23.39

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen, geschätzte Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, falls noch welche unsere Sitzung verfolgen! Sie wissen ja, dass wir mit dem ersten und dem zweiten Covid-Paket einige Maßnahmen gesetzt haben, die die Justiz und ins­besondere den Gerichtsbetrieb stark eingeschränkt haben.

Sie haben es schon vorhin von Ihrer Kollegin gehört: Im letzten Monat wurden 41 000 Gerichtsverhandlungen abberaumt, und bei 30 000 davon ist das auf die Covid-Krise zurückzuführen.

Wir wollen natürlich so schnell wie möglich ins Tun kommen. Wir wollen auch diesen Rückstau abarbeiten. Mit diesem Gesetz soll es uns möglich sein, nun endlich Ge­richts­verhandlungen nicht nur in dringenden Fällen durchzuführen, sondern auch in allen anderen. Wir wissen, dass das nicht von heute auf morgen gehen wird, und wir wissen auch sehr gut, dass der normale Gerichtsbetrieb nicht so schnell wiederher­gestellt werden kann.

Sie wissen, es gibt viele Gerichtssäle im Land, aber nicht jeder Gerichtssaal ist Covid-geeignet. Gerade in kleinen Bezirksgerichten gibt es viele kleine Gerichtssäle, die sich dafür nicht eignen und die daher auch nicht zur Verfügung stehen werden.

Wir wissen aber auch, dass wir die Gesundheit aller Beteiligten schützen wollen. Wir wollen die Gesundheit der Richter, der Zeugen, der Parteien schützen. Dafür müssen wir als Justizverwaltung auch Sorge tragen, und deswegen haben wir in diesem Geset­zespaket auch eine Möglichkeit geschaffen, die uns eine gewisse Flexibilität gibt: Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Verhandlungen im Zivilverfahren nun auch per Video erfolgen können, und zwar, wenn die Parteien dem zustimmen. So können auch Zeugeneinvernahmen per Video erfolgen, wenn die Parteien dem zustimmen. Das ist auch deswegen wichtig, weil wir nicht über die Köpfe hinweg entscheiden wollen, son­dern weil gerade im Zivilverfahren auch die Zustimmung der Parteienvertreter erforder­lich ist.

Jetzt hat es da auch gewisse Kritik aus der Richterschaft gegeben, auch von der Richtervereinigung, weil man gesagt hat, das könnte dazu führen, dass Parteien die Verfahren verzögern. Das sehen wir etwas anders, weil wir in diesem Gesetz auch die Möglichkeit geschaffen haben, dass die Verhandlung per Video durchgeführt werden kann, wenn eine Partei nicht zustimmt beziehungsweise sich nicht innerhalb einer gewissen Frist äußert. Nur wenn sie dem widerspricht, muss die Verhandlung vor Ort stattfinden.

Mir ist ja durchaus bewusst, dass diese neue Form der Verhandlung sehr ungewöhn­lich ist. Es ist eine neue Situation für die Richter, für die Parteien, aber auch für die Zeugen. Ich will Ihnen versichern, es ist mir wichtig sicherzustellen, dass wir dieses neue Format in der Justiz gut annehmen und keinen Qualitätsverlust erleiden. Das wird uns nur dann gelingen, wenn alle Verfahrensbeteiligten an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten.

Ich weiß, dass das eine schwierige Situation ist, und ich kann Ihnen auch versichern, dass wir die Entwicklung ständig evaluieren. Ich schaue mir tagtäglich an: Wie funk­tioniert das bei den Gerichten? Wo tauchen die Probleme auf? Was können wir ver­bessern? Es ist wirklich besonders wichtig, gerade jetzt in dieser schwierigen Phase, ständig im Dialog zu bleiben, damit man einfach aus der Praxis hört: Wo sind die Probleme? Wo können wir noch unterstützen?

Auch wenn das Strafverfahren jetzt nicht mit diesem Gesetz mitbeschlossen wird, möchte ich trotzdem noch auf einige Punkte eingehen, die im Zuge der Debatte immer wieder genannt wurden. Es geht insbesondere um die Möglichkeit der Videover­hand­lung im Strafverfahren. Da hat es auch gewisse Kritikpunkte gegeben, auch seitens der Rechtsanwaltskammer und ein paar anderer Beteiligter und natürlich auch von den Oppositionsparteien im Parlament. Diese Kritik – das möchte ich Ihnen auch sagen – möchte ich ernst nehmen. Ich bin immer gerne bereit, darüber zu diskutieren, und ich habe auch die Debatte im Ausschuss gerne geführt.

Wir befinden uns da in einer gewissen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Es geht darum, dass wir einerseits den Unmittelbarkeitsgrundsatz wahren, andererseits aber auch ein zügiges und rasches Verfahren ermöglichen, weil es gerade im Strafrecht für jeman­den, der – womöglich unschuldig – in Untersuchungshaft sitzt, von großer Bedeutung ist, dass er so schnell wie möglich erfährt, ob er denn nun weiter sitzen muss oder ob er nicht doch freikommt.

Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung haben wir uns ganz genau angeschaut, auch vor dem Hintergrund, dass nicht jede Justizanstalt gleich ist. Es gibt kleine Justizanstalten, es gibt Justizanstalten, die überfüllt sind. Da müssen wir immer darauf schauen, dass die Gesundheit auch in den Justizanstalten gewährleistet ist.

Wir haben aber deswegen diese Verhältnismäßigkeitsprüfung auch noch einmal den Richtern übergeben, weil es auch eine Kannbestimmung ist. Es ist keine Verpflichtung, das Verfahren im Strafrecht per Video abzuhalten, sondern es ist eine Bestimmung, die diese Entscheidung dem Ermessen des Richters überlässt. Das heißt, der Richter kann noch einmal diese Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen, kann noch einmal im Ein­zelfall schauen: Kann diese Verhandlung auch tatsächlich per Video durchgeführt werden?

Zusätzlich zu all dem haben wir auch noch einmal klargestellt, dass diese Bestimmun­gen gerade im Schöffenverfahren oder im Geschworenenverfahren sehr restriktiv aus­zulegen sind, weil es gerade bei Geschworenengerichten oder bei Schöffenverfahren um sehr grundrechtssensible Materien und auch um lange Freiheitsstrafen geht.

Zusätzlich haben wir auch die Kritikpunkte ernst genommen, dass die Angeklagten, die per Video zugeschaltet werden, nicht die Möglichkeit haben, mit ihrem Verteidiger zu sprechen. Wir haben deswegen jetzt auch ermöglicht, dass jeder Angeklagte, der per Video an einer Hauptverhandlung teilnimmt, auch ein Mobiltelefon bekommt, um mit seinem Verteidiger vor der Verhandlung ungestört und unbeobachtet telefonieren zu können, während der Verhandlung jederzeit diese unterbrechen und telefonieren zu können und sich auch nach der Verhandlung jederzeit ungestört mit seinem Verteidiger austauschen zu können.

Zusätzlich, zum weiteren Schutz der Verhältnismäßigkeit, haben wir das Ganze noch befristet. Die Maßnahme läuft natürlich mit Ende Mai aus, und da werden wir nochmals evaluieren, wie sich die Situation, insbesondere die Gesundheitssituation entwickelt hat.

Zu guter Letzt darf ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Justiz bedanken, die den Rechtsstaat auch während dieser schwierigen Zeit aufrechterhalten haben. Abschließend möchte ich mich auch bei Ihnen allen dafür bedanken, dass Sie uns ermöglichen, dass wir diese notwendigen Maßnahmen heute beschließen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

23.48

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.