19.48

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich habe am Anfang der Rede von Christoph Steiner geglaubt, es ist das erste Mal, dass ich nach ihm rede und nichts zu kritisieren habe. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Einen Punkt möchte ich aber festhalten: Ich kenne eure Postings, was Ramadan und Ostern betrifft, das ist blanker Rassismus. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Was mir bei euren Postings auffällt, ist, dass ihr viele Symbole verächtlicherweise für den Islam habt, aber kein einziges für Ostern, und das ist ein bisschen wenig. (Bun­desrat Steiner: Na, dann schau es noch mal durch!) – Ja, ich kenne eure Postings. Keine Sorge, ich kenne eure Postings! (Bundesrat Rösch: Das sind Verallgemeine­rungen, die genauso ...! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)

Kommen wir vielleicht noch zur vorhergehenden Debatte zurück: Was halt auffällt, und das muss ich als Sozialdemokrat natürlich hier sagen, ist: Dollfuß ist schon ein bisschen die Achillesferse der ÖVP. Da geht es immer relativ rund. Dollfuß war der Begründer des Austrofaschismus, das ist Tatsache, und hat das Parlament ausge­schalten. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Dass es da immer wieder zu solchen Krawallen kommt, verwundert.

Aber kommen wir zum Gesetz zurück, zum Covid-Gesetz Nummer 16. Wir haben uns das nicht leicht gemacht – ich sage das so, wie es ist –, wir haben es uns echt nicht leicht gemacht, hier die notwendige rote Karte zu zeigen und einen Einspruch zu formulieren. Es geht nämlich bei diesem Gesetz um nichts weniger – und das macht uns Sorge – als das, was neben der Demokratie sozusagen die größte Errungenschaft der Menschheit ist: Das sind die Freiheitsrechte, das sind die Bürger- und Bürgerin­nenrechte – das sind die Grundrechte. Diese werden durch dieses Gesetz angegriffen.

Vielleicht ein Beispiel dazu: Vor wenigen Tagen hat eine Staatsfrau gezeigt, was Staatsfrau zu sein heißt, nämlich Frau Merkel, die Folgendes gesagt hat (Zwischenruf bei der FPÖ): Diese Gesetze im Zuge der Pandemie sind eine Zumutung für die Demo­kratie. Gleichzeitig hat der österreichische Bundeskanzler aufgrund vieler verfassungs­mäßiger Bedenken zu österreichischen Verordnungen und Gesetzen gesagt, das seien „Spitzfindigkeiten“.

Dort die „Zumutung“ und da – ich verwende jetzt das Wort, ich weiß nicht, Herr Prä­sident, ob Sie da einschreiten wollen – die flapsige, unwissende „Spitzfindigkeit“. Das macht das Ganze schrecklich und ist auch der Grund dafür, dass wir da kein Vertrauen haben. Wir haben da kein Vertrauen in die Spitze unserer Regierung, denn wenn es um die sensibelsten Dinge geht, um Rechtswidrigkeiten und Verfassungswidrigkeiten, dann muss es das innerste Gespür eines Ministers oder Bundeskanzlers sein, zu sagen: Da haben wir aufzupassen, da schränken wir die persönlichen Freiheiten, die Bürger- und Bürgerinnenrechte ein! Das muss er wissen. Dieses Vertrauen haben wir nicht, und das ist der Grund, warum wir hier diesen Einspruch formuliert haben.

Wenn ich dann noch den lustigen Innenminister hernehme (Bundesrat Steiner: Den lustigen! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ): Dieser fühlt sich ja – so wie mehrere – als Erziehungsberechtigter der Republik. Er scheint der Erziehungsberech­tigte mit der niedrigsten Sprachqualität zu sein, wenn er wörtlich sagt: Wir müssen mit der „Flex“ die „Infektionsketten durchschneiden, die „Glutnester löschen“. – Wir reden immer noch von Kranken, ja, und wir reden immer noch von Menschen, die unter Angsteindruck stehen. Und dann bietet er Herrn Anschober sogar noch an, dass das Innenministerium Verhörspezialisten zur Verfügung stellt, um Erkrankte vielleicht auch noch zu quälen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich bin froh, dass der Gesundheitsminister von diesem übereifrigen Angebot nicht Gebrauch gemacht hat (Heiterkeit bei Bundes­rätInnen der SPÖ), aber die Kommunikationskette im Innenministerium würde ich gerne einmal anschauen.

In der zweiten Woche der Quarantäne habe ich mir erlaubt, zum Markt zu fahren. Das habe ich mir erlaubt. Meine Einkaufstasche war im Auto und ich fahre dorthin. Na, gleich Rotlicht, Polizei: Was machen Sie da? – Hab ich geantwortet: Ich fahre zum Markt einkaufen! – Darauf der Polizist: Es ist totale Ausgangssperre! – Darauf ent­gegne ich: Herr Inspektor, ich weiß ja nicht, wer Sie informiert, aber ich habe immerhin für die Covid-Gesetze im Parlament abgestimmt (Heiterkeit des Bundesrates Ofner), und ich sage Ihnen: Nie und nimmer gibt es in diesem Land eine Ausgangssperre! Ich habe das Recht, jetzt einkaufen zu gehen! – Ich weiß nicht, was Nehammer seiner Polizei gesagt hat, auf jeden Fall war der Polizist ziemlich verwirrt. (Heiterkeit des Bundesrates Pisec.) Ich habe ihn gefragt: Wollen Sie jetzt irgendwelche Amtshandlun­gen machen? Was haben Sie vor? – Hat er gesagt: Lassen wir es gut sein! (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Was lassen wir gut sein? Was lassen wir gut sein? Dass ich bei keinerlei Beschrän­kungen das einzig Normale tue, nämlich einkaufen zu gehen? – Aber gut. Ich habe es nicht gut sein lassen.

Was mir noch große Sorgen macht: Eine Regierung sollte um Vertrauen werben und nicht die Angst als Motor hernehmen. (Bundesrätin Zwazl: Ich geh’ jetzt hinaus!) Durch Zufall ist dieses Protokoll aufgetaucht, durch Zufall wissen wir, wes Geistes Kind da dahinter steht, wenn gesagt wird: Wir müssen schauen, dass alle Angst haben! Und da komme ich wieder zu den Erziehungsberechtigten: Erziehungsberechtigte, die mit Angst agieren – und das sage ich als Pädagoge –, haben meist schon verloren, weil das irgendwann zurückschlägt.

Nun kommen wir zu der berühmten App. Ich meine, es ist ja die Tragödie der Frak­tionsvorsitzenden der Grünen, ich habe noch nie eine solche Tragödie in so kurzer Zeit erlebt, die ja zum Werbetool dieser App geworden ist. Wenn wir heute lauschen, was die Stimme am Ohr des Kanzlers sagt, nämlich dass Sie Dinge machen, die „am Rande der Demokratie“ sind, dann wissen wir, wohin die Reise geht. Irgendwann sind wir dann dort, dass diese App natürlich verpflichtend wird, dass es selbstverständlich heißt: Wenn du das nicht hast, kannst du an Veranstaltungen nicht teilnehmen! Wenn du das nicht hast, kannst du an einer Demonstration einer Gewerkschaft nicht teilneh­men! Wenn du das nicht hast, kannst du nicht auf Reisen gehen! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Na ja, dem Steiner gefällt die Gewerkschaft nicht, aber wer weiß, auch ein Saulus wurde ein Paulus, und wir werden sehen, ob er da im Zillertal vielleicht voranschreitet. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Kannst mich mal besuchen kommen!)  Ich kenne das Zillertal, ich habe dort schon gearbeitet. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Kommen wir noch einmal zurück: Uns ist hier ganz, ganz wichtig, die Contact-Tracing-Technologie zu verbieten. Irgendwann wird das zur Verpflichtung! Wir wollen das nicht! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Es gibt darüber hinaus schon andere Formen, aber diese Form wollen wir nicht!

Das Nächste, lieber Rudi Anschober: Die Aufzählung der von den Behörden ergreif­baren Maßnahmen sollte nicht exemplarisch sein. Da soll drinnen stehen, welche Maßnahmen das sind, und zwar abschließend, erschöpfend, damit wir nicht wieder diesen großen Graubereich haben, den wir ja erlebt haben.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat das Diskriminierungsverbot angesprochen. Das führt zu Verwirrungen! Es ist schön, wenn Amnesty das super findet, aber so, wie die Formulierung jetzt ist, umfasst dieses Diskriminierungsverbot bislang nur das Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Das ist zu wenig! Das ist zu wenig!

Weiters fehlen sämtliche Kriterien in diesem Gesetz, die festlegen, wie die zuständige Behörde ihr Ermessen auszuüben hat. Was ich auch noch besonders interessant finde, ist das Heranziehen oder die Verpflichtung anderer Personen. – Wer sind die? Sind das die Nehammer-Leute oder sind das die Milizsoldaten? Wer sind diese Personen, die da herangezogen werden können?

Alles in allem: Wir haben nicht dieses Vertrauen in diese Regierung, und deshalb er­heben wir diesen Einspruch. Es gab null Begutachtung, und wenn man in Verfassungs­fragen eingreift, wenn man in die sensibelsten Bereiche eingreift, das heißt also in Grundrechte, dann muss man eine Begutachtung machen, anders geht das nicht. Als Herr Anschober Nationalratsabgeordneter war, hat er dasselbe immer und immer wieder gefordert, und ich nehme an, er versteht das auch. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Na ja, er versteht das sicher, er will jetzt nichts sagen, aber er versteht das. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Das Nächste betrifft die Versammlungsfreiheit. Was sind Veranstaltungen? Ist das in diesem Gesetz definiert? Was fällt da drunter? Was sind die Bedingungen? Sind da Kundgebungen ausgeschlossen, sind das kulturelle, sind das sportliche Ereignisse, was auch immer? – Auf jeden Fall wundert mich, dass eine türkis-grüne Regierung mit einem unfassbaren Eifer dabei ist, die Formel 1 wieder zurückzuholen – und wie immer hört man die falschen Argumente. Ich höre den Wirtschaftslandesrat der Steiermark schon wieder sagen: Die Umwegeinnahmen sind gigantisch. – Na ja, wenn keine Besucher da sind, schau ich mir an, wie gigantisch die sind. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schartel.)

Zum Schluss zwei Dinge: Ich bin klipp und klar der Meinung, das Arbeitslosengeld muss erhöht werden, und zwar jetzt, und es darf nicht zugewartet werden. Es ist die Forderung der Stunde. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Und zur anderen Sache ergreift vielleicht der Gesundheitsminister das Wort: Was sind die Kriterien, wonach die Behörden geeignete Personen zur Vollziehung des Epidemiegesetzes einsetzen kön­nen? Sind das die Janitscharen vom Nehammer, oder wer sind die geeigneten Per­sonen? Das soll man schon klären.

In diesem Sinne werden wir heute diesen aus verfassungsrechtlichen Gründen drin­gend notwendigen Einspruch voll unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

20.01

Präsident Robert Seeber: Was den Ordnungsruf betrifft: Ich habe richtig gehört, lieber Kollege Steiner, du hast gesagt: totalitärer Staat. Darum erübrigt sich von meiner Seite der Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: ... zehnmal wiederholt! Ich hab das ... Kurz gesagt! – Bundesrat Schennach: Ja, der Dollfuß, der treibt Blüten!)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober. Ich erteile dieses.