11.59

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte MinisterInnen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte ganz kurz zu mei­nem Vorredner, Herrn Kollegen Pisec, sagen, dass ich seinen Einsatz für das kulturelle Erbe tatsächlich sehr schätze. Ich glaube, dass wir da auch eine sehr spannende Dis­kussion, eine sehr interessante Auseinandersetzung haben könnten. Ob dieser Saal ei­nem gefällt oder nicht, darüber können wir gerne treffend streiten. Ich glaube, Josef Mikl hat es mit seiner Kunst hier nicht verdient, dass wir ihn so abtun – das möchte ich auch ganz ehrlich sagen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Dieser Künstler hat übrigens während einer schwarz-blauen Koalition 2004 das Goldene Ehrenzeichen der Republik bekommen, weil er diesen Saal gestaltet hat. Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich glaube – das ist wirklich die Schwierigkeit, aber da könnten wir wirk­lich, glaube ich, stundenlang diskutieren –, es ist natürlich immer sehr schwierig, was man in einer Stadt sozusagen wie ein Museum erhält und wie viel zeitgenössisches Leben in einer Metropole wie Wien stattfinden soll. Das ist eine immer wiederkehrende Auseinandersetzung.

Ich persönlich bin sehr froh und finde es auch spannend, dass in einem Saal, in dem einst in der Barockzeit Redouten gefeiert wurden, nun demokratische Prozesse stattfin­den. Das finde ich eine sehr lebendige Auseinandersetzung mit Geschichte und auch mit dem, was wir heute tun. Das halte ich eigentlich für einen Zugang, wie ich ihn zu­mindest sehr spannend finde, wenn wir über Kulturpolitik sprechen.

Eine Sache wollte ich noch sagen, Herr Kollege Pisec: Ich setze mich auch sehr für den Erhalt des jüdischen Friedhofs in Währing ein – auch ein wunderschöner kulturhistori­scher Ort. Ich veranstalte dort auch Führungen. Ich würde Sie gerne einmal dazu ein­laden, wenn Sie mitgehen wollen. Mitte Juli habe ich wieder Termine – jetzt dürfen wir wieder.

Bevor ich nun sozusagen die neue Staatssekretärin begrüße, möchte ich mich persön­lich – ich weiß auch, dass sie via Streamingdienst zuschaut, ich habe sie gerade ge­fragt – nicht nur bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern, sondern vor allem natürlich bei Ulrike Lunacek für ihre Arbeit bedanken. Ich möchte mich persönlich bei Ulrike Lunacek bedanken, weil sie für mich wirklich eine ganz besondere Person ist, die mir sehr viel beigebracht und auch sehr viel Mut gemacht hat, und zwar in einer Zeit, in der die Sichtbarkeit von Minderheiten, in diesem Fall von LGBTIQs, noch eine Seltenheit und nicht selbstverständlich war.

Wir haben heute auch schon vom Film „Die Dohnal“ gesprochen, der ja anlässlich der Diagonale im Internetkino gezeigt worden ist, in dem die Lebensgefährtin von Johanna Dohnal erzählt, warum es damals – aus verständlichen Gründen – noch nicht möglich war, öffentlich dazu zu stehen, und welche Entwicklung wir innerhalb von kurzer Zeit gemacht haben.

Ulrike Lunacek hat nicht nur mir, sondern sehr vielen Menschen nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa und auf der ganzen Welt, auch mit ihrem Einsatz im Europapar­lament, Mut gemacht. Eines haben wir nämlich gelernt: Sichtbarkeit ist besser als Un­sichtbarkeit, weil die Unsichtbarkeit das Problem ist, dadurch werden Vorurteile geschürt und schlechtes Gerede entsteht. (Bundesrat Steiner: Gegen die FPÖ!) Wer eine Lesbe, wer einen Schwulen, wer eine Transgenderperson oder intersexuelle Person kennt und persönlich kennt, wird bestätigen: So baut man Vorurteile ab. Ulrike Lunacek hat einen ganz wesentlichen Beitrag in Österreich dazu geleistet, diese Vorurteile abzubauen. Da­für gebührt ihr ein herzlicher Dank meinerseits. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

Bedeutend ist auch, was sie europapolitisch geschaffen hat – sie war eine ausgezeich­nete Europapolitikerin. Es gab einmal eine Umfrage im Kosovo, die ich sehr interessant finde: Sie war im Kosovo die beliebteste Politikerin. – Das, finde ich, ist eine Leistung, die man gar nicht hoch genug schätzen kann. (Bundesrat Steiner: Megaleistung!) In diesem Sinne, liebe Ulrike, wünsche ich dir alles Gute! Vielen Dank für deine Arbeit! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Nun zur Kulturpolitik: Was macht Kultur? – Kultur reflektiert, schildert die Auseinander­setzungen an den Bruchlinien unserer Gesellschaft, an den Bruchlinien unseres eigenen persönlichen Lebens. Ich bin ja ein gebürtiger Niederländer, und im Niederländischen heißt malen schilderen. Das ist dasselbe Ursprungswort wie für schildern. Ich finde das Wort schildern für etwas, das man in der Kunst macht, sehr schön, weil es nicht das Selbst ist, das man zeigen will, sondern wie man es in seinem kreativen Schaffen inter­pretiert. Eine Auseinandersetzung mit dem, was in unserer Gesellschaft passiert, und die Schilderung dessen, was uns Menschen bewegt – in unserer Zeitgeschichte, in unse­rer Gesellschaft –, das ist das Spannende.

Genauso beschäftigt sich ja die Kultur nun ganz intensiv mit der Coronakrise. Genauso sehen wir es vor allem derzeit in den Vereinigten Staaten, wo sich die Kulturszene ganz intensiv mit strukturellem Rassismus beschäftigt, jetzt aktuell im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung, weswegen wir Grüne heute übrigens auch diese T-Shirts (auf sein schwarzes, mit bunten Schriftzügen bedrucktes T-Shirt weisend) angezogen haben, um uns solidarisch mit den Menschen zu zeigen (Zwischenruf bei der FPÖ), die weltweit friedlich gegen Rassismus auf die Straße gehen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Themen wie Rassismus, Coronakrise, Klima, die ewigen Themen wie Liebe, Familie, Freundschaft, Krieg, Gewalt, das sind die Themen, um die es geht. Kulturpolitik ist nicht dazu da, diese Errungenschaften der Kultur zu bewerten, etwas gut oder schlecht zu finden, sondern sie ist dazu da, die Möglichkeiten zu schaffen, den Rahmen zu schaffen, damit sich diese Kultur entfalten kann.

Zu dieser Entfaltung gehört ganz klar auch, dass Künstlerinnen und Künstler sozial ab­gesichert sind, und das steht auch im Regierungsprogramm drinnen. Die Coronakrise, die uns mit dieser Wucht getroffen hat, hat erst recht gezeigt, wie dringend notwendig es ist, nicht nur jetzt in der Krise zu helfen – wir haben ja heute auch diesen NPO-Topf auf der Tagesordnung –, sondern tatsächlich auch eine nachhaltige Strategie zu entwi­ckeln, um die soziale Absicherung von Künstlern und Künstlerinnen zu schaffen. Schön, dass wir das auch gemeinsam in unserem Koalitionsprogramm drinnen haben, weil das post Corona umso notwendiger ist!

Abseits der Krise gibt es aber weitere Punkte, die sozusagen auf der To-do-Liste ste­hen – Frau Staatssekretärin, Sie werden wahrscheinlich selbst auch noch kurz darauf eingehen. Wir haben im Museumsbereich noch einige Dinge zu erledigen, die sehr span­nend sein werden. Das Bewahren des Films ist eines dieser Themen, die wir angehen werden, oder auch – das wollte ich extra erwähnen, da ja noch Oberösterreich sozusa­gen hier im Bundesrat regiert (erheitert) –, Technologie und Kunst in einen stärkeren Dialog zu bringen. Das ist auch einer der ganz großen Schwerpunkte im Regierungspro­gramm, und da hat Österreich mit der Ars Electronica eine ganz besondere innovative Kraft geschaffen, eine Innovation, die weltweit einzigartig ist und die wir auch gerne un­terstützen.

Jede Kulturmaßnahme ist auch eine Konjunkturmaßnahme. Die wirtschaftliche Bedeu­tung und die touristische Bedeutung wurden schon erwähnt, aber die menschliche Be­deutung steht für mich immer noch an erster Stelle. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.08

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Andrea Mayer. – Liebe Frau Staatssekretärin, bitte.