedacht und sehr viel auf den Weg gebracht.

In der Justiz – unsere Justizministerin hat es heute schon angesprochen – gibt es in Bezug auf Verwaltung und Gerichtsbarkeit ein Paket mit sehr umfangreichen Dimen­sionen. Zivilrechtliche, strafrechtliche sowie verwaltungsbehördliche Fristen werden unterbrochen und beginnen mit 1. Mai neu zu laufen. Mündliche Verhandlungen wer­den auf das Notwendigste eingeschränkt, die Auszahlung des Unterhaltsvorschusses wird erleichtert.

Im Strafvollzug – das wurde auch schon ausführlich behandelt – wird der Besuchs­verkehr auf null gesetzt. Personen im Strafvollzug – ich glaube, das ist heute noch nicht angesprochen worden –, bei denen das Virus nachgewiesen wurde, können als vollzugsuntauglich gelten und in Krankenanstalten angehalten werden. Freiheitsstrafen können jetzt aufgeschoben, aber natürlich nicht aufgehoben werden. Umlaufbe­schlüsse werden an Gerichten, aber auch im Rahmen des Ministerrates ermöglicht werden.

Wie ich schon sagte: Es ist keine Übung, es ist der Ernstfall! Ja, und ganz natürlich wird es so sein, dass nicht alles perfekt ist. Was wir aber jetzt schon erkennen können, ist, dass wir uns in vielen Bereichen für die Zukunft stärken. Es wurde bereits erkannt, dass es in Zukunft von hoher Bedeutung sein wird, dass die Versorgungssicherheit in Österreich gewährleistet ist. Im Lebensmittelbereich können wir bereits jetzt auf unsere heimische Landwirtschaft bauen und vertrauen. Einsparungen in unserem Gesund­heitssystem werden in Zukunft hoffentlich mehrfach hinterfragt werden, und spätestens jetzt sollte jedem und jeder der Wert von Pflege bewusst sein.

Zum Abschluss möchte ich noch zwei kurze Beispiele nennen, wie jede und jeder von uns in dieser Krise mithelfen kann. Heute habe ich in einer regionalen Zeitung gelesen, dass am Attersee eine kleine Schnapsbrennerei nun kurzfristig Desinfektionsmittel aus dem Vorlauf ihrer Schnapsproduktion herstellt. Bei uns im Ort haben sich spontan Studenten bereit erklärt, Einkäufe für alte MitbürgerInnen zu übernehmen. Es waren nicht ein oder zwei Studenten, sondern es waren innerhalb von zwei Tagen gleich über 20 Personen. Das ist für mich der Spirit von Zusammenhalten, um miteinander die Krise zu bewältigen.

Nein, es ist keine Übung, wir werden in Echtzeit auf Herz und Nieren geprüft! Ich bin aber zuversichtlich, dass wir aus dieser Krise gestärkt hervorgehen und uns in Zukunft auf das Wesentliche fokussieren können. Gemeinsam werden wir das schaffen, und das Allerwichtigste ist: Halten wir mit dem nötigen Abstand zusammen! – Danke, und bleiben Sie gesund! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.06

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer weiteren Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Mag. Christine Aschbacher. – Frau Minis­ter, ich erteile es Ihnen.