14.11

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kol­legen! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job, Arbeitsplätze schaffen – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult, nimmt sie noch einmal in die Hand, um sie auch dem hinter ihm sitzenden Präsidenten zu zeigen, und stellt sie erneut ab.) Ich bin selber auch froh, dass wir die Kurzarbeit – die zweite Tranche, mehr oder weniger – geschaffen haben und dass da auch für Arbeitgeber viele Erleichterungen drin sind, damit man das leichter ausführen kann. Wir wissen ganz genau, wie die erste Tranche ausgeschaut hat. Das war sicher nicht so einfach. Es ist eine Vereinfachung drinnen, und man muss wirklich einfach auf das Ergebnis schauen, das da herausgekommen ist. Meine Vorrednerin hat da schon vieles angesprochen: 80, 85 und 90 Prozent – darüber sind wir froh.

Ich kann euch aber trotzdem eines sagen: Wenn einer 2 000 Euro netto im Monat ver­dient und dann 80 Prozent kriegt – mit 2 000 Euro netto bekommt er 80 Prozent –, dann kriegt er genau 1 600 Euro heraus, und das ist auch sehr wenig. Wenn seine Frau viel­leicht auch arbeitslos geworden ist oder vielleicht sogar im Notstand ist, weil sie schon früher arbeitslos geworden ist, und die dann mehr oder weniger von diesen 1 600 Euro leben müssen, ist das noch immer viel zu wenig.

1 370 000 Menschen haben die Kurzarbeit bekommen, es sind bis jetzt über 60 000 An­träge bearbeitet worden; die haben ja schon Geld bekommen, es gibt aber viele Unter­nehmer, die in der aktuellen Kurzarbeitsphase noch kein Geld bekommen haben. Ich kenne so einen. Es ist die Firma Köppel bei uns in Gratkorn, ich darf seinen Namen hier auch sagen. Er hat mich heute in der Früh noch einmal angerufen und gesagt: Pass auf, ich habe 14 Leute beschäftigt, die 14 Leute habe ich in Kurzarbeit geschickt; bis heute habe ich noch kein Geld bekommen! – Er hat schon im März um Kurzarbeit angesucht und hat bis heute noch kein Geld bekommen. Da wird es also wahrscheinlich irgendwann einmal ein bisschen ein Problem mit der Liquidität geben.

Bei ihm schaut das noch gut aus, es gibt aber viele, viele andere Unternehmer, die bei mir angerufen haben, sodass ich mich schon gefragt habe: Bin ich jetzt der Vertreter der Unternehmer? – Das bin ich ja normalerweise nicht, aber ich mache das natürlich gern, damit wir das zusammenkriegen, weil Unternehmer und Arbeitnehmer da in einem Boot sitzen.

Die Betriebe selber, wie gesagt, schicken E-Mails und sagen eigentlich immer wieder: Freunde, es kommt kein Geld, uns helfen s’ nicht! Von den EPUs zum Beispiel hat mir heute wieder einer ein SMS geschickt, ein Einpersonenunternehmer, der zu Hause ist, nichts machen kann, und der gesagt hat, er hat überhaupt nichts. Der hat bis jetzt 500 Euro aus diesem Fonds gekriegt, von denen er die letzten drei Monate leben muss­te. Das wird sich so in dieser Form einfach nicht weiter machen lassen.

Zum nächsten Punkt, Arbeitslosengeld – (auf die Tafel deutend:) es steht ja auch da vorn –, kann ich Folgendes sagen: Wenn jemand 1 800 Euro netto verdient hat – ich bin ein Pragmatiker, und das sage ich hier immer wieder gern – und dann arbeitslos wird, bekommt er nicht ganz 1 000 Euro Arbeitslosenunterstützung. Das ist die 55-Prozent-Nettoersatzrate. Das ist einfach zu wenig! Davon können die Menschen nicht leben, das geht sich einfach nicht aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Des­halb müssen wir die Nettoersatzrate erhöhen, damit die Menschen das in die Wirtschaft tragen können, denn wenn sie kein Geld haben, können wir auch die Wirtschaft nicht in die Höhe heben. Heute überlegt sich jeder Arbeitslose dreimal, ob er irgendwo Geld für Essen ausgibt, wie er es ausgibt und was er damit kauft, weil er es sich einfach nicht leisten kann! Darüber müssen wir alle uns im Klaren sein.

Weil ich vorhin gesagt habe, man müsse Wirtschaftsimpulse setzen, man müsse schau­en, dass die Wirtschaft wieder hochkommt, damit die Menschen wieder Arbeitsplätze haben, vielleicht ganz kurz auch noch zu den Lehrlingen, denn sie habe ich bisher nicht erwähnt, aber zum Beispiel sie stehen ja jetzt auch auf der Straße und haben überhaupt nichts mehr: Es ist auch zu überlegen, ob wir viele beziehungsweise alle Lehrlinge, die auf der Straße stehen, jetzt, da wir eben eine Krise haben, über das AMS, über die ÜBA und überbetriebliche Lehrwerkstätten mehr oder weniger in Beschäftigung bringen, und nachher dann schauen, dass sie weiter in Firmen kommen können.

Wirtschaftsimpulse setzen – dazu kenne ich einen guten Satz, den der ehemalige Wirt­schaftskammerpräsident Christoph Leitl einmal gesagt hat und der mir immer im Ohr bleiben wird: Geht’s den Firmen gut beziehungsweise geht’s der Wirtschaft gut, dann geht’s den Menschen gut! Das kann man umdrehen, man kann sagen: Geht’s den Men­schen gut, geht’s den Firmen auch gut! – So schaut’s in Wirklichkeit aus, weil wir dann nämlich einkaufen gehen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Vielleicht sollten wir wieder einmal über etwas nachdenken, was wir als ÖGB schon lang gefordert haben, und als SPÖ natürlich auch: den ÖGB-Tausender oder die 1 000 Euro für Heldinnen und Helden, die vom Schulterklopfen mehr oder weniger genug haben. Sie wollen auch Geld sehen, damit sie irgendetwas kaufen können. Wenn man ihnen zum Beispiel 1 000 Euro gibt, und das steuerfrei, dann, sage ich euch ganz ehrlich, geht das eins zu eins wieder in die Wirtschaft. Was das wiederum für die Wirtschaft bedeutet, brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren. Dass die Wirtschaft dann dadurch Geld kriegt, wieder Einnahmen hat und dass sie sich das bei der Mehrwertsteuer doppelt wie­der zurückholt, brauchen wir, glaube ich, auch nicht zu diskutieren.

Es gibt jetzt noch zwei Punkte, die ich kurz ansprechen will, weil es heute und auch in den letzten Wochen in der Zeitung beziehungsweise in den Nachrichten war: Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, was ist der Wirtschaftskammer da eingefal­len, einen Lauda-Kollektivvertrag unter der Mindestsicherung zu unterschreiben? (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schartel.) Das finde ich ja einfach brutalst! Das habe ich über­haupt noch nie gehört! Ihr müsst euch vorstellen, das ist ja wettbewerbsverzerrend! Wenn man 840 Euro netto kriegt, und man kriegt aber 917 Euro Mindestsicherung, frage ich mich wirklich, was das Ganze soll.

Die haben heute die ganze Nacht verhandelt. Ich kann euch nur sagen, was die jetzt kriegen. Die Gewerkschaft Vida ist da für die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in die Bresche gesprungen, wobei Ryanair vorher auch gesagt hat, dass die Gewerkschaft schuld ist, dass dieser Kollektivvertrag nicht unterschrieben wird. – Wir haben schon ge­wusst, warum wir den Kollektivvertrag nicht unterschreiben, denn wenn wir ihn unter­schrieben hätten, wäre als Nächste die AUA gekommen, dann wäre Eurowings gekom­men, alle wären gekommen und hätten gesagt: Warum können die mit 800 Euro netto im Monat fliegen und wir müssen die teuren Gehälter zahlen? – Da nivellieren wir uns gegenseitig runter, bitte schön, das kann es einfach nicht sein!

Da muss man doch bitte so gescheit sein und sagen: Okay, das darf einfach nicht sein! Da kann nicht einfach die Ryanair herkommen und sagen: Weil ich die Lauda hier in Österreich kaputt machen will – die brauche ich nicht –, probiere ich, den Lohn so niedrig wie möglich zu halten! – Da muss ich wirklich sagen, ich bin von der Wirtschaftskammer schwer, schwer enttäuscht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

Ich sage euch, die haben zuerst 1 000 Euro brutto für das Bordpersonal und 1 700 Euro für die Kopiloten angeboten. In der Nacht ist verhandelt worden. Ryanair hat es noch nicht unterschrieben, aber die Wirtschaftskammer und der ÖGB, die Gewerkschaften, haben sich geeinigt, dass das Bordpersonal 1 440 Euro brutto und die Kopiloten 2 000 Euro brutto bekommen.

Ihr müsst euch jetzt einmal vorstellen: Ein Pilot zahlt – ich bin momentan nicht der Pilo­tenvertreter, aber das kann ich euch sagen –, damit er mit so einem Flugzeug fliegen darf, damit er den Schein kriegt, ungefähr 160 000 Euro, und jetzt fliegt er bei der Ryan­air oder bei der Lauda für 2 000 Euro, nur weil er vorne rechts und nicht links sitzt – denn links sitzt der Kapitän; rechts sitzt der First Officer. Das ist einfach traurig für einen Ko­piloten, das ist einfach traurig, dass wir in Österreich solche Löhne zahlen müssen! Da muss ich euch ganz ehrlich sagen, da verstehe ich mehr oder weniger überhaupt gar nichts mehr.

Ich glaube, die Bundesregierung muss einfach Maßnahmen setzen, zum Beispiel, dass in Österreich ein Mindestticketpreis eingeführt wird, denn es kann einfach nicht sein, dass es, weil wir keinen Mindestticketpreis haben, Flüge um 19 Euro gibt.

Zum Abschluss möchte ich noch einen Satz zu den von Ihnen geforderten Stundungen der Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung sagen – ich habe noch nie erlebt, dass es für Arbeitnehmer irgendwelche Stundungen gegeben hätte; das habe ich noch nie erlebt, obwohl ich ja schon bald 58 Jahre alt bin –: Der Gesundheitsminister hat die Möglichkeit, einen Erlass zu erwirken. Bitte fordern Sie Ihren Gesundheitsminister auf! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.19

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile dieses.