14.08

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf mit einem Zitat des ÖGB-Präsidenten beginnen, der in einem Interview in den letzten Tagen gesagt hat – das ist wirklich eines der treffendsten Zitate der letzten Zeit –: „Angst frisst Kaufkraft“. Die Angst vor Arbeitslosigkeit, die Angst davor, keine Arbeit mehr zu finden, die Angst vor einer zweiten Ansteckungswelle, Angst um die eigene Existenz – „Angst frisst Kaufkraft“.

Die Maßnahmen der Bundesregierung greifen eindeutig zu wenig, es sind zu viele vollmundige Ankündigungen, zögerliche Maßnahmen, die immer wieder nachgebessert werden, Stundungen, die man dann doch zahlen muss, Steuervergünstigungen für Unternehmen. (Bundesrat Bader: Das hat eine Stundung so an sich!) Was hilft es, wenn man keine Einnahmen hat? Was soll man dann an Steuervergünstigung haben? Es sind Unterstützungsleistungen, die nicht oder nur zögerlich ankommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Familienhärteausgleichsfonds ist ein Beispiel dafür, er ist bei der Abwicklung völlig überlastet. Hilfe, die für Familien und AlleinerzieherInnen schnell ankommen sollte, ist noch nicht bei den Betroffenen – einfach überlastet. Warum erfolgt die Auszahlung nicht über das Finanzministerium oder bei BezieherInnen von Mindestsicherung nicht gleich direkt mit der Auszahlung der Mindestsicherung? Es beschleicht einen der Gedanke, dass es da mehr um Almosenverteilung durch die Ministerinnen und Minister geht. (Bundesrat Bader: 50 Milliarden sind Almosen?!) Das ist wichtiger als eine rasche Hilfe für Familien und AlleinerzieherInnen.

Jetzt ist die Almosenzahlung für die Arbeitslosen angekündigt: 450 Euro. Das ist nicht der richtige Weg. Almosenzahlung kann es nicht sein, sondern wir brauchen eine ganz rasche Erhöhung des Arbeitslosengeldes. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Die Menschen finden keine Arbeit. Die Anhebung der Nettoersatzrate von 55 Prozent auf 70 Prozent ist jetzt ein Gebot der Stunde. „Angst frisst Kaufkraft“!

Das vorliegende Kommunalinvestitionsgesetz ist wieder ein Beispiel einer unzureichen­den Hilfeleistung, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben auf die zu erwar­tenden finanziellen Probleme für die Gemeinden bereits am 4.4.2020 aufmerksam ge­macht, wir haben einen Entschließungsantrag dazu eingebracht und namentlich abstim­men lassen. Die ÖVP und die Grünen haben diesen Antrag nicht unterstützt. Mit 1 Milliarde Euro ist das Investitionsvolumen dieses jetzt vorliegenden Investitionspakets viel zu gering, man denke nur an den Einnahmenausfall für die Gemeinden.

Gestern war der Tag des öffentlichen Dienstes, und die Younion, jene Gewerkschaft, die die Gemeindebediensteten vertritt, unterstreicht mit ihrer Kampagne Mehr sparen können wir uns nicht leisten die Bedeutung der Arbeit des öffentlichen Dienstes für die Menschen. Wir wollen sicher nicht, dass jene Bediensteten des öffentlichen Dienstes, denen wir von ganzem Herzen für ihre Arbeit danken und denen heute auch schon von Rednern gedankt wurde, Angst haben müssen, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren, weil die Finanzierung in den Gemeinden fehlt.

Die Vorrednerinnen und Vorredner haben es schon angesprochen: 50 Prozent Eigen­finanzierung – dieses Paket hilft nur finanzstarken Gemeinden. Natürlich hilft es auch Wien, aber finanziell stark belastete Gemeinden haben nichts davon. Sie können nur wenig finanzieren oder stürzen sich am Ende noch in Schulden. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 300 Gemeinden bereits jetzt kurz vor der Insolvenz stehen.

Der Bund muss den Gemeinden die Einnahmenausfälle und Mehrausgaben durch die Covid-19-Krise vollständig ersetzen. Dass es bei diesem Paket der Hilflosigkeit zu keinem Aufschrei der ÖVP-Bürgermeisterinnen und -Bürgermeister in den betroffenen Gemeinden kommt, erstaunt schon sehr. Es scheint, die Devise ist: alles mittragen, koste es, was es wolle.

Die Österreicherinnen und Österreicher brauchen die umfassende Grundversorgung in ihren Gemeinden und ihren Städten, und zwar gerade jetzt.

Ich würde gerne das Thema der Ferienbetreuung ansprechen: Es gibt endlich 30 Mil­lionen Euro für die Ferienbetreuung. Schon seit vielen Wochen weisen wir darauf hin, dass es bei der Ferienbetreuung in diesem Sommer große Probleme für die Eltern geben wird. Die ÖGB-Frauen schreiben das schon seit Langem. Die Eltern sind an den Gren­zen ihrer Möglichkeiten. Sie haben nicht das Geld, sie sind in Arbeitslosigkeit, sie sind in Kurzarbeit. Sie haben nicht das Geld, sich teure Ferienbetreuung zuzukaufen, oder sie haben ihren Urlaub verbrauchen müssen. Es braucht flächendeckend für Österreich ein tolles Angebot für die Kinder für schöne Ferien und eine Lernunterstützung, damit sie gut durch den Sommer kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf in diesem Zusammenhang beispielhaft die Summer City Camps der Stadt Wien nennen. Schon im Vorjahr gab es dieses Angebot, dieses Jahr wurde es noch weiter ausgebaut, es ist ein positives Sommerangebot mit Spiel und Spaß und gleichzeitig ein Lernangebot für die Kinder. (Bundesrätin Mühlwerth: Am coolen Gürtel!) Das wäre in vielen Gemeinden wichtig. Ich weiß, dass es das in einigen Gemeinden gibt, aber wir brauchen es flächendeckend in ganz Österreich, um die Eltern und vor allen Dingen auch die Frauen zu entlasten, die einen Großteil der Sorgearbeit in diesem Land tragen.

Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen muss, aber so wenig wie von dieser Bundesregierung ist noch nie an die Frauen, ihre Sorgen und ihre Probleme gedacht worden. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser zu unterstützen und vor allen Dingen, um den Frauen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben, braucht es den flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen als Konjunkturpaket zur Stärkung des ländlichen Raumes. Wir wollen nicht, dass Frauen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden.

Das Hilfspaket, das in der Krise am besten funktioniert hat, ist das Programm der Kurz­arbeit. Dieses von den Sozialpartnern entwickelte Modell hat verhindert, dass es noch mehr arbeitslose Menschen durch Covid gegeben hat. Jetzt wird ein weiteres Kurz­arbeitsmodell verhandelt. Wir wissen, die Krise ist nicht vorbei, vor allen Dingen nicht die Wirtschaftskrise. Wir brauchen jetzt ein Modell, das längere Zeiträume überbrückt. Damit schafft man Planbarkeit, Stabilität und erhält Arbeitsplätze.

Die Kosten für die beiden Kurzarbeitspakete – Modell 1 und 2 – waren bei Weitem nicht so hoch wie angenommen. Es braucht jetzt starke Arbeitsmarktpakete, den Ausbau von Arbeitsstiftungen, eine Qualifizierungsoffensive, Angebote für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ein großes Lehrlings- und Bildungspaket, um zu verhindern, dass wir eine verlorene Generation schaffen. Da ist gerade wieder der öffentliche Dienst als Arbeitgeber gefordert. Eine Initiative für ein verstärktes Lehrstellenangebot im öffentlichen Dienst müsste jetzt eigentlich selbstverständlich sein. Ich habe noch nichts davon gehört, aber es ist höchst an der Zeit, denn es fehlen uns 10 000 Lehrstellen.

Herr Finanzminister, es darf kein Hilfsgeld für Firmen geben, die vermeiden, Steuern in Österreich zu zahlen, keine Coronarettungsaktionen für Unternehmen, die ihren Sitz in Steueroasen haben. Das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher darf nicht an Unternehmen verschwendet werden, die ihre Gewinne über Tochterfirmen einfach ins Ausland verschieben. Es braucht da mehr Transparenz und parlamentarische Kon­trolle.

Wir werden dem Kommunalinvestitionsgesetz zustimmen, damit die Gemeinden we­nigstens etwas bekommen. Wie wir in dem von uns eingebrachten Entschließungs­antrag, den wir namentlich abstimmen lassen, aber betonen, braucht es viel mehr, nämlich ein 2,2 Milliarden Euro schweres Coronahilfspaket für die Gemeinden, das den coronabedingten Einnahmenausfall zu 100 Prozent abdeckt, und zusätzlich jährlich ein 500-Millionen-Euro-Investitionspaket, 250 Euro vom Bund pro gemeldeter Einwohnerin und gemeldetem Einwohner.

Gemeinden und Städte sind ein wichtiger lokaler Beschäftigungs- und Wirtschaftsmotor. Ich darf an das Motto der letzten Bundesratspräsidentschaften erinnern: die Regionen stärken. Mit dem vorliegenden Paket wird das nicht gelingen, das ist zu wenig. Es darf auf keinen Fall durch die prekäre finanzielle Lage zu einem Privatisierungsdruck auf die Gemeinden kommen. Jetzt Teile der Daseinsvorsorge zu verkaufen ist der absolut falsche Weg, den wir als SPÖ nicht mitgehen werden.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen, dass die 2 095 österreichi­schen Gemeinden in der Lage sein müssen, ihre unverzichtbaren Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung zu stellen. Sie brauchen jetzt schnelle und vor allen Dingen unbürokratische Hilfe. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

14.17

Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Karl Bader hat sich zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihm dieses.