14.28

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Sehr geehrtes Präsidium! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Die Arbeitslosenzahlen in Europa und vielen anderen Ländern der Welt steigen enorm und erreichen historische Höchststän­de. In Österreich werden demnächst 600 000 Menschen arbeitslos sein.

Auch das Ausmaß an Kurzarbeit, von der derzeit 250 000 Personen in Österreich be­troffen sind, wird weiterhin steigen. Das Arbeitsmarktservice gerät an seine Kapazi­tätsgrenzen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern des AMS für ihren unglaublichen Einsatz in den letzten Wochen bedanken. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.) Sie stellen mit ihrer Arbeit sicher, dass Zigtausende Menschen, die jetzt von Arbeitslosigkeit betroffen sind, ihre Geldleistung bekommen, und sie bearbeiten Tausende Anträge auf Kurzarbeit. Sie leisten in dieser Zeit einen ganz wichtigen Beitrag. Es freut mich daher sehr, dass wir heute 500 Planstellen mehr für das AMS beschließen werden. Des Weiteren wird die Kurzarbeit weiter attraktiviert und es wird verhindert, dass jemand in der Zeit der Co­ronakrise vom Arbeitslosengeld in die Notstandshilfe fällt.

Ich möchte mich nun einer großen Personengruppe widmen, die in mehrfacher Hin­sicht von den Auswirkungen der Covid-Krise betroffen ist, das sind die Frauen. Sie sind mehrfach betroffen: Sie arbeiten vielfach in Branchen, die wirtschaftlich besonders stark betroffen sind, wie zum Beispiel im Tourismus oder in der Gastronomie; sie tra­gen unser Gesundheits- und Pflegesystem – ein Bereich, der derzeit stark beansprucht ist und in dem das Risiko, sich selbst zu infizieren, ungleich höher ist –; sie sitzen viel­fach an den Kassen der Supermärkte oder sorgen dafür, dass Regale gefüllt sind und setzen sich auch dabei einem höheren persönlichen Risiko aus; sie tragen die Haupt­last zu Hause – Stichwort Homeschooling oder Pflege – und sind stärker von häusli­cher Gewalt betroffen.

Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen, ein joviales Danke reicht da nicht. Die Covid-Krise zeigt schonungslos die Schwachstellen und Ungerechtigkeiten unse­res Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftssystems auf, so auch die geschlechterspezi­fischen Ungleichheiten. Ein Danke ist zu wenig, es ist hoch an der Zeit, endlich klare Schritte zu setzen, welche die geschlechterspezifischen Ungleichheiten beim Einkom­men, bei der Arbeitsteilung und bei der Chancengleichheit verringern.

Die Krise zeigt viele Schwachstellen auf, so auch im Bereich der Landwirtschaft und der Lebensmittelsicherheit. Die großen Supermarktketten stellen sich jetzt als die Ret­ter der Menschen in Bezug auf die Versorgung mit Lebensmitteln dar. – Ja, aber woher kommen diese Lebensmittel? Wer produziert sie? Ich selbst bin Gemüsebauer, und in den nächsten Tagen steht die Salaternte an. Meine Familie macht das seit 30 Jahren, und heuer wird es das erste Mal sein, dass ich den Salat einzeln in Plastik verpackt liefern muss, ganz einfach deshalb, weil die Genossenschaft, an die ich liefere, den Großteil an einen bestimmten Einzelhandelskonzern liefert, der ganz einfach darauf besteht, dass der Salat einzeln in Plastik verpackt anzuliefern ist. Umweltpolitisch ist das ein Wahnsinn, umweltmedizinisch ist das ein Unsinn, und arbeitstechnisch ist es für mich ein zusätzlicher Aufwand, den ich nun vor dem Hintergrund, dass ich heuer erstmals keine Erntehelfer bekommen werde – es würde auch ohne Plastikverpackerei schwierig werden, eine Lieferung zustande zu bringen –, bewältigen muss.

Der Gemüseanbau ist ein Bereich, in dem in Österreich keine Eigenversorgung gege­ben ist, aber auch in anderen Bereichen ist das nur auf den ersten Blick so. Sieht man sich zum Beispiel die Situation im Bereich Schweinefleischproduktion an, so ist es doch in Wahrheit so, dass da eine massive Abhängigkeit von Eiweißfuttermitteln aus Übersee gegeben ist. Es ist klar absehbar, dass es da zu Engpässen kommen wird.

Im Bereich der Fleischverarbeitung ist die Lage aktuell so, dass mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte fehlen und es keinen inländischen Ersatz gibt, denn diese Arbeitsbedin­gungen sind für viele Menschen unvorstellbar. Österreichische Rinder werden derzeit nicht mehr abgeholt und verbleiben auf den Höfen. Kurz: Wir haben ein Agrarsystem, das auf eine Massen- beziehungsweise Überproduktion zu Dumpingpreisen, auf ein Billiglohnsystem mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und auf eine große Abhän­gigkeit von Futtermitteln aus dem Ausland aufgebaut ist. (Ruf bei der FPÖ: Sie sind in der Regierung!)

Gewusst haben wir das schon lange, jetzt wird es nur noch deutlicher, dass dieses System nicht krisenfest ist und die Ernährungssouveränität in Österreich nicht gegeben ist. Vielleicht wäre es ja hilfreich, wenn es einmal zwei oder drei Wochen lang kein Fleisch zu kaufen gäbe, vielleicht braucht es das, um ein dringend notwendiges Um­denken in der Agrarpolitik zu erreichen.

Es wurde heute sehr oft davon gesprochen, dass es darum geht, den Shutdown zu beenden und die Wirtschaft wieder hochzufahren. Es sollte jedoch nicht so ablaufen, dass wir zu business as usual zurückkehren. Die Coronakrise zeigt uns deutlich auf, wie ungerecht, instabil und verletzlich unser Wirtschaftssystem ist. – Das ist aber kein Naturgesetz, das lässt sich ändern. Politik ist dazu da, Dinge nicht einfach hinzuneh­men, sondern sie gegebenenfalls zu ändern. Ändern wir sie, indem wir mehr Gerech­tigkeit, mehr Sicherheit und mehr Nachhaltigkeit schaffen!

Ich bringe noch einen Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kollegin­nen und Kollegen zu TOP 2 ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR

der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 2

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen den Antrag,

1.         gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben sowie

2.         dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.“

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Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.35

Vizepräsident Michael Wanner: Der Antrag ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile es ihr. – Bitte.