15.53

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Der vor­liegende Finanzbericht betreffend EU-Jahresvorschau 2020 ist ja leider längst Makulatur geworden. Nichts findet sich darin zu den Folgen der Covid-Pandemie, nichts zum ak­tuellen Vorhaben der Kommission, ein 750-Milliarden-Euro-Hilfspaket zu schnüren, das natürlich absehbarerweise den österreichischen Bundeshaushalt und den österreichi­schen Steuerzahler wieder einmal überproportional im Verhältnis beziehungsweise im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten belasten wird.

Ich bin sehr froh, Herr Bundesminister, dass Sie heute anwesend sind, weil Sie einige Positionen, die ich nun einnehme, aus Ihrer Sicht vielleicht richtigstellen können. Wir wissen aber, die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit, das heißt, das, was Sie heute hier zu diesem Thema vielleicht noch sagen können, ist natürlich etwas, das von uns über­prüft und auch entsprechend kritisiert werden wird, wenn es sich in einigen Monaten so erweisen wird, wie wir das jetzt erwarten.

Es ist natürlich nicht so, dass man einen Bericht, der im März fertiggestellt wurde, jetzt völlig neu schreiben muss. Das ist nicht unsere Kritik, aber wir hätten uns doch erwartet – und das ist auch der Punkt, warum wir heute dem Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts symbolisch nicht zustimmen können –, dass diese neuen Lageentwicklungen auf der Ebene der Europäischen Union wohl in einer kurzen schriftlichen Ergänzung – in einem Vorwort, in einem Beiblatt oder Ähnlichem – Erwähnung finden, weil das, was sich jetzt im Bericht zur Haushaltsplanung findet, einfach hinten und vorne nicht mehr stim­men kann. Wir haben also ein ähnliches Problem wie beim Bundesbudget, das im Na­tionalrat beschlossen wurde, auch bei diesem Bericht.

Wie Medienberichten zu entnehmen ist, haben sich ja zunächst einmal Deutschland und Frankreich auf ein Paket geeinigt, nämlich auf ein Paket in Höhe von 500 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Zuschüssen, also Transfers, die vor allem von Staaten mit sta­bilen Staatsfinanzen aufgebracht werden und sodann vor allem nach Italien und Spa­nien, die natürlich von der Covid-Pandemie schwer getroffen wurden, aber auch in Län­der, in denen das nicht der Fall war, wie beispielsweise Polen, gehen sollen. Genau das ist tatsächlich eine Zäsur, weil genau das der Einstieg in die Transfer- und Schulden­union ist, die wir Freiheitliche immer abgelehnt haben und immer ablehnen werden. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Man muss sich das einmal vorstellen! Das ist ja auch und vor allem ein Gebot für unsere Staatsbürger, und zwar ein Gebot der Fairness für unsere Staatsbürger und eine falsch verstandene Solidarität gegenüber den Partnerländern in der Europäischen Union, weil zum Beispiel Spanien und Italien zwar als Staaten hoch verschuldet sind, aber die ita­lienischen und spanischen Bürger überdurchschnittlich wohlhabend sind. Wenn man sich etwa den geschätzten Medianwert für Oktober 2019 ansieht, ist der durchschnitt­liche Spanier interessanterweise wohlhabender als der durchschnittliche Österreicher. Der Durchschnittsösterreicher wird über Jahre und Jahrzehnte mit höchsten Abgaben und Steuern auf Privatvermögen und auch auf Arbeit belastet und hat daher auch im europäischen Vergleich kaum Immobilien- und Privatvermögen.

Einfache Frage: Warum sollen nun Transferzahlungen in diese Länder fließen, obwohl die dortigen Staatsbürger ohnehin über genug eigene Vermögenswerte verfügen, die auch Steuerobjekte sein können? Warum werden die dortigen Staatsbürger nicht ange­messen aufgefordert, zur Sanierung der öffentlichen Haushalte beizutragen, durch was auch immer – Ankaufverpflichtungen von Staatsanleihen, Sonderabgaben, späteres Pensionsantrittsalter? Das ist nicht das Problem Österreichs. Ist das nicht der nahelie­gendere Zugang? Warum werden jetzt nicht die österreichischen Staatsbürger durch massive Abgabensenkungen gefördert, damit diese dann die Konjunktur einerseits na­türlich in Österreich wieder beleben können und nebenbei dann auch ihre gesteigerte Kaufkraft im Urlaub einsetzen können, beispielsweise in Italien, Spanien und Griechen­land? Das wären intelligente Förderungen der Wirtschaftskraft in Österreich und auch in Europa. (Beifall bei der FPÖ.)

Die deutsche Bundesregierung beschreitet jetzt genau diesen Weg, indem sie zum Bei­spiel die Mehrwertsteuer – natürlich vorübergehend als Unterstützungsmaßnahme – von 19 Prozent auf 16 Prozent senkt. Aus Österreich hört man dazu nichts.

Jetzt werden Sie vielleicht Folgendes sagen – man konnte das ja auch den Medienbe­richten entnehmen, jedoch leider nicht dem Bericht, über den wir sprechen, aber ich muss nun einmal die Position nehmen, wie man sie den Medien entnehmen konnte; vielleicht korrigieren Sie das später –, Sie sagen sinngemäß: Sie als österreichische Bundesregierung lehnen eine europäische Transferunion ohnehin ab, daher haben Sie als Bundesregierung ja mit den Niederlanden, Schweden und Dänemark eine Gegen­position entwickelt und anstelle von nicht rückzahlbaren Zuschüssen einfach 250 Milliar­den Euro an Kreditvolumen vorgeschlagen. – Das ist die Position, die dann medienwirk­sam als die Position der sparsamen vier, wie man sie in den Medien nennt, verkauft wurde (die BundesrätInnen Hahn und Schennach: Die geizigen vier!) – oder auch die geizigen vier als Kritik, durchaus. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann man so oder so übersetzen! – Bundesrat Schennach: In Österreich sind sie die sparsamen, europäisch sind sie die geizigen!) Ja, aber das ist eine Position, der wir Freiheitliche uns durchaus anschließen können, dass man sagt: Nein, wir wollen keine Transferunion, wir wollen Kredite statt Transfers.

Wie aber wurde diese Position in Brüssel durchgesetzt? – Die Europäische Kommission und das Parlament haben Ihren Vorschlag mehr oder weniger ignoriert und die Zu­schüsse im Verordnungsentwurf, so wie von Deutschland und Frankreich vorgeschlagen, festgeschrieben und das Kreditvolumen, das Sie als sparsame vier vorgeschlagen ha­ben, noch obendrauf gepackt.

Lassen Sie mich jetzt kurz aus einem ORF-Bericht der Seite orf.at vom 27.5. zitieren:

„Die EU-Kommission schlägt einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro vor. [...]

Von den 750 Milliarden Euro sollen 500 Milliarden als nicht rückzahlbare Zuwendungen und 250 Milliarden als Kredite fließen, wie die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Mehr als 300 Milliarden Euro sind allein für die Krisenländer Italien und Spanien reserviert. Finanziert werden soll das Programm über Schulden im Namen der Europäi­schen Union. Diese würden dann zwischen 2028 und 2058 über den EU-Haushalt getilgt werden.“ – Zitatende.

Herr Bundesminister, jetzt frage ich mich schon eines: Nach dem Vertrag von Lissabon ist ja die Europäische Union gar nicht ermächtigt, Schulden im eigenen Namen, also im Namen der Europäischen Union, aufzunehmen. (Bundesrat Schennach: Oja!) Sehen Sie bitte im Kommentar zu Artikel 311 AEUV nach! Da wird das ganz klar diskutiert und gesagt: Fremdfinanzierungen sind unzulässig. (Bundesrat Rösch – in Richtung Bundes­rat Schennach, auf den Redner weisend –: Der hat das gelesen!)

Aber es ist ja völlig egal, wie diese Mittel jetzt aufgebracht werden, klar ist jedenfalls im Ergebnis, weil es ja nur die Steuersubjekte Unternehmen – Privatpersonen letzten En­des – gibt: Wohlstand soll aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Dänemark, Schweden – also den Nettozahlerländern – abgezogen und nach Italien, Spanien, Polen und so weiter transferiert werden, und das wird wieder einmal, so als wären die Grie­chenlandrettung und die Einrichtung des ESM-Fonds nicht ausreichend gewesen, dem österreichischen Bundeshaushalt und damit letztlich dem österreichischen Steuerzahler aufgebürdet.

Wer kommt überhaupt auf so eine Idee? – Ich meine, das sind Ihre Leute von der ÖVP, wenn ich mir die Bundesrätinnen und Bundesräte hier so ansehe! Das sind Ihre Leute: EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn, ÖVP, Othmar Karas, Vizepräsident des Euro­päischen Parlaments, Spitzenkandidat der ÖVP bei den Wahlen zum Europäischen Par­lament. Das sind die Personen, die diese Vorschläge auf europäischer Ebene zulasten von Österreich unterstützen, und deswegen frage ich mich schon: Was ist jetzt eigentlich die Position der ÖVP-geführten Bundesregierung? Haben Sie den Vorschlag der Euro­päischen Kommission kritisiert und die Position der sparsamen vier verteidigt?

Ich zitiere wiederum aus dem Bericht des ORF, und zwar wird da der Bundeskanzler wortwörtlich nach einer APA-Meldung zitiert – Zitat:

„,Was noch verhandelt werden muss, das ist die Höhe sowie das Verhältnis zwischen Zuschüssen und Krediten‘, so“ Bundeskanzler „Kurz“. – Zitatende.

Da ist also keine Rede mehr davon, dass derartige Zuschüsse für Österreich schon dem Grunde nach nicht in Frage kommen. Das heißt, die Bundesregierung ist wunschgemäß, wie es der Position in Berlin und auch der Position der Pleitestaaten entspricht, schon auf diese Linie eingeknickt, bevor die Verhandlungen überhaupt noch begonnen haben. Sie sind also als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet (Beifall bei der FPÖ) – im Unterschied beispielsweise zu den Niederlanden, die diese Position noch verteidigt haben.

Was ist diese Position aber eigentlich wert? – Ich erinnere noch einmal daran, dass die Verordnung zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens ja vom Europäischen Rat einstimmig beschlossen werden muss, das heißt, ohne Zustimmung der Bundesregie­rung kann es diese Transferunion, die jetzt geplant wird, gar nicht geben. Und unsere Position ist klar: Kein Cent mehr nach Brüssel. – Diese freiheitliche Position ist eine Frage der Fairness und der Gerechtigkeit gegenüber unseren Landsleuten und jeden­falls für unsere Fraktion völlig selbstverständlich und unverrückbar.

Sehen wir uns an, was Sie als Finanzminister den Unternehmen so versprochen haben: eine rasche und unbürokratische Hilfe, koste es, was es wolle. – Das haben Sie vielleicht nicht wörtlich gesagt, aber das war so die Werbelinie der Bundesregierung.

Nun ist die neueste Werbelinie da: Die österreichische Bundesregierung kämpft als Teil der sparsamen vier für einen sparsamen Haushalt der Europäischen Union – so die Wer­belinie. In der Realität ist es aber genau umgekehrt: Bei unseren Steuerzahlern und Leistungsträgern in unserem Land, die von Ihrer Coronaentschädigungspolitik massiv und schwer getroffen wurden, bleibt die Bundesregierung beharrlich und geizig wie Da­gobert Duck, und in Brüssel, wenn es um Transferzahlungen an Nachbarländer geht, ziehen Sie dann auf einmal wieder die Spendierhosen an. (Beifall bei der FPÖ.)

16.02

Vizepräsident Michael Wanner: Als nächster Redner ist Bundesrat Otto Auer zu Wort gemeldet. – Bitte.