19.46

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Herren Volksanwälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­herInnen! Die Brisanz des vorliegenden Sonderberichtes hat sich auch im Lichte der Coronazeit erhöht, weil ich mir denke, die generelle Verschärfung am Arbeitsmarkt birgt das Risiko, dass genau jene Menschen, die es bisher schon schwieriger hatten, in die­sem Bereich Fuß zu fassen, hier schneller herausfallen oder auch schwerer hinein­kommen.

In meinem Bezirk, in der Donaustadt, wo ich wohne, gibt es einen großen Anbieter für Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, der sich Wien Work nennt. Ich habe mich dort erkundigt und mitbekommen, wie in dieser Zeit, in den letzten Wochen versucht wurde, mit den TeilnehmerInnen und den Beschäftigten dort diese Krise zu bewältigen oder diese Menschen durch diese Krise zu begleiten. Ich habe wirk­lich feststellen müssen, dass es da auch ein außergewöhnliches Engagement der Mitar­beiterInnen in diesen Unternehmen gibt. Das steht auch im Bericht. Ich denke, das kann man eigentlich für alle diese Anbieter sagen, dass das Engagement der MitarbeiterInnen wirklich ein tolles ist, das auch notwendig ist, um sehr flexibel und individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse dieser KundInnen und TeilnehmerInnen eingehen zu können.

Wenn wir schon beim Dank für Engagement sind, möchte auch ich mich für diesen Bericht bedanken, der, finde ich, in einer sehr kurzen und knappen und doch sehr umfas­senden Art und Weise das Thema Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt be­schreibt und auch sehr konkrete Ansatzpunkte für die Politik liefert. Man könnte diesen Bericht nehmen und mit entsprechendem politischen Willen sehr konkrete und sehr nachhaltige Verbesserungen initiieren. Das soll auch unser Auftrag sein, diese Dinge, die hier vorgeschlagen sind, weiterzubearbeiten und umzusetzen.

Ich habe auch den Bericht zu diesem Thema vom Österreichischen Behindertenrat durchgesehen und durchstudiert und habe auch bemerkt, dass die Empfehlungen und die Schlussfolgerungen mit dem, was die Volksanwaltschaft empfiehlt, sehr deckungs­gleich sind. Umso besser, finde ich, so ziehen alle in diesem Bereich am selben Strang.

Eine der wesentlichen Messages, die vom Österreichischen Behindertenrat kommt, ist – und meine Vorgängerin hat es auch ausgeführt –: Das langfristige Ziel muss ein nach­haltig inklusiver Arbeitsmarkt sein. Es muss möglich sein, dass Menschen mit verschie­densten Voraussetzungen auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können und je nach Be­dürfnis und je nach Bedarf begleitet werden, um in diesem Arbeitsmarkt zu bleiben und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Auch meine Kollegin hat es schon ausgeführt, und ich möchte es unterstreichen: Das setzt natürlich ein inklusives Bildungssystem im Vorfeld voraus. Ich denke, da ist noch viel zu tun. Ich würde ja sogar schon im Kindergarten damit beginnen: ein inklusiver Kindergarten als erste Bildungseinrichtung, wo das Kind mit seinem jeweiligen Bedürfnis im Fokus der PädagogInnen ist und wo die Ressourcen, die dieses Kind braucht, so verteilt werden, dass sie dorthin kommen, wo das Kind ist, und nicht das Kind dorthin gehen muss, wo die Ressourcen zur Verfügung stehen.

Das wäre sozusagen die Zielvorstellung, und das sollte sich natürlich im Bildungssystem, im Schulsystem und weiter, bis in den Arbeitsmarkt hinein, entwickeln. Das ist einfach ein generell neuer Zugang zu diesen Dingen, dass die Ressourcen dorthin kommen, wo die Menschen sind und wo sie sich einbringen und wo sie Unterstützung brauchen.

Noch einmal zurück zur Schule: Auch eine, finde ich, veraltete Form ist die Denkweise, dass man einem jungen Menschen, dessen Schulpflicht endet, attestiert, arbeitsunfähig zu sein. Ich stelle es mir als einen enorm katastrophalen Einschnitt im Leben vor, mit 16, 17, 18 Jahren den Stempel aufgedrückt zu bekommen, arbeitsunfähig zu sein. Was macht es mit einem Menschen, zu erfahren, dass er sozusagen in der normalen Ar­beitswelt nie wird Fuß fassen können und sein Leben lang auf Sozialhilfe angewiesen sein wird? Ich finde, in unserer Zeit hat ein solcher Zugang, in so frühen Jahren jeman­dem einen abschließenden Stempel zu geben, keinen Platz, und wir müssen auch da in das Inklusionsdenken hineinkommen.

Es ist schon angesprochen worden: Eine der zentralen Forderungen aus all diesen Be­reichen ist, dass Menschen, die sich da betätigen, die da arbeiten, einen kollektivver­traglichen Lohn statt eines Taschengelds bekommen.

Eine zweite Forderung in diesem Bereich ist, dass diese Menschen pensionsversichert werden und Anspruch auf eine Pension erhalten und nicht ein Leben lang Sozialhilfe­empfängerInnen sein müssen, dass sie schlussendlich ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen können und nicht auf Dauer sozusagen am Existenzminimum festhängen. Insgesamt geht es größenordnungsmäßig immerhin um 23 500 Menschen, und das ist, denke ich mir, eine große Gruppe, der man sich annehmen sollte.

Ein Aspekt, auf den der Behindertenrat auch immer wieder hinweist, ist die Rolle von Frauen mit Behinderung. Man erkennt da auch, dass es einen Mangel in der Erhebung und in der Statistik gibt, wenn es darum geht, zu erfassen, wie denn Frauen mit Behin­derung von dieser Situation speziell betroffen sind und welche geschlechtsspezifischen Auswirkungen das auf sie hat, und daher gilt es, da genauer hinzuschauen, Maßnah­men, Analysen, Evaluierungen auch geschlechtsspezifisch vorzunehmen. Ich denke, das ist sehr sinnvoll, um noch einmal verschärfte Diskriminierungen, weil man weiblich ist, hintanzuhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was uns jetzt alle zusammen zum Handeln anregen soll, ist das Zeitfenster, in dem wir uns befinden, weil Österreich eigentlich 2020, also in diesem Jahr, vor der UNO be­richtspflichtig ist. Es ist die Frage, ob sich das um ein paar Monate verschiebt, aber in nächster Zeit muss Österreich jedenfalls Bericht abliefern, welche Verbesserungen es im Behindertenbereich gegeben hat. Es wäre jetzt die Zeit, einige Maßnahmen umzu­setzen, um dann dort möglicherweise nicht so stark kritisiert zu werden. Das könnte also ein Anreiz sein, um jetzt schnell in die Umsetzung zu kommen.

Das Hauptanliegen der UN-Behindertenrechtskonvention ist einfach, nachhaltig Diskri­minierungen in diesem Bereich auszumerzen. Menschen dürfen nicht diskriminiert wer­den, aufgrund welcher Einschränkungen oder Eigenschaften auch immer. Sie dürfen auch im Arbeitsbereich nicht diskriminiert werden.

Ein letzter Punkt noch: Im Regierungsprogramm ist beschrieben – und es ist auch schon damit begonnen worden –, dass ein Nationaler Aktionsplan Behinderung erarbeitet wer­den soll. Das soll im Zusammenspiel von Ministerien, Ländern und Gemeinden pas­sieren, diese sollen miteinander festlegen, welche Maßnahmen umgesetzt werden sol­len. Was mir zu Ohren kommt, ist, dass diese verschiedenen Maßnahmen oft ein Spiel­ball zwischen Bund und Ländern sind, dass in Fragen des Lohnes, in Fragen der Pen­sionsversicherung der Bund auf die Länder wartet und die Länder auf den Bund warten. Ich denke, das ist ein bisschen unwürdig.

Wenn also der politische Wille vorhanden ist, da etwas zu verändern – und ich glaube, diesbezüglich gibt es eine große Übereinstimmung –, dann muss man sich gemeinsam an einen Tisch setzen. Ein Nationaler Aktionsplan ist so eine Chance, dass man sich gemeinsam hinsetzt, eine Strategie entwickelt und dann auch die Verantwortung gemeinsam trägt. Das ist vielleicht eine Aufforderung an uns alle, die wir ja in unseren Ländern politisch verankert sind, dass wir, wenn es um diesen Nationalen Aktionsplan und um Maßnahmen im Bereich des Behindertenwesens geht, nachfragen, wie es da­rum steht, und uns als Ländervertreter proaktiv in diesen Prozess einbringen. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

19.56

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Arthur Spanring. Ich erteile es ihm.