18.50
Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Volksanwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher, die noch via Livestream dabei sind! Gut, dass die Volksanwaltschaft auf Bundesebene im Jahr 1977 probeweise eingeführt wurde. Gut, dass die Volksanwaltschaft im Jahr 1981 in der Bundesverfassung verankert wurde. Gut, dass die Volksanwaltschaft seit 2012 als nationaler Präventionsmechanismus auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig ist.
Gut, dass wir über die vorliegenden – und nun auch schon etwas in die Zeit gekommenen – Berichte 2018, 2019 diskutieren können und auch darüber abstimmen werden. Gut, und es spricht sicherlich für die Wertschätzung der anwesenden Volksanwälte, dass Sie auch dem fünften Redner zu diesem Thema noch Ihr Ohr schenken.
Was nimmt man wahr? – Wahr nimmt man eine Kernaufgabe der Volksanwaltschaft, und das ist die sogenannte nachprüfende Kontrolle. Das ist jene, die man am Samstag um 18 Uhr in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ erlebt: wenn irgendeine Behörde oder ein Verwaltungsorgan auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene nach Meinung eines Bürgers – gegendert natürlich auch –, einer Bürgerin einen Fehler begangen hat und er oder sie das als ungerecht erachtet. Für viele Menschen ist daher die Volksanwaltschaft die einzige Anlaufstelle, wenn sie im Kontakt mit den Behörden verzweifeln, etwa weil sie Entscheidungen der Verwaltung nicht nachvollziehen können oder auf Erledigung der Behörde unzumutbar lange warten müssen. In solchen Fällen können sich – und das ist ja der Sinn dieser großartigen Einrichtung – die Bürger kostenlos, kostenfrei – finde ich beinahe noch schöner – an die Volksanwaltschaft wenden.
Und jetzt kommt’s: Der Zugang zur Volksanwaltschaft ist ja ganz niederschwellig, man kann sich entweder telefonisch oder durch Ausfüllen eines Beschwerdeformulars zu einem Sprechtag anmelden. Die Volksanwaltschaft geht ja auch hinaus in die Bundesländer, das ist auch für uns als Bundesländervertreter sehr wichtig. Sie wissen, Tirol und Vorarlberg haben eigene Landesvolksanwaltschaften, aber Sie (in Richtung Volksanwälte) führen ja trotzdem auch in diesen Ländern Ihre Arbeit zur Zufriedenheit aus. Es ist also ein wesentlicher Punkt, dass man sich diesen Kontakt nicht erarbeiten muss, sondern ganz unbürokratisch unmittelbar, direkt und rasch sichern kann.
Die Zahlen wurden schon genannt; als fünfter, sechster Redner – wie gesagt, mehr gibt es in dem Fall eh nicht – wiederholt man die Zahlen klarerweise immer. Wiederholungen haben den Sinn, dass man sich das eine oder andere vielleicht doch merkt, denn gerade bei Zahlen verwischt vielleicht das eine oder andere etwas.
2018 waren es also rund 16 000 Menschen, 2019 in etwa gleich viele, die sich mit einem Anliegen an die Volksanwaltschaft gewandt haben, das waren im Jahr 2018 66 Beschwerden pro Tag, 2019 waren es marginal – ein bissel – mehr, angeblich sind 67 Beschwerden pro Arbeitstag eingelangt. In 48 Prozent aller Beschwerdefälle veranlasste die Volksanwaltschaft eine detaillierte Überprüfung; da wird ja nichts oberflächlich behandelt. Bei 4 077 weiteren Beschwerden gab es keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Missstand in der Verwaltung, bei 4 400 Beschwerden war die Volksanwaltschaft nicht zuständig, versuchte aber auch da, zu helfen – frei nach Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
Rund 30 Prozent aller Prüfverfahren betrafen den Bereich Arbeit, Soziales und Gesundheit, also eigentlich die ganz elementaren und lebensfundierten Bereiche unserer Mitbürger. Auf Landes- und Gemeindeebene ist ja schon seit mehreren Jahren das Sozialwesen das am meisten geprüfte Feld. So entfiel auch 2018 ein Großteil der Prüfungsfälle – 29,9 Prozent, für alle, die sich sehr für Zahlen interessieren und sich sehr aufmerksam prozentmäßig damit beschäftigen – eben auf diesen Bereich, auf soziale Themen wie Mindestsicherung, Jugendwohlfahrt und Angelegenheiten von Menschen mit Behinderungen. Bei den Prüfungsverfahren belegten die ersten drei Plätze im Länderranking Wien, Niederösterreich und die Steiermark.
Die Sicherstellung menschenwürdiger Pflege – das wurde heute schon von Kollegin Neurauter angesprochen – war einer der Schwerpunkte, die sich die Volksanwaltschaft für ihre Arbeit 2018 und natürlich auch 2019 gesetzt hat. Bei ihren Kontrollen in psychiatrischen Krankenanstalten wurde Etliches bemerkt, etwa dass die Räumlichkeiten zu eng waren, dass die Bettenkapazität zu gering, also die Anzahl der Patienten zu groß war, und oft wurden keine Rückzugsmöglichkeiten vorgefunden. Man hat also ganz wichtige Dinge gesehen, und nicht nur gesehen, denn man schaut ja nicht nur hin und wieder weg, sondern versucht klarerweise, sofort etwas zu verändern, zu verbessern.
Das mit 1.7.2018 – auch schon erwähnt – in Kraft getretene 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, im Zuge dessen die Sachwalterschaft durch eine Erwachsenenvertretung ersetzt wurde, erfüllt die Erwartungen. Hauptziel des neuen Vertretungsmodells für in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkte Personen war, den Betroffenen eine verbesserte Rechtsposition zu geben. Die Beschwerden zum Sachwalterrecht reduzierten sich bei der Volksanwaltschaft um rund ein Drittel.
Im Bereich Justiz litt der Straf- und Maßnahmenvollzug unter Personalnot. 936 Beschwerden lagen vor, wobei ein Vielfaches aufgrund Zuständigkeit wieder an die unabhängigen Gerichte weitergeleitet wurde.
2019 gab es, wie bereits angeführt, ungefähr gleich viele Beschwerden wie im Vorjahr, also rund 16 000 Beschwerden. Anlass zur Beschwerde gaben im Jahr 2019 besonders die Mängel in der Pflegegeldeinstufung sowie Probleme bei der Pensionszuerkennung und dem Arbeitslosengeld. Unverändert hoch ist das Beschwerdeaufkommen bei Menschen mit Behinderung.
Auch auf die Altersdiskriminierung wurde großes Augenmerk gelegt, da es diese nicht nur 2018, 2019 gab, sondern auch heute nach wie vor gibt. Da muss sich einiges entsprechend verbessern, denn es kann nicht sein, dass Personen, nur weil sie altersmäßig in einem Bereich sind, wo sie vielleicht eben nicht mehr im Arbeitsprozess stehen, in verschiedenen Bereichen zurückgestellt werden, keine Versicherung oder überhaupt keinen Überziehungsrahmen bei Banken et cetera bekommen. Das kann es nicht sein, und die Volksanwaltschaft nimmt sich dieser Sache ganz vehement und stark an.
Seit 2017 ist die Volksanwaltschaft auch in der Polizeigrundausbildung mit einem eigenen Ausbildungsmodul vertreten. Ziel ist es, den werdenden Polizistinnen und Polizisten die Aufgaben und die Arbeit der Volksanwaltschaft näherzubringen, um vor allem Verständnis für diese Arbeit zu erzielen und entsprechend zu sensibilisieren. Kommissionen unterrichteten 2019 insgesamt 74 Klassen in elf Bildungszentren, von Wien, also der größten Stadt Österreichs, über Graz, Sankt Pölten, Linz, Feldkirchen, Traiskirchen, Absam, Eisenstadt und Salzburg.
Auch Justizwachebeamtinnen und -beamte wurden seit 2017 im Zuge ihrer Ausbildung über die präventive Arbeit der Volksanwaltschaft unterrichtet. Gestatten Sie mir hier vielleicht eine Anregung: Es sollte vielleicht angedacht werden, dieses Modul auch in die Ausbildung der Offiziere und Unteroffiziere des österreichischen Bundesheeres zu integrieren; das wäre vielleicht nicht ganz verkehrt.
Bei den Polizeieinsätzen, die im Jahr 2019 beobachtet wurden, handelt es sich überwiegend um Abschiebungen, Demonstrationen, polizeiliche Großaktionen, Razzien und Problemfußballspiele, die derzeit, da sie geisterhaft abgehalten werden, kein großes Problem darstellen dürften. Weiters geht es um 45 Beschwerdefälle im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung, aber da lag der Schwerpunkt auf dienstrechtlichen Angelegenheiten.
Also: In beiden Berichtsjahren, 2018 und 2019, konnte vielen Bürgerinnen und Bürgern professionell auf verschiedensten Ebenen geholfen werden, und es konnten zahlreiche Anregungen sowie Verbesserungen im Behördenbereich wahrgenommen werden.
Ein großer Dank gebührt den Mitte 2019 ausgeschiedenen engagierten Volksanwälten – ich lasse jetzt die akademischen Titel weg, Sie gestatten mir das – Gertrude Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer und den am 13.6.2019 vom Nationalrat neu gewählten und vom Bundespräsidenten angelobten Volksanwälten Werner Amon, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz, die abgegrenzte Aufgabenstellungen überhaben – wir haben es ja heute schon gehört –, aber selbstverständlich alle Anliegen der Bürger aufnehmen und entsprechend ressortmäßig verteilen.
Großer Dank gebührt auch den rund 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und über 100 Expertinnen und Experten, die in den unterschiedlichsten Kommissionen tätig sind. Weiterhin viel Kraft, Freude, Erfolg und ein steirisches Glück auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
19.01
Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Volksanwalt Werner Amon. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Steiner: Nein, Moment noch!) – Pardon, das war ein Lapsus meinerseits.
Vorher gelangt noch Frau Kollegin Andrea Michaela Schartel zu Wort. – Bitte.