14.22

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause! Gestern habe ich mir überlegt: Es ist gerade einmal 80 Tage her, dass wir zu Silvester und Neujahr all unseren Freun­den, Bekannten und Familien ein gutes neues Jahr, Glück und vor allem Gesundheit gewünscht haben. Wer von uns hätte sich vor diesen 80 Tagen gedacht, was dieses Wort Gesundheit in diesem Jahr 2020 bedeuten wird?! Es geht nicht nur um die persönlichen Verbindungen, das Emotionale, um Menschen, die wir kennen und gesund sehen wollen, nein, Gesundheit erscheint plötzlich in einem ganz großen Kontext. In diesem Kontext wird Gesundheit für die Gesellschaft, für das Zusammen­leben, für die Volkswirtschaft nicht nur zum Schlüsselwort, sondern zum großen Schlüssel.

Das Aufrechterhalten der Gesundheit und des Gesundheitssystems beschäftigt jetzt alle, und wir alle spüren die Auswirkungen: die Nichterwerbstätigen, die Kinder, die Jugendlichen, die Pensionisten und die vielen Erwerbstätigen. Für uns alle ist es eine große Herausforderung im alltäglichen Leben, was das Erhalten der Gesundheit und das Aufrechterhalten des Gesundheitssystems auf der Welt, in Europa und in Öster­reich jetzt mit sich bringen.

Das Jahr 2020 steht wie schon lange kein Jahr mehr unter dem Titel Gesundheit. Da ist es natürlich auch ein Gebot der Stunde, dass wir gemeinsam entsprechende Maß­nahmen ergreifen, und diese Maßnahmen erfordern natürlich auch einen gesetzlichen Rahmen: Parlamentarismus, Demokratie, das Funktionieren des Staates und des Parlaments sind enorm wichtig.

Wir haben es mit dem ersten COVID-19 Gesetz getan und wir werden heute mit dem 2. COVID-19-Gesetz unserer Regierung wieder sehr weitreichende Ermächtigungen erteilen und sehr viele Befugnisse geben, was wir uns noch vor kurzer Zeit wohl nicht vorstellen konnten. Es werden sehr viele demokratische Freiheitsrechte eingeschränkt.

Seien wir ganz ehrlich: Was hätten wir noch vor wenigen Monaten dazu gesagt, wenn jemand von uns gefordert hätte, die Freiheit, auszugehen, und die Freiheit, Freunde zu treffen, einzuschränken? Aber die Österreicherinnen und Österreicher, wir alle sind bereit, uns jetzt wirklich sehr diszipliniert an Regeln und Maßnahmen zu halten. Wir haben dieser Regierung einen ganz großen Vertrauensvorschuss gegeben, nämlich dass sie mit all diesen Ermächtigungen und Befugnissen sehr verantwortungsvoll umgeht. Das Gebot der Stunde ist es, diesen Vertrauensvorschuss zu geben, und es wird Gebot der Stunde sein, am Ende dieser Krise all diese Rechte wieder auf den demokratischen und parlamentarischen Ablauf zurückzuführen.

Ich habe nun die Ausgangsbeschränkungen angesprochen und möchte dazu ganz kurz etwas sagen: Gerade vorhin hat mich ein Bürgermeister aus meiner Heimatregion angerufen. Er lebt in einem Fremdenverkehrsort, in einem Gebiet am Schneeberg, wo­hin jetzt die Spaziergänger aus Graz und aus Wien mit dem Auto kommen. – Es ist für mich ein bisschen symptomatisch bei der ganzen Geschichte, dass jetzt in allen Be­reichen sehr viel Rechtsunsicherheit herrscht. Natürlich gehen wir davon aus, dass sich jeder mit Logik und Hausverstand verdeutlicht, dass es nicht sinnvoll ist, mehrere Hundert Kilometer zu fahren, um spazieren zu gehen. Aber im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigungen kann man feststellen: Verboten ist das eigentlich nicht! Es ist aber eine schwierige Situation für einen Bürgermeister, seinen eigenen Gemeinde­bürgerinnen und Gemeindebürgern sagen zu müssen: Bitte, bleibt daheim!, wenn diese zugleich sehen, dass andere Bürgerinnen und Bürger in den Ort kommen.

Der Wettergott ist jetzt gnädig, auch er unterstützt uns offenbar im Kampf gegen Covid-19. Es wird jetzt im Freien wohl weniger Zusammenkünfte geben.

So viel zur Rechtsunsicherheit. Unsicherheit gibt es aber auch in vielen anderen Be­reichen. Daher möchte ich jetzt noch einmal sagen: Koste es, was es wolle! Wir werden alle mitnehmen, wir werden keinen zurücklassen. Dennoch gibt es welche, die sich sehr zurückgelassen fühlen, nämlich vor allem die EPUs und die Kleinstunter­nehmen in unserem Land. In den letzten Tagen habe ich in diesem Zusammenhang sehr viele Anrufe entgegengenommen. Es hat sehr oft die Frage gegeben: Wie soll es weitergehen? Der Härtefallfonds ist einfach nicht das, was den Menschen jetzt Sicherheit gibt. Wir reden hier von 1 Milliarde, die als Nothilfe zur Verfügung gestellt werden wird, was von der Höhe her nicht wirklich sehr viel ist, und vor allem ist unsicher, wie der Ablauf sein wird, welchen Anspruch Einpersonenunternehmen oder Kleinstunternehmen haben werden, wie viel sie bekommen werden.

Das ist auf eine Verordnung geschoben, eine Verordnung, die dann in Zusammen­arbeit von Finanzminister, Wirtschaftsministerin und Vizekanzler vollzogen werden wird – das Parlament hat keine wirkliche Kontrollmöglichkeit.

Die Wirtschaftskammer wird da, wie Kollege Rösch schon gesagt hat, eine wesentliche Schlüsselfunktion übernehmen, und es ist schwer zu verstehen, warum jetzt Daten vom Finanzamt in die Wirtschaftskammer wandern müssen. Es ist schwer zu ver­stehen, warum plötzlich die Wirtschaftskammer auch für jene zuständig sein wird, die an und für sich nicht in der Zuständigkeit der Wirtschaftskammer sind. Es betrifft sehr viele: Es betrifft die Einpersonenunternehmen, die Kleinstunternehmen, es betrifft die freien Dienstnehmer, und es betrifft aber auch all die Non-Profit-Organisationen.

Wenn wir von 1 Milliarde Euro – 1 Milliarde Euro von den 15 Milliarden Euro – reden, so sind das 6,6 Prozent, beschäftigt sind in diesem Bereich aber 15 Prozent.

Zu den Zahlen: Wovon reden wir? Wer weiß, um wie viele es geht? Ich kann jetzt nur die Zahl der Einpersonenunternehmen nennen: Es gab in Österreich im Dezem­ber 2018 rund 316 000 Einpersonenunternehmen – das sind die letzten veröffentlichten Zahlen –, in meinem Bundesland, in Niederösterreich, gibt es davon 67 000. Nieder­öster­reich ist überhaupt ein Bundesland, in dem 65 Prozent der Unternehmen Einper­sonenunternehmen sind, davon 90 Prozent Einpersonen- und Kleinstunternehmen. Wenn ich jetzt 1 Milliarde Euro durch die 316 000 Einpersonenunternehmen in Öster­reich dividiere, sind das im Schnitt 3 100 Euro. – Das ist nicht viel, das verunsichert die Menschen.

Natürlich bringt das noch viele, viele Probleme mit sich, denn jetzt kommen öko­no­mische Sorgen, es kommen die Alltagsmaßnahmen. Es ist der Stress, der jeden be­lastet, und es wird auf Sicht gesehen natürlich weitere Probleme, wirtschaftliche wie auch persönliche, mit sich bringen.

Es wird auch die Gewalt wieder ein Thema werden, darüber wurde schon gesprochen. Es ist natürlich auch positiv zu bemerken, dass im Paket der Regierung doch schon zum Beispiel die Unterstützung der Frauenhotline berücksichtigt ist, oder auch, dass in den Osterferien wieder Schulen für die Betreuung da sein sollen, aber es fehlt sehr viel. Es fehlen Koordinationsstellen, es fehlt wirklich die Zusage zur finanziell besseren Ausstattung von Beratungsstellen.

Deshalb möchte ich im Zuge der Debatte zu TOP 1 auch im Namen meiner Fraktion einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicher­stellung der Betreuung und Beratung von Frauen und Kindern, die von Gewalt betrof­fen sind“ 

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen und Integration wird aufgefordert, unter Einbindung aller neun Bundesländer sowie NGOs eine zentrale Koordinierungsstelle einzurichten. Ziel ist es Engpässe in der Betreuung von gewaltbetroffenen Frauen und Kinder zu verhindern, schnelle und aktuelle Information der BeraterInnen in den Beratungsstellen sicherzustellen sowie Bundesländer und NGOs stärker zu vernetzen. Um konstruktive Vorschläge zur Bewältigung von familiären Stresssituationen umzusetzen, sollen aus­reichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.“

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In diesem Entschließungsantrag sind auch die NGOs erwähnt, die in sehr enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern derzeit schon sehr viel leisten. Im Sinne der NGOs möchte ich auch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maß­nah­menpaket für NGOs und gemeinnützige Vereine“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert,

- durch Stundungen, Ratenzahlungen und Nachsicht von Säumniszuschlägen die Finan­zie­rungsklemme der NGOs und der gemeinnützigen Vereine zu erleichtern,

- auch für diese Organisationen zur Sicherung der 250.000 Arbeitsplätze den Zugang zum Kurzarbeitsmodell sicherzustellen, auch wenn keine anwendbaren Kollektiv­ver­träge oder Betriebsvereinbarungen vorhanden sind, und

- die im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen zu Gunsten des gemein­nützigen Sektors vorzuziehen und noch im heurigen Jahr in Kraft zu setzen.

- Bestehende finanzielle Hilfsmaßnahmen, insbesondere von AWS und BMDW auf gemeinnützige Organisationen auszudehnen, vor allem den Härtefonds des BMDW für Familienbetriebe, Selbständige und EPUs, oder einen eigenen Soforthilfekrisenfonds für existenzbedrohte NGOs und gemeinnützige Organisationen einzurichten.

- Weiters ist eine gesetzliche Rahmenregelung notwendig, dass die Nicht-Erbringung von vertraglichen Leistungen aufgrund der Corona Krise zu keinen Leistungskürzungen seitens der öffentlichen Fördergeber führen darf.“

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Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

14.36

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Die von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Entschließungs­anträge betreffend „Sicherstellung der Betreuung und Beratung von Frauen und Kin­dern, die von Gewalt betroffen sind“ und betreffend „Maßnahmenpaket für NGOs und gemeinnützige Vereine“ sind genügend unterstützt und stehen damit mit in Verhand­lung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.