15.32

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses 19. COVID-19-Gesetz, vulgo Wirtshauspaket, soll also unsere Gastronomie retten. 500 Millionen Euro Einsparungspotenzial sind hier vorgesehen; das konnte uns nicht einmal im Wirt­schaftsausschuss bestätigt werden, das ist es natürlich nicht. Das, was hier regiert, sind der Schmäh, die Ahnungslosigkeit und der Coronawahnsinn. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu kommt, dass allen Ernstes verlangt wird, dass die Konsumnachfrage insofern be­feuert werden soll, als die Unternehmer diese Ausgaben tätigen sollen. Das kommt mir ungefähr so vor, wie wenn zwei Ertrinkende einander retten sollen. Das wird nicht funk­tionieren, sehr geehrte Damen und Herren und liebe Bundesregierung!

Gehen wir ein bisschen ins Detail! Geschäftsessen: 75 Prozent statt 50 Prozent Absetz­barkeit. Absetzen kann man nur dann etwas, wenn man Gewinne macht. Kosten bleiben Kosten. Herr Bundesminister, ich sage Ihnen aus der Praxis, es gibt keine Geschäfts­essen. Fast alle arbeiten noch immer im Homeoffice. Die gesamte Industrie, Großbetrie­be und Mittelbetriebe, alle sind im Homeoffice. 10 bis höchstens 20 Prozent sind im Prä­senzbetrieb. Alles ist leer, keiner traut sich raus. Wie mein Kollege Steiner im Zwi­schenruf schon richtig gesagt hat: Es regiert die Angst, und die Menschen haben kein Geld! Sie haben Angst, dass ihr Betrieb eventuell gar nicht überleben kann. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Sie meinen, die Erhöhung des steuerfreien Betrags bei den Essensgutscheinen würde etwas bringen – zahlt ja wieder der Unternehmer. Die haben kein Geld. Sie meinen, die Halbierung der Umsatzsteuer auf nichtalkoholische Getränke wird die Gastronomie retten. Wir alle wissen – wer geht nicht gerne ins Wirtshaus? –, getrunken werden in erster Linie alkoholische Getränke, 80 Prozent sind alkoholischer Konsum, und diesen unterstützen Sie nicht. 20 Prozent bleiben – auch das wird, auf Wienerisch gesagt, das Kraut nicht fett machen.

Warum wir aber schlussendlich dennoch zustimmen, das ist der Marginalbetrag von 25 Millionen Euro, der durch die Streichung der Schaumweinsteuer übrig bleibt. Das war immer schon ein freiheitlicher Ansatz, den haben Sie hier übernommen. Das ist der ein­zige Grund, warum wir hier zustimmen.

Das wird alles nichts bringen, man muss es einfach so sagen. Was ist besser als dieses Placebo-Medikament in dieser Krise? – Das, was wir von der FPÖ immer schon vorge­schlagen haben, das hilft prompt, hic et nunc, jetzt und sofort: Das ist der 1 000-Euro-Gutschein für jeden Österreicher und jede Österreicherin. (Beifall bei der FPÖ.) Das befeuert den Konsum, wenn jeder mehr in seiner Tasche hat. Auch die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer wird diesen befeuern, auch die Senkung der Lohnneben­kosten, und das wird sich vor allem auf das Wirtschaftswachstum auswirken; zu dem komme ich in weiterer Folge. Das werden Sie in nächster Zeit brauchen, sonst werden Sie mit dieser Staatsschuldenquote in der EU, die Sie hier zwangsläufig zustande brin­gen werden – das Wirtschaftswachstum ist ja kein Wachstum, weil die Wirtschaft derma­ßen schrumpfen wird –, enorme Probleme bekommen. Ich schätze, dass diese Quote irgendwo bei 100 Prozent zu liegen kommen wird.

Es regiert die Ahnungslosigkeit. Am 16. März haben Sie, der Herr Bundeskanzler Kurz, und das ist mein persönlicher Vorwurf, in einem Blitzkrieg die Wirtschaft plattgewalzt. Die Gastronomie konnte zwei Monate später, am 15. Mai, vor Kurzem, wieder aufsper­ren. Sie konnten nicht einmal einschätzen, was passieren wird, wenn Sie in die Selbstor­ganisation unserer Bürger und Bürgerinnen eingreifen. Sie haben in die freie Marktwirt­schaft und die Selbstorganisationskraft der Menschen eingegriffen. Sie sagen: Der Staat sind wir, l’état c’est moi, der Staat bin ich, der starke Staat, und ich weiß es! – Sie wissen es definitiv nicht. Warum nicht?

Kurzarbeit: Für diese wurden am Anfang 400 Millionen Euro veranschlagt. Ein paar Tage später hat man gesehen, das wird sich nicht ausgehen, und hat auf 1 Milliarde Euro erhöht. Wieder ein paar Tage später waren es 7 Milliarden Euro, dann 12 Milliarden Eu­ro, und jetzt stehen wir bei 12 Milliarden Euro, weil Sie es einfach nicht gewusst haben, die Bundesregierung, nicht Sie ad personam, die Bundesregierung wusste es nicht. Wir stehen bei zwei Millionen Menschen, die entweder in Arbeitslosigkeit oder in Kurzarbeit sind. Irgendwie ist die Kurzarbeit auch eine Form von Arbeitslosigkeit. Letztlich haben diese Menschen keine Beschäftigung. (Bundesrätin Schumann: Das stimmt nicht!) Das ist jeder dritte Österreicher, der keinen Job hat, keinen Volljob hat.

Dann wird Ihr Maßstab kommen, und darauf bin ich schon gespannt: Wie schaut es in Österreich wirklich aus? Ich glaube auch nicht, dass Sie keine Zahlen wissen, so schätze ich Sie gar nicht ein. Das Finanzministerium wird schon längst errechnet haben, wie es bei uns in Österreich ausschaut, nur Sie trauen es sich nicht zu sagen. Sie wollen es uns nicht sagen, weil wir dann alle in eine Schockstarre verfallen würden.

Nehmen wir zum Beispiel Deutschland! Die haben ähnliche Quarantänemaßnahmen wie wir gesetzt, dort ist das ähnlich gelagert, nur haben sie den großen Vorteil, dass sie die Baumärkte nicht geschlossen haben. Die Baumärkte haben geboomt, die hatten den drei-, vierfachen Umsatz in dieser Zeit. Die Menschen saßen zu Hause und hatten jede Menge Zeit, zu renovieren, zu investieren, zu planen und Geld auszugeben, denn das Geld ist ja nicht vernichtet worden. In Österreich haben Sie auch die Baumärkte ge­schlossen. In Deutschland beträgt die Arbeitslosigkeit die Hälfte von jener in Österreich, und bei der Kurzarbeit ist es gleichfalls die Hälfte. Also bei uns sind alle diese Daten doppelt so hoch wie in Deutschland.

Wenn in Deutschland gesagt wird, der Einbruch beim Wirtschaftswachstum, die Rezes­sion kommt bei circa 6 Prozent zu liegen, dann bin ich schon gespannt darauf, Herr Minister, was Sie nach Brüssel melden werden, wenn Sie die wirklichen Zahlen melden müssen und nicht die Zahlen, die Sie melden wollen.

Ahnungslosigkeit. – Das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt allen Ernstes noch am 27. März, die Arbeitslosigkeit wird in Österreich um 1 Prozent steigen. Da hatten wir bereits 14 Ta­ge Lockdown, Closing aller Geschäfte. Da war jedem Unternehmer klar, was da pas­siert – offensichtlich nicht den Wirtschaftsvertretern, nicht den Regierenden.

Es geht auch anders, es geht sehr wohl anders. Schweden ist ein oft strapaziertes Bei­spiel, ich möchte aber andere nennen: Japan, Südkorea, Singapur, Niederlande, die wissen alle, dass es anders geht. Ich bin schon gespannt darauf, wie das Wirtschafts­wachstum oder die Rezession dort aussehen wird. Die erste Niederlage mussten Sie bereits einstecken, und zwar in dem Sinne, dass Sie uns Schmähs erzählen wollten, uns Unternehmern und unseren Mitarbeitern.

Die Schweden hatten im ersten Quartal – die Zahlen sind schon heraußen – eine Re­zession von minus 0,3 Prozent, Österreich eine von bereits minus 3 Prozent. Also hier liegen wir schon total auseinander. Das zweite Quartal schließt in einem Monat, die Zah­len werden Mitte Juli veröffentlicht werden, da bin ich schon gespannt darauf, was da herauskommt, wo unsere Zahlen tatsächlich liegen werden.

Es war und ist verantwortungslos, was die Bundesregierung da gemacht hat, und Sie schenken niemals reinen Wein ein. Beispiel Mitarbeiterprämie, Bonuszahlung: Es wird gesagt, 3 000 Euro kann jeder gratis in seinem Unternehmen an die Mitarbeiter aus­schütten, steuerfrei, so glaubt man. – Wer’s glaubt, wird selig. Tatsächlich muss der Un­ternehmer 7,28 Prozent an Steuern und Abgaben leisten. Es ist also nicht steuerfrei!

Warum schaffen Sie es nicht, dass sich in Ihrem ideologischen Konzept manifestiert, dass Sie eine starke Wirtschaft brauchen, wenn Sie überhaupt nur annähernd aus dieser Krise herauskommen wollen? Und eine Krise ist nur dann eine Krise, wenn das V-Tal bewiesen ist, sonst ist es keine Krise, sondern eine bleibende Schrumpfung. Eine Krise heißt immer, es kommt zu einer Erholung. Wir sind aber momentan in einer bleibenden Schrumpfung, wir sind weit davon entfernt, dass irgendwann einmal ein Wachstum zu sehen ist. Da bin ich schon gespannt darauf, mit welchen Lösungen Sie kommen wer­den.

Sie brauchen ein Wirtschaftswachstum, das wissen Sie. Auch wenn die Ausgaben die gleichen bleiben würden, wovon Sie natürlich bei 38 Milliarden Euro, die da versprochen werden, far away sind, auch wenn die Ausgaben die gleichen bleiben würden, steigt bei minus 10 Prozent Schrumpfung die Verschuldungsquote um annähernd 10 Prozent. Also wie wollen Sie das Wirtschaftswachstum wieder befeuern? Ich frage mich: Wo ist die Hilfestellung für die Unternehmen? – Es regieren Depression, Mutlosigkeit, nackte Angst, und Sie haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Wo ändern Sie Ihr Verhal­ten? Wo bringen Sie Motivation herein?

Daher wollen wir von der FPÖ folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Öster­reich-Gutschein“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gutschei­ne im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die nur bei heimischen und in Ös­terreich steuerpflichtigen Betrieben, eingelöst werden können.“

*****

Das hilft schnell, unbürokratisch und sofort.

Weiters ergibt sich aus der allgemeinen Sachlage, dass zwar dem Bürger Vorschriften gemacht werden, sich aber die politische Elite offensichtlich manchmal nicht daran hält. So hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor Kurzem entschieden, dass der Aufenthalt in der Wohnung eines befreundeten Ehepaares von den Bestimmungen der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit nicht umfasst ist, da die Woh­nung kein öffentlicher Ort ist. – Das sei nur im Lichte der Verurteilung einer Person ge­sagt, die angeblich eine Coronaparty gefeiert hat, wohl wissend, dass unser Bundesprä­sident selbst die Sperrstunde missachtet hat und Bundeskanzler Kurz – wissentlich oder unwissentlich bleibt jetzt dahingestellt – im Kleinwalsertal selber die verordneten Ab­standsregeln oder was weiß ich, was es da alles an Verordnungen gibt, nicht eingehalten hat.

Daher wollen wir einen weiteren Entschließungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Am­nestie für ,Corona-Sünder‘“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert per Erlass sicher zu stellen, dass alle Verwaltungsstrafverfahren die auf Basis von Covid-19-Verordnun­gen und Gesetzen eingeleitet wurden, eingestellt werden. Bereits bezahlte Strafgelder sind rückzuerstatten.“

*****

Abschließend sei noch gesagt, weil viele nicht wussten, ob sie die Wohnung verlassen dürfen oder nicht, ob sie das Homeoffice verlassen dürfen: Viele Unternehmer und deren Mitarbeiter vor allem glaubten wirklich, sie dürfen das Homeoffice nicht verlassen. Ob das jetzt eine bewusste Täuschung oder eine unwissentliche war, bleibt dahingestellt, aber es hatte einen Effekt, und dieser Effekt hat sich bis heute noch nicht gelöst. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.44

Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Mag. Reinhard Pisec, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Österreich-Gut­schein“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den Bundesräten Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Amnestie für ,Corona-Sünder‘“ ist genügend unter­stützt und steht damit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Gernot Blümel. Ich erteile es ihm.