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Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte noch kurz auf die Daten replizieren, wie die Situation bei den Landwirten ist.

Die ÖVP glaubt, da die Zahl der Landwirte von 1970 bis 2017 von 366 000 Bauern auf 162 000 Bauern gefallen ist, dass man jetzt das Gleiche mit den Wirtschaftstreibenden machen kann. Nur die Wirtschaftstreibenden lassen sich das hoffentlich nicht gefallen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es hilft nichts und es bringt keine finanzielle Absicherung für die Arbeitnehmer, für die Arbeitgeber, auch nicht für die Gemeinden, wenn die Bundesregierung bei ihren täglichen Pressekonferenzen lauter leere Worthülsen produziert, anstatt Taten zu setzen. Es sei Ihnen ins schwarz-grüne Regierungsstammbuch geschrieben: Die Unternehmen brauchen nicht mediale Luftblasen, sondern Rechtssicherheit. Die Unternehmer erwarten Professionalität.

Unser damaliger Antrag, Kollege Pisec hat ihn schon vorgelesen, hat folgendermaßen gelautet:

„Der Wirtschaftsausschuss wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein Maßnahmenpaket auszu­ar­bei­ten, das geeignet ist, die negativen Auswirkungen infolge der Ausbreitung des Corona­virus auf die heimische Wirtschaft, insbesondere auf Handelsbetriebe, Gastronomie-, Freizeit- und Tourismusbetriebe sowie Unternehmen der Event- und Veranstaltungs­branche, unter anderem durch Umsetzung“  unserer  „Forderungen zu minimieren“.

Das haben wir damals, wie es Reinhold gesagt hat, am 12.3. schon eingebracht.

Der verordnete Shutdown der Bundesregierung gefährdet die Wirtschaft massiv. Tau­sende Unternehmen stehen vor dem Ruin. Österreich droht eine Insolvenzwelle von historischem Ausmaß. Seit rund sieben Wochen stehen große Teile der heimischen Wirtschaft still. Für Tausende Betriebe hat die verordnete Schließung zu einem teils kompletten Einkommensverlust geführt.

Der von der Regierung eingerichtete Hilfsfonds ist für viele nicht mehr als ein Trost­pflaster. Viele Unternehmer quer durch alle Branchen, die mich kontaktieren, berichten mir, dass der Härtefallfonds für viele Betriebe bei Weitem nicht die laufenden Aus­gaben abdeckt, dass die Überbrückungskredite noch nicht ausgezahlt wurden, und auch beim Thema Kurzarbeit fehlen Klarheit und Geld. (Beifall bei der FPÖ.)

Dies wurde uns ja heute auch in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses von den Experten bestätigt. Aus dem Soforthilfetopf des Härtefallfonds, der zuerst mit 1 Mil­liarde Euro dotiert war und dann medienwirksam auf 2 Milliarden Euro aufgestockt wurde, wurden nach heutigem Stand den rund 140 000 Antragstellern lediglich 122 073 000 Euro ausbezahlt. Für die zweite Stufe wurden bis jetzt 95 000 Anträge gestellt; da wurden bis jetzt 11 Millionen Euro ausbezahlt.

Auch die zweite Phase der Fonds für Kleinunternehmer bringt zu wenig. Selbst wenn ein Unternehmen die volle Fördersumme erhält, sind das insgesamt 6 000 Euro über vier Monate, mit denen die laufenden Kosten zu bestreiten sind (Bundesrätin Zwazl: Nein, das ist ... persönlich!), denn jeder Tausender, der bereits ausbezahlt wurde, wird in der zweiten Phase miteingerechnet.

Nicht nur dieses Detail, sondern auch die Auslegung der Richtlinien sorgen für Kritik. So gilt bisher, dass der Verdienstausfall im Bezugszeitraum – der erste dauerte vom 16. März bis 15. April – für die Berechnung der Unterstützung herangezogen wird. Gerade in Saisonbetrieben ist das aber sehr fragwürdig, denn all jene Unterneh­mungen, welche nicht eine halbwegs gleichmäßige Auslastung über das Jahr haben, laufen Gefahr, dass in den schlechten Monaten die in den guten Monaten erzielten positiven Ergebnisse wieder aufgefressen werden. Besonders bedenklich ist es auch, dass die steuerlichen Gewinne als Grundlage für die Berechnung herangezogen werden sollen.

Auch Wirtschaftsexperten glauben, dass Zahlungen aus dem Härtefallfonds womöglich zu kurz und zu niedrig ausfallen könnten. So kann etwa ein freiberuflicher Psycho­the­rapeut mit 2 000 Euro weder seine Kosten decken noch davon leben. Viele EPUs wer­den in große Schwierigkeiten kommen, vor allem wenn diese im Veranstaltungsbereich tätig sind, der noch länger nicht laufen wird. Mein Fazit dazu: zu kompliziert, zu viel bürokratischer Aufwand und vor allem zu wenig finanzieller Ausgleich für das von der Regierung verordnete Arbeitsverbot.

Der Shutdown ist eine enorme finanzielle Belastungsprobe. Teilweise 90 bis 100 Pro­zent Umsatzeinbruch seit Beginn der Coronakrise sind die traurige Realität. Die versprochene Hilfe kommt kaum an. Von einer Normalität sind wir meilenweit entfernt. Dazu kommt noch eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung der Betriebe.

Grenzschließungen gefährden den Wirtschaftsstandort massiv. Der Handel und die Tourismusbranche werden besonders hart von der Coronavirussituation getroffen. Ohne Akutmaßnahmen zur Deckung laufender Kosten könnte ein Drittel der Betriebe wegbrechen. In der Tourismusbranche herrscht derzeit absoluter Stillstand. Die Be­trie­be sind seit Mitte März geschlossen. Von einer Existenzsicherung sind wir noch weit entfernt, da die besprochenen Förderungen nicht punktgenau auf die Branche treffen.

Wenn bis zu 30 Prozent der Betriebe wegbrechen, hat das kurz- und mittelfristig weit­reichende Folgen. Das kann einen langen Rattenschwanz nach sich ziehen, wenn man weiß, welch wichtiger Wirtschaftsfaktor die Tourismuswirtschaft auch für andere Branchen ist. 40 bis 50 Prozent der regionalen Betriebe hängen mit ihrer Wertschöpfung an der Tourismusbranche. Die Coronasituation wird zu einer Reduzierung der Arbeitsplätze, besonders in den Talschaften, führen. Daneben droht eine weitere Gefahr, nämlich ein möglicher Ausverkauf von Betrieben und anderen Vermögenswerten in den Touris­musregionen.

Nun zur Kurzarbeit: Neben dem Härtefallfonds bereitet auch die Kurzarbeit Unter­neh­men weiter Kopfzerbrechen. Sie verursacht einen enormen bürokratischen Aufwand, wie wir heute schon oft gehört haben. In der Kritik steht vor allem der schlechte Informationsfluss seitens der Regierung. Bezeichnend war heute auch, dass die Expertin im Wirtschaftsausschuss keine Angaben machen konnte, außer dass sie uns den kompletten Betrag der 10-Milliarden-Euro-Beträge genannt hat.

Es gibt zwar jede Menge Pressekonferenzen, aber keine klaren Ansagen. Dazu kommt noch die Tatsache ständig wechselnder Informationen und Aufschiebungen. Es gibt für die Betriebe noch zu viele Stolpersteine, vor allem für Klein- und Kleinstunternehmer ist die Bürokratie im Zusammenhang mit der Kurzarbeit überbordend.

Die zwar gesetzeskonforme, aber nicht administrierbare Postzustellung von Zugangs­daten zum AMS in Zeiten wie diesen ist unangemessen. Tausende Betriebe haben über Nacht einen elektronischen AMS-Zugang gebraucht, um das zwölfseitige Kurz­arbeitsanmeldeformular zu befüllen beziehungsweise zu senden. Um einen neuen Zugang zu bekommen, mussten etwa Steuerberater den Klienten das Antragsformular senden, das diese dann entweder an das AMS oder an sie, die Steuerkanzlei, wieder zur Weiterleitung schicken mussten. Per Posteinschreiben wird dann ein Zugangscode retourniert, der oft nicht zugestellt werden kann, weil viele Betriebe geschlossen sind. Der hinterlegte gelbe Zettel wird vielleicht Wochen später gefunden. – Das kann alles nicht sein, daher ist es dringend an der Zeit, diesen wahnsinnigen Verwaltungsaufwand mit Hirn einzudämmen! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die verpflichtende Sozialpartnereinigung führt wegen der Überlastung der Ge­werkschaften zu massiven Verzögerungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Daher ist es auch kein Wunder, dass bei vielen Betrieben das Geld noch nicht ange­kommen ist. Das ist eine weitere Belastung für die Betriebe und führt zu dramatischen Liquiditätsengpässen. Unser Fazit: Kurzarbeit macht Sinn, sie muss aber massiv ent­bürokratisiert werden. Die Gelder müssen rasch in den Betrieben ankommen, damit die Liquidität nicht noch mehr gefährdet wird.

Nun zur Zusammenfassung der Beschwerden betreffend Banken, die von Unterneh­men an mich ergangen sind: Trotz gegenteiliger Bekundungen, wie wir sie heute wieder gehört haben, sind die Probleme mit den Banken nicht aus der Welt. Es gibt immer wieder Fälle, bei denen die Kreditinstitute Teile der Gelder aus dem Härte­fallfonds beschlagnahmen. Gängig ist der Einzug von 300 Euro aus der ersten Tranche von 1 000 Euro, wie mehrere Unternehmen an mich berichteten.

Da wäre außerdem noch die Frage der Kreditvergabe: Um sie flottzubekommen, übernimmt der Staat bei kleinen Krediten, so wie wir das heute gehört haben, noch einmal eine 100-Prozent-Haftung bei einer Höhe von bis zu 500 000 Euro, 90 Prozent bei bis zu 800 000 Euro. (Zwischenruf des Bundesrates Seeber.)

Für die Haftungen sind laut heutiger Auskunft 9 Milliarden Euro reserviert. Doch selbst in solchen Fällen, in denen die Haftung durch die AWS zu 100 Prozent übernommen wird, gibt es Banken, die zusätzliche Sicherheiten verlangen. Die burgenländische Hausbank einer Therme forderte unter anderem eine private Bürgschaft und eine Nachrangerklärung. Dort wird von der Politik viel besprochen, aber nichts umgesetzt.

Davon besonders betroffen ist die Tourismusbranche, für die nach wie vor ein verord­netes Arbeitsverbot gilt. Fast ein Drittel aller Betriebe dürfte zu wenig Eigenkapital haben, um die akuten Krisenmonate zu übertauchen. Es ist für viele Betriebe einfach nicht möglich, dieses Eigenkapital aufzubringen, das notwendig ist, um den Betrieb wieder weiterzuführen. Zudem gibt es sehr viele Pachtbetriebe, die gar kein oder viel zu wenig Eigenkapital haben, die anderen haben viel investiert und haben deshalb nicht genügend Eigenkapital. Es braucht daher Regelungen, um wieder starten zu können. Nur die Ankündigung, dass ein Förderpaket kommen soll, ist zu wenig.

Staatshaftungen machen Sinn, dürfen aber nicht zum bürokratischen Spießrutenlauf werden. Schnelles Geld ist wichtig, damit den Betrieben nicht die Liquidität ausgeht und sie weiter arbeiten können. Ohne Liquidität wird es keinen Neustart nach dem Shutdown geben. Die Bundesregierung sollte Maßnahmen setzen, die das Land aus der Krise führen, statt diese noch zusätzlich zu verschärfen. Dazu brauchen die Menschen und die Unternehmen Sicherheit und Stabilität.

Die Bilanz der Versagerregierung: Zuerst wird das Land zugesperrt, weite Teile der Wirtschaft werden zum Erliegen (Bundesrat Buchmann: Du weißt aber schon ...?! – Zwischenrufe der Bundesräte Preineder und Seeber) und dadurch viele Menschen in eine finanzielle Notlage gebracht. Danach erhalten sie keine ausreichenden Hilfen, sondern werden mit ein paar Almosen abgespeist.

Wir Freiheitlichen fordern die Bundesregierung auf: Österreich zuerst, öffentliche Auf­träge vorrangig an heimische Betriebe! Gerade der öffentlichen Hand kommt da als öffentlicher Auftraggeber eine ganz besondere Verantwortung zu. Wir müssen alles unternehmen, um unsere heimischen Betriebe bei der Vergabe von Aufträgen aus Steuergeld noch stärker zu berücksichtigen und vorrangig zu behandeln. Dieser Verantwortung muss die Politik jetzt konsequent nachkommen!

Der Kriterienkatalog der Bundesregierung ist ein Mahnmal des Versagens. Der Fahr­plan der Regierung zum Restart der heimischen Wirtschaft ist ein Buch mit sieben Siegeln. Er zeugt von Ignoranz und Inkompetenz und lässt sich nur darauf zurück­füh­ren, dass die Leute keine Erfahrung aus der Privatwirtschaft mitbringen.

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Herr Kollege, darf ich Sie um das Schlusswort bitten!

Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Der Kriterienkatalog und Ausführungsplan der Bundesregierung widersprechen jeder Logik (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler gibt das Glockenzeichen) und Wirtschaftsrealität.

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Herr Kollege, darf ich Sie um ein Schlusswort bitten – Sie haben schon über 10 Minuten geredet –, auch angesichts der Tageszeit, also der morgendlichen Zeit. – Bitte. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Nun zum Schluss meiner heutigen Rede zur späten Stunde (Bundesrat Köck: Früher Stunde, falsch! – Bundesrat Seeber: Jetzt wissen wir es!): Am 16. Juni 2019 gab es in der Stadthalle den Messiasauftritt des Bundeskanzlers Kurz, wobei ihm Fitzgerald Folgendes mitteilte: „Die Aufrichtigkeit von Kurz richte die Nation auf, und man bete dafür, dass ihm ,gerechte Führung‘ zuteil werde.“

Ich fordere Sie, Herr Bundeskanzler (Bundesrätin Zwazl: Na aber jetzt ...!), und die Bundesregierung auf, im Namen der österreichischen Bevölkerung endlich mit einer gerechten Führung zu beginnen, den Unternehmen, den Landwirten die benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, sodass sie auch ihre Arbeitnehmer ordnungsgemäß weiter beschäftigen und ihre Löhne bezahlen können. Sorgen Sie dafür, dass, wenn Erlässe veröffentlicht werden, diese auch rechtskonform sind und nicht unsere Grund­rechte beschneiden. Sorgen Sie dafür, dass mit der Panikmache aufgehört wird, mit Hausverstand und sozial verträglich vorgegangen wird, ohne Messiasanwandlungen und ohne Methoden, die an die DDR erinnern. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

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