18.49

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben heute schon von der Regierungsbank von der Alternativlosigkeit der Maßnahmen gehört, die seitens der Regierung gesetzt worden sind. Mit diesem Narrativ möchte ich aufräumen, ich möchte es infrage stellen.

Es sind 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit, etwa 600 000 in Arbeitslosigkeit und es gibt 50 Prozent Produktions- und Umsatzeinbrüche der österreichischen Wirtschaft. Das ist – wenn es überhaupt in Richtung Alternativlosigkeit geht – bestenfalls ein Pyr­rhussieg, das heißt, das Virus ist weg, aber die Wirtschaft ist auch hin. Derzeit ist das Virus noch immer da, aber die Wirtschaft ist schon hin. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben zu spät reagiert, diesen Vorwurf mache ich Ihnen. Sie haben zu spät re­agiert, Sie haben das Ganze verschlafen. Ich habe erst vor Kurzem, letzte Woche, ein Mail von der Wirtschaftskammer Wien bekommen – weil die Wirtschaftskammer Wien angesprochen worden ist –: Die Masken sind endlich da. – Vor einer Woche!

Ja, wo sind sie denn? Sie wollen Unternehmer beraten, können aber nicht unterneh­merisch handeln. Ich hatte in meinem Unternehmen schon Ende Jänner Masken, weil ich sehr wohl aus China davor gewarnt worden bin, was auf uns zukommt. Sie und Ihr Bundeskanzler haben das komplett verschlafen. Sie haben keine medizinische Ausrüstung für die Krankenanstalten organisiert. Sie haben überhaupt keine Masken organisiert. Mit Masken und Abstandhalten zu arbeiten, wäre für die Wirtschaft ja auch ein Programm gewesen. Der Lockdown, bei dem Sie von Alternativlosigkeit sprechen, ist das Radikalstszenario. Die Radikalität, die Sie uns als FPÖ vorwerfen, haben Sie an den Tag gelegt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Wirtschaftskammer hat sicherlich ein gutes Schulungsprogramm. Wenn man Unternehmer wird, ist man aber schon geschult – das setze ich zumindest voraus –, um das Ganze erfolgreich gestalten zu können. Zuerst Unternehmer werden und sich dann schulen, kommt eher in geringerem Maße vor. Die Wirtschaftskammer präsentiert sich heute aber als Schulungsinstitution.

Sie ist keine Interessenvertretung, wie wir als Unternehmer uns das im Sinne unserer Interessen gegenüber der Bundesregierung vorstellen, weil – das ist leider der Be­weis – sie sich leider mit einem Dienstleistungsvertrag, einem Millionenvertrag zwi­schen der Bundesregierung und der Wirtschaftskammer, einfangen lassen hat. Den hätte sie nie annehmen dürfen.

Frau Kollegin Zwazl, liebe Sonja, du machst das sicherlich ordentlich. Ich möchte diese Leistungen gar nicht in Abrede stellen, aber es ist nicht die ureigenste Aufgabe, sich als bürokratische Verwaltung zu präsentieren. Dazu gibt es andere Institutionen wie die Finanzämter, die das alles per Finanzonline auf den Tag genau bereits statistisch erfasst haben und sofort das Ganze auszahlen können. Das kann ja die Kammer nicht. Das bürokratische Verfahren dauert ja viel zu lange. Das liegt in der Natur der Sache, aber es ist nicht Aufgabe der Kammer.

Was die Aufgabe einer Interessenvertretung ist, zeigt die Industriellenvereinigung, das muss ich schon sagen. In Italien und in Spanien waren die Industrien geschlossen, und das hattet ihr auch mit den Industrien hier vor. Was hat euch da die IV gesagt? – Mit uns macht ihr das nicht! Die haben mit euch Tacheles gesprochen, und dann habt ihr einen Rückzieher gemacht.

Die Wirtschaftskammer hat das versäumt. Sie hat versäumt, zu sagen: Ihr sperrt uns den Handel nicht zu! Die Schutzmasken in Österreich zu produzieren ist doch ein Leichtes. Eine Industrie, ein Betrieb kann doch sofort umstellen. Lenzing produziert jetzt Schutzmasken, Agrana, der börsennotierte Konzern, produziert Desinfektions­mittel, ein Vorarlberger Konsortium hat die Textilindustrie wiederbelebt und produziert Schutzmasken, und Semperit stellt medizinische Produkte her.

Dieses Revival hätten Sie längst angehen können. Erst Mitte April ist Frau Minister Schramböck auf die Idee gekommen: Na, vielleicht können wir doch in Österreich produzieren lassen. – Das hättet ihr schon im Jänner einleiten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der jetzt präsentierte Härtefallfonds ist richtig. Das ist für die Ärmsten der Armen. Man muss sich vorstellen: 140 000 Unternehmer beanspruchen – Entschuldige! – mickrige 500 Euro. – Wie schlecht geht es denen eigentlich? Das ist circa jeder dritte Unter­nehmer in Österreich. Also macht einmal die Vorhänge auf und schaut hinter die Kulis­sen, wie es da wirklich ausschaut! Ein Bild der Tragödie! Als Unternehmer muss man das wissen, um nicht selbst eine Bauchlandung zu machen.

Die Wirtschaft gehört hochgefahren. Es geht nicht, dass man sagt, die Maßnahmen seien alternativlos. Sie sind es nicht. Bundeskanzler Kurz mit seinem Heiligenschein kann nicht gegen Naturgewalten ankämpfen. Das geht nicht, das Virus ist da. Es ist ja noch immer da, und erst dann – das ist meine persönliche Meinung –, wenn ein Medikament oder eine Impfung gefunden worden ist, ist es wirklich weg.

Zu den Virologen sei einmal gesagt – weil der Herr Bundeskanzler sich so gerne von Epidemiologen, von Infektiologen und von Virologen beraten lässt –: Ins Epidemie­ge­setz, das ihr geändert habt, habt ihr Mers-Covid hineingeschrieben, und das zu Recht. Es gehört zur Familie der Mers-Viren, die es seit 2002/2003 in China gibt; die sind existent. Na, wo waren denn die Forscher? Was haben die in den letzten 20 Jahren gemacht? – Offensichtlich nichts. Jetzt forschen sie rund um die Uhr, weil es Geld gibt, weil es Steuergeld gibt, weil es ein Geschäft ist. Damals war es kein Geschäft, jetzt ist es ein Geschäft. Ich würde einmal die Virologen fragen: Was habt ihr in den letzten 20 Jahren eigentlich gemacht? Habt ihr geschlafen, oder was? Offensichtlich habt ihr nichts gemacht.

Also da ist die Pharmaindustrie auch einmal gefragt, die in Wien gerade von der Wirtschaftskammer Wien so hofiert wird: Na, wo ist euer Konzept? Wo sind eure Medikamente? Wo sind eure Impfstoffe? Ihr hattet 20 Jahre Zeit, zu forschen, und es war vorhersehbar, was auf uns zukommt.

Zur Wirtschaftskammer, die natürlich auch eine Tradition hat: Es ist ja eigentlich – das muss ich ganz ehrlich sagen, weil ich aus einer Unternehmerfamilie, schon in der x-ten Generation, komme – eine Tragödie, wie sich die Wirtschaftskammer heute präsentiert: als zentralistisches Machtvakuum, das eigentlich die Interessen der Unternehmer nicht mehr vertreten kann. Wenn ihr 1,4 Milliarden Euro an Rücklagen habt, sei es euch gegönnt, aber da muss man schon fragen: Ist vielleicht die Kammerumlage zu hoch? Kann man sich einmal diese Frage stellen? Die Kammerumlage ist ja an die Lohn­nebenkosten gebunden, und die steigen immer mehr als die Inflationsrate.

Vielleicht kann man da auch einmal sagen, wir beteiligen uns an den 500 Euro und fetten die ein bisschen auf. Das wären vielleicht 1, 2 Prozent vom gesamten Volumen von 1,4 Milliarden Euro, aber das wäre Ausdruck der Bereitschaft der Wirtschafts­kam­mer gewesen, für die Unternehmer, für jeden vierten gestrandeten Unternehmer etwas zu tun. Das habe ich vermisst. (Beifall bei der FPÖ.)

Bundeskanzler Kurz hat gemeint, wer früh hilft, hilft doppelt. Das hat er Ende März gesagt. – Sieben Wochen sind vergangen, angekommen sind nur 500 Euro und sonst nichts. Wem spät geholfen wird, dem hilft das Geld auch nicht mehr. – So würde ich es formulieren. 500 Euro sind angekommen, alles andere ist Zukunftsmusik.

Kurzarbeit ist sicher keine schlechte Maßnahme, aber vorleisten muss es der Unter­nehmer. Der kann jetzt keine Miete mehr zahlen, weil er keine Umsätze mehr hat. Die Miete aber muss er zahlen. Es gibt zwar dieses Gesetz, aber das ist ambivalent. Wenn der Hausbesitzer oder -eigentümer nicht will, steht sein ganzes Geschäftsmodell infra­ge, weil er gekündigt wird. Er kann das natürlich beeinspruchen, aber das würde ich als Unternehmer nicht tun. Er muss außerdem seinen ganzen Mitarbeiterstab bezahlen, denn die Kosten für die Kurzarbeit bekommt er erst irgendwann refundiert. Der Fix­kostenzuschuss kommt überhaupt erst nächstes Jahr, weil der ja geschäfts­jahr­abhängig ist. Der Unternehmer zahlt also alles selber, und man sieht, das kostet nicht 500 Euro, sondern das kostet Tausende Euro, wenn man weiß, wie hoch die Miet­preise zum Beispiel in Wien derzeit sind.

Nein, es ist kein alternativloses Programm. Es gibt ein wesentlich besseres Programm. Sie hätten die Wirtschaft nie so von einem Tag auf den anderen runterfahren müssen. Sie haben es unvorbereitet getan, ohne Konzept, und jetzt wissen Sie selber nicht, wie man das Ganze wieder hochfährt. Das ist Ihr Problem, und vor dem stehen Sie. Das wissen Sie wahrscheinlich auch, aber Sie werden es nicht sagen.

Sie haben den Menschen die Möglichkeit zur Selbstorganisation genommen. Das ist jetzt auch ein gutes Geschichtsbeispiel, wenn man darüber einmal in Jahrzehnten schreibt: Was passiert, wenn irgendjemand von oben, nicht eine unsichtbare Hand, sondern eine sichtbare Hand, nämlich Bundeskanzler Kurz, in die Wirtschaft eingreift? Was passiert, wenn eingegriffen wird? – Sie haben uns ein Grundrecht genommen, das ist die Erwerbsfreiheit. Sie haben uns das zweite Grundrecht genommen, die Unverletzlichkeit des Eigentums aus dem Staatsgrundgesetz von 1867, auf dem – muss man sagen – der Kapitalismus, der Wohlstand aufbaut. Das haben Sie uns genommen. Das gibt es nur, wenn Krieg ist, oder 2020, wenn von Schwarz regiert wird. Das lehnen wir ab. Ihr Konzept ist nicht alternativlos. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.59

Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? Ja? Frau Kollegin Zwazl? (Bundesrätin Zwazl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich möchte noch gerne eine Ergänzung machen, weil ich annehme, Reinhard, dass dir das entfallen ist!) – Bitte.