14.42

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident, da du heute etwas vorzeitig deine Abschiedsrede gehalten hast, möchte ich mich ganz persönlich für deine objektive Vorsitzführung bedanken. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte aber auch die Gelegenheit wahrneh­men, unserem Freund Dr. Gerhard Leitner – wo immer er uns heute auch zusieht – für seine tolle und ausgezeichnete Arbeit im Bundesrat ein letztes Dankeschön zuzurufen.

Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die möglicherweise via Livestream dabei sind! Ich befasse mich heute in meiner Rede mit den Änderungen im Arbeitsmarktservicegesetz. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Arbeitsplätze schaffen – Arbeitslosengeld er­höhen!“ auf das Rednerpult.)

Da geht es, wie es schon angesprochen worden ist, um Verbesserungen der Kurzar­beitsregelung, damit die Abrechnung vereinfacht wird. Damit es aber nicht zu kuschelig wird – ich habe heute nämlich das Gefühl, dass die Debatte sehr konsensorientiert ist –, möchte ich mir erlauben, einige Bemerkungen zu machen und einige allgemeine politi­sche Feststellungen zu treffen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es manche politisch nicht wahrhaben wollen, schlittern wir derzeit von der großen Gesundheitskrise in die größte ökonomische Krise der Zweiten Republik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.) Meine Damen und Herren, da nützen auch alle Beschwichtigungsversuche der Bundesregie­rung nichts. Es wurde schon mehrmals in der Debatte heute angesprochen: 517 000 Ar­beitslose und 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit, das kann man schlicht und einfach nicht schönreden, denn jeder zweite Arbeitnehmer, jede zweite Arbeitnehmerin ist von dieser ökonomischen Krise erfasst.

Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungs­fraktionen ÖVP und Grüne, ich frage mich in den letzten Tagen sehr oft: Wo ist denn der Masterplan für die Zukunft für die Menschen in unserem Land? – Ich sage es Ihnen ganz offen: Der fehlt mir, den gibt es nicht! (Bundesrat Pisec: Es gibt keinen Plan! – Bundesrat Rösch: Nach dem habe ich ja gefragt! – Bundesrat Steiner: Gibt’s nicht!) Wo sind die Perspektiven für Unternehmerinnen und Unternehmer und wo sind die Perspektiven für ArbeitnehmerInnen?

Ich habe eher den Eindruck, es herrscht Orientierungs- und Planlosigkeit. Anstatt wirt­schaftliche und soziale Perspektiven zu überlegen, fällt Ihnen in letzter Zeit eigentlich nichts anderes ein, als ein Hilfspaket nach dem anderen zu schnüren, das aber – wie auch die Debatte gezeigt hat – entweder schleppend oder gar nicht ankommt. (Bundes­rat Köck: Weil es ihr abschießt!) Das sollte Sie, glaube ich, zum Nachdenken anregen, denn die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, meine Damen und Herren, haben durch Corona Schaden genommen, und die Wut der Unternehmer – ich kann da nur meine Wahrnehmungen wiedergeben – wird von Tag zu Tag größer und größer. (Bei­fall bei SPÖ und FPÖ.)

Der Bundeskanzler, der Vizekanzler sowie einzelne Bundesministerinnen und Bundes­minister marschieren in Abständen von wenigen Tagen bei diversen Pressekonferenzen auf. Soweit ich das richtig mitgezählt habe, waren es über 80 Pressekonferenzen, die die Regierung während der Krise gegeben hat. Zugespitzt möchte ich sagen: Mit der Abhaltung von Pressekonferenzen – ist gleich Selbstinszenierung – löst man zumindest aus meiner Sicht keine Probleme. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schar­tel. – Bundesrat Steiner: Sie reden ... über den Bildschirm!)

Sie haben, und auch das wurde richtigerweise schon öfters heute angesprochen, einer­seits Angst und Schrecken verbreitet – da darf ich nochmals an das Zitat erinnern: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist.“ – und Sie haben Ankündigungen gemacht, die – wie hat es Berndt Querfeld so schön gesagt? – Luftbal­lons waren: bunte Luftballons, die aber nicht wirklich bei den Menschen angekommen sind. Die Realität, die die Menschen wahrnehmen, ist anders – Stichwort Härtefallfonds; der wurde hier auch schon angesprochen –, sodass die Menschen von den Ankündigun­gen bitter enttäuscht sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Und – das wurde, glaube ich, heute auch schon so nebenbei erwähnt, aber ich möchte es gerne noch einmal sagen –: Die ÖVP geriert sich immer als die Wirtschaftspartei in Österreich, trotzdem haben Sie kein schlüssiges Budget zustande gebracht. Auch das muss man einmal offen und ehrlich hier sagen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen! Politische Propaganda kann durch­dachtes Handeln im Sinne einer umsichtigen Regierung nicht ersetzen, das möchte ich Ihnen hier klar und deutlich sagen. Regieren heißt aus meiner Sicht, das politische Hand­werk zu beherrschen, vertrauensvoll mit den Beamten in den Ministerien zusammenzu­arbeiten, Institutionen einzubinden und auf alle Akteure Rücksicht zu nehmen. Das, glaube ich, fehlt Ihnen in vielen Bereichen.

Sie frönen einer Ankündigungspolitik – da sind Sie Weltmeister, möchte ich gleich dazu­sagen –, aber was die Qualität der Regierungsarbeit und deren Umsetzung betrifft, da sind Sie eher Hausmeister. Das möchte ich sehr klar und deutlich hier sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Pisec.)

Eines sei auch noch angemerkt, Frau Bundesministerin: Persönlich schätze ich Sie sehr, Sie sind ja eine ganz Nette (Heiterkeit), aber PR geht Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen anscheinend über alles. (Bundesrat Buchmann: ... respektlos!) Da wird me­diengerecht ein Hunderter verteilt (Bundesrat Rösch: Parteispende war das! – Heiterkeit bei der FPÖ) – ach so, okay –, da erklärt der Bundeskanzler vor laufender Kamera, dass er auf einen Teil seiner Gage verzichtet, er sagt aber natürlich nicht dazu, dass auf der anderen Seite die Ausgaben für Repräsentationskosten im Bundeskanzleramt – braucht man nur nachzulesen – vom Jahr 2019 auf das Jahr 2020 von 270 000 Euro auf 1,2 Mil­lionen Euro angehoben worden sind. – Das sei hier auch klar und deutlich gesagt (Beifall bei der SPÖ), und ich sage dazu: Wie peinlich ist das denn?! (Bundesrat Spanring: Koste es, was es wolle!)

Meine Damen und Herren, rechnen Sie aber nicht mit der Langmut der Menschen! Ir­gendwann, und das kann schon sehr bald sein, wird die Stimmung umschlagen, denn die Menschen in unserem Land wollen wissen, welches Zukunftskonzept es gibt be­ziehungsweise welches Zukunftskonzept Sie haben: Wer zahlt für die Krise? Wie schaut die Zukunft in Österreich überhaupt aus? Vor diesen Fragen, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, werden Sie sich nicht drücken können. (Bundesrat Steiner: ... Pres­sekonferenz mehr!)

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch viel zu sagen, doch das würde den Rahmen sprengen, daher noch einmal zurück zu den Änderungen des Arbeitsmarktservicegeset­zes: Wir werden als sozialdemokratische Fraktion zustimmen, da das Gesetz notwendig ist. Ich sage aber auch gleich dazu, es ist ziemlich kompliziert und wohl nur für eine Zielgruppe, nämlich SteuerberaterInnen und LohnverrechnerInnen, nachvollziehbar; das muss man auch ganz offen und ehrlich dazusagen.

Zum Schluss möchte ich im Sinne dessen, was ich vorhin gesagt habe, nämlich dass es um die Zukunft unseres Landes geht, gerne einen Antrag einbringen, wie es in Sachen Beschäftigung und „arbeitsmarktpolitische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförde­rung“ weitergeht.

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen betreffend „arbeitsmarkt­politische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförderung“

„Der Bundesrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, umgehend beschäfti­gungsfördernde Maßnahmen zu setzen, um der höchsten Arbeitslosigkeit der zweiten Republik entsprechend entgegenzuwirken.

Insbesondere soll

- ein Beschäftigungsforderungsprogramm, ähnlich der ,Aktion 20.000‘ für zumindest 40.000 ältere Arbeitnehmerlnnen gestartet,

- ein Qualifizierungsgeld für 30.000 finanziell schlechter gestellte Arbeitnehmerlnnen für entsprechende Maßnahmen einer beruflichen Weiter- oder Um-Qualifizierung zur Verfü­gung gestellt,

- das Fachkräftestipendium ausreichend finanziell abgesichert und entsprechend bewor­ben werden und

- eine Aufstockung der Ausbildungsplätze bei den überbetrieblichen Lehrwerkstätten entsprechend dem Bedarf zur Erfüllung der Ausbildungspflicht bis 18 und der Ausbil­dungsgarantie bis 25 erfolgen.‘“

*****

In diesem Sinne: Vielen herzlichen Dank und noch einen schönen Tag! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Bitte, gern!)

14.53

Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „arbeitsmarktpolitische Sofort­maßnahmen zur Beschäftigungsförderung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich darf Finanzminister Blümel sehr herzlich hier im Hohen Haus begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile es ihr.