19.41
Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Volksanwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim vor den Bildschirmen an diesem so intensiven Plenartag! Im Alter von 18 Jahren hatte ich als Skirennläuferin einen folgenschweren Skiunfall. Seither bin ich inkomplett querschnittgelähmt, und ich werde mein Leben lang mit einer körperlichen Behinderung leben. Ich habe nach meinem lebensverändernden Unfall die Matura absolviert, studiert und anschließend immer in Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen gearbeitet. Was ich mit meinem persönlichen Beispiel sagen möchte, ist: Es gibt Chancen für Menschen mit Behinderung in Österreich. (Allgemeiner Beifall.)
Für Menschen mit Behinderung ganz besonders wichtig sind Anker, Anker wie Familie und Freunde, aber auch Anker, die Sinn stiften, wo man Kraft schöpfen kann und Wertschätzung für das, was man macht, bekommt. Das ist zum Beispiel Sport, aber ganz besonders eine sinnstiftende berufliche Tätigkeit.
Was ich anhand meiner Arbeit im Vorarlberger Behindertenbeirat als Arbeitnehmerinteressenvertreterin und durch mein privates Engagement im Behindertensportbereich festgestellt habe, ist, dass Einschränkungen und Behinderungen extrem heterogen sind und nicht miteinander verglichen werden können. Manche haben, so wie ich, durch einen Unfall oder eine Erkrankung im Laufe ihres Lebens eine körperliche Beeinträchtigung erhalten oder erlitten, andere wiederum sind seit ihrer Geburt geistig und/oder körperlich eingeschränkt. Jede Behinderung ist anders, sie kann nicht in einen Raster gefasst werden. Das macht es für uns auch so schwierig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Thema große Schritte in Richtung inklusiven Arbeitsmarkt, in Richtung Lohn statt Taschengeld, aber auch in Richtung gleichgestelltes Leben zu machen.
Ich war in Vorbereitung auf die heutige Sitzung mit dem Inklusionskoordinator einer renommierten Vorarlberger Behindertenwerkstätte in Kontakt. Er begleitet Menschen mit Behinderung und vermittelt sie in den Ersten Arbeitsmarkt. Er sagt, jeder Mensch hat seine speziellen Talente und Fähigkeiten, und wir müssen jedem und jeder die Möglichkeit geben, diese auch zu zeigen. Was es braucht, ist ein Umdenken in unser aller Köpfe. Wir müssen unsere Ängste loswerden und Bedenken gegen Menschen mit Behinderungen abbauen.
Menschen mit Behinderungen wollen arbeiten, sie wollen etwas leisten und sie wollen auch finanziell unabhängig sein. Mit dem derzeitigen System der Bezahlung ist das jedoch nicht möglich. Was es braucht, ist eine Form des echten Arbeitsverhältnisses mit einer eigenen sozial- und pensionsversicherungsrechtlichen Absicherung und ein neues Modell der Entlohnung. In diesem Punkt stimme ich vollumfänglich der Volksanwaltschaft zu und möchte mich an dieser Stelle auch für ihren Einsatz und ihr Engagement für Menschen mit Behinderung ganz herzlich bedanken.
Aufgrund der Komplexität dieses Sachverhaltes – es handelt sich hier um eine Querschnittsmaterie – sind Schnellschüsse zu vermeiden und es sind Gespräche mit allen Stakeholdern und allen Betroffenen zu führen.
Die Regierung bekennt sich im Regierungsprogramm zu einer Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderung, da die Arbeitslosenquote dieser Personengruppe so hoch wie noch nie ist. Hier gilt es auch wirkungsvolle Maßnahmen zu setzen. Eine solch wirkungsvolle Maßnahme wurde in Vorarlberg als bisher einzigem Bundesland initiiert. Bei der sogenannten Jobkombi wird der Mensch mit Behinderung bei der Tagesstätte angestellt und auf Leasingbasis an den Betrieb vermittelt. Dem Betrieb werden nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden weiterverrechnet, er trägt somit kein Risiko. Diese Initiative eignet sich gut als Einstiegsmodell, um Unternehmen die Angst vor Menschen mit Behinderung zu nehmen. Modelle wie diese sind gut und wichtig, aber es braucht mehr und zielgerichtete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderung in echte Arbeitsverhältnisse zu bringen.
Darüber hinaus wird eine Anpassung der Regulierung am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung nur teilweise erfolgversprechend sein. Wir müssen schon früher ansetzen. Aus diesem Grund bekennen wir uns im Regierungsprogramm zur Stärkung des inklusiven Schulsystems.
In Summe möchte ich sagen, wir sind schon auf einem guten Weg zu einem gleichgestellten Leben für Menschen mit Einschränkungen, und es gibt viele gute Ansätze, aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Weg ist noch weit. Echte Arbeitsverhältnisse, Beschäftigungsoffensiven, um die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung drastisch zu reduzieren, und die Stärkung des inklusiven Schulsystems sind Themen, die wir unbedingt angehen sollten. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)
19.46
Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.