1.45

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Köck, ganz verstehe ich die Aufregung nicht, denn wenn ich so ein bisschen in die Thematik hineinschaue, schaut die Realität schon ein bisschen anders aus.

Ich weiß, dass es schon sehr spät ist, und ich hoffe, trotzdem noch eure Aufmerk­sam­keit für diese doch etwas ungustiöse Thematik zu bekommen. Wenn so Ausdrücke wie „verzweifelt“, „hinterrücks“ und ich weiß nicht was noch fallen und ich mir andererseits die tatsächlichen Fakten genauer anschaue, tu ich mir ein bisschen schwer. (Bun­desrat Rösch: Depperte Preisvergleiche! – Bundesrat Schennach: Depperte ...! – Ruf bei der ÖVP: Und depperte Zahlen! – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Es werden nachweislich die für den Transport der Tiere erlaubten Zeiten deutlich überschritten. Es kommt häufig zu langen Wartezeiten an den EU-Außengrenzen und Zollhäfen, außerhalb der EU fehlen geeignete Versorgungs- und Kontrollstationen gänzlich. Die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhe-, Tränk- und Fütterungspausen wer­den weitestgehend ignoriert. Außerhalb der EU-Grenzen finden keine Kontrollen zum Schutz der Tiere statt. Es fehlen geeignete Notfallpläne, um den Tieren im Ernstfall möglichst schnell und effektiv helfen zu können. Oft werden zu viele Tiere pro Lkw verladen. Es erreichen nicht alle Tiere die Wassertränken, oft haben Tiere nicht genug Platz, sich hinzulegen oder aufzustehen. Über Tausende Kilometer müssen die Tiere in ihren eigenen Exkrementen stehen. In der Enge kann die Luft nicht zirkulieren, Am­moniakgase reizen die Atemwege der Tiere. Höchsttemperaturen werden überschritten und Mindesttemperaturen unterschritten. Es wurde schon bekannt, dass Lkws mit Tieren völlig durchfroren waren. Muttertiere werden teilweise hochschwanger trans­portiert und bringen unterwegs ihren Nachwuchs zur Welt. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Und weil der Begriff Ostern schon so oft gefallen ist: Wie sieht das in der Realität aus? – Bei Kontrollen von Lämmertransporten in der Osterzeit, nämlich von Warschau über Österreich nach Rom, hat man festgestellt, dass die Muskulatur der festge­klemmten Lämmer bis auf die Knochen durchgescheuert war. (Ruf bei der SPÖ: Für die ÖVP kein Problem!)

Gibt es genügend Transportkontrollen? – Zu exportierende Tiere werden in Österreich vor der Verladung durch die Amtskontrollärzte kontrolliert. Beim Import gibt es nur stichprobenmäßig Kontrollen und zu wenig Kontrollen. Im Falle von Schlachttrans­porten wird unter anderem kontrolliert, ob die Tiere schlachtfähig sind. Sie dürfen keine äußeren Verletzungen aufweisen und müssen noch gehen können. Ob die Lkws ge­eignet sind, wird selten überprüft. (Zwischenruf des Bundesrates Saurer.)

Wie schaut es beim Transport von Kälbern aus? – Eigentlich müsste man sagen, wir müssen aufhören, männliche Kälber als Abfallprodukte zu bezeichnen. Aus wirt­schaft­lichen Gründen werden die preislich nahezu wertlosen männlichen Kälber von West­österreich nach Spanien oder Italien verbracht. Dort werden sie in Großbetrieben einige Monate lang unter deutlich niedrigeren Haltungsstandards als in Österreich gemästet. (Bundesrat Gfrerer: Das ist ja das Problem!)

Als Vergleich: Hunde und Katzen dürfen erst frühestens nach acht Wochen von den Müttern getrennt werden. Diese kleinen Kälber sind aber gerade zwei bis drei Wochen alt und schon über 19 Stunden im Lkw. (Ruf bei der FPÖ: Tierquälerei!) Sie müssen während dieser Zeit auch mit Flüssignahrung gefüttert werden, weil sie noch nicht an Festfutter gewöhnt sind. Sie verstehen aber die ihnen unbekannten Trinknippel im Lkw nicht: Sie müssten erst herangeführt werden, um dort die kontrollierte Menge an körperwarmem Milchaustauscher zu bekommen.

Theoretisch ist alles machbar, aber es dauert Stunden. 200 Kälber auf einem Sattel­schlepper individuell zu versorgen, ist zum Beispiel nicht durchführbar und wird des­wegen auch nicht gemacht.

Und warum tut man das den Kälbern an? (Ruf bei der ÖVP: Wegen dem billigen Essen!) – Würden die Kälber länger bei den Mutterkühen bleiben, würden sie neben der Milch auch Gras und Heu zu fressen beginnen. Das hat zur Folge, dass sich dann das Fleisch zu verfärben anfängt, dann ist es nicht mehr weiß, sondern wird rosarot. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Und das ist dann die Begründung der Fleischwirtschaft, nämlich dass der Konsument nur weißes Kalbfleisch haben möchte; dunkles ist unver­käuflich. Daher werden aufgrund des Farbvorteils für das zu verkaufende Kalbfleisch all die Kälber von Österreich nach Spanien und Italien transportiert. Dann kommen sie nach einigen Monaten wieder zurück und werden hier als österreichisches Kalbfleisch verkauft. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja richtig pervers!)

In Kärnten ist die Kärnten-Koalition da schon einen anderen Weg gegangen. Gemein­sam mit der Landwirtschaft hat die Gesundheitslandesrätin Beate Prettner eine Forcie­rung des Kärntner Biokalbfleisches Rosé ins Leben gerufen und so in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft für 1 000 Kälber im Jahr diese unwürdige Behandlung der Jungtiere unterbunden. (Beifall des Bundesrates Pisec.)

In Österreich wird in Sachen Tierschutz sehr oft behauptet, dass man einen tollen Tier­schutz hat; wenn man das aber genau betrachtet, erkennt man die Missstände. 98 Pro­zent der österreichischen Schweine verbringen ihr Leben zum Beispiel in der tristen Umge­bung konventioneller Haltungssysteme, auf Vollspaltenböden, über ihren Exkre­menten und ohne jegliche Einstreu. Was die Käfighaltung für die Hennen bedeutet, ist für die Schweine die Vollspaltenbodenhaltung. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das sind nicht von mir selbst ausgedachte Positionen, sondern das sind Zitate aus einem Interview mit dem Tierarzt Dr. Alexander Rabitsch, der, glaube ich, der grünen Fraktion kein Unbekannter ist. Dr. Alexander Rabitsch ist einer der gefragtesten Exper­ten in Europa. Er hat sich als Kärntner Tierarzt nicht nur Freunde gemacht. Er schult Verkehrspolizisten, Amtstierärzte in Österreich, Deutschland, Polen, Bulgarien, Lettland, Litauen und ist gerichtlich beeideter Sachverständiger. Das sind also alles Fakten, die auch in Fachjournalen nachzulesen sind.

Und wenn man sich jetzt hierher ans Rednerpult stellt und behauptet, dass es von Österreich keine Tiertransporte ins Ausland gibt, so entspricht das nicht der Wahrheit. Wie schaut es mit den Rindfleischexporten aus Österreich aus? – 50 Prozent der Rind­fleischexporte gehen in die Türkei. An der türkischen Grenze entstehen massive Schwierigkeiten. Die Situation an der bulgarisch-türkischen Grenze ist vonseiten des Tierschutzes als besonders problematisch anzusehen. Was sind die konkreten Heraus­forderungen für die zuständige Veterinärbehörde? – Die unkalkulierbare Transport­dauer, fehlende Kontrollstellen bei den Ablademöglichkeiten, fragliche Nachbeschaf­fung von Wasser, Futter und Einstreu, Verstöße gegen Sozial- und Ruhezeitvorschrif­ten für die Lenker.

Fazit für die Praxis? – Letztverantwortlich für die Abfertigung eines Transports und somit für den Verbleib und das Wohlergehen der Tiere ist die mit dem Bewilli­gungs­verfahren befasste Veterinärbehörde. Es ist daher Zeit, zu handeln und nicht zu vertagen. Deshalb stellen wir heute diesen Antrag gemeinsam mit der FPÖ und hoffen, dass endlich etwas gegen das Tierleid passiert. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

1.54

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr.