15.53

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Wir beschäftigen uns heute mit kommunalen Investitionen beziehungsweise mit dem bezughabenden Gesetz.

Herr Kollege Bader, wir haben diesem Gesetz zugestimmt, aber nicht etwa, weil es so toll gemacht ist und weil so viele Möglichkeiten darin präsentiert sind, sondern damit jene Gemeinden, die sich diese Unterstützung leisten können – es ist nämlich ein Investitions­paket, das sich die Gemeinden zuerst einmal leisten können müssen –, auf dieses Paket zugreifen können.

Du hast vorhin in deinem ersten Redebeitrag gesagt, das sei das größte Gemeinde­investitionspaket, das Österreich je gesehen hat. – Da muss ich dir schon sagen: Das klingt ja so, als müssten die Gemeinden sich jetzt auch noch dankbar dafür zeigen, dass sie dadurch zusätzliches Geld vom Bund bekommen. (Bundesrat Bader: Das ist eine Interpretation deinerseits!) Bitte, ich habe meinen Ohren nicht getraut, das ist ja nicht der Fall!

Lieber Kollege Bader, das, was hier passiert, ist lediglich eine Wiedergutmachung für den finanziellen und wirtschaftlichen Schaden, den ihr mit euren Maßnahmen, mit dieser Bundesregierung in den österreichischen Gemeinden angerichtet habt! (Beifall bei der FPÖ.)

Außerdem hast du jetzt eine sehr befremdliche Wahrnehmung hinsichtlich der Aussagen und Angaben vom Herrn Bundesminister gehabt. Wir haben hier nicht viele Perspektiven herausgehört, da habe ich heute von Kollegen Novak mehr Perspektiven herausgehört. Wir haben nämlich dieselben Zuschriften bekommen, in denen von einem Einbruch an Ertragsanteilen von bis zu 20 Prozent ausgegangen wird – darauf werde ich noch zu sprechen kommen –, die wir auf uns beziehen werden müssen, und mit dieser Situation werden wir umgehen müssen.

Sie setzen sich hierher und sagen: Nein, eigentlich haben wir keine Perspektiven, eigentlich ist mir das ziemlich egal, es ist mir auch recht müßig, mit Ihnen hier herinnen über die Problematik der Gemeinden zu reden. – Es ist nicht nur so, dass Sie die Situ­ation der Gemeinden nicht ernst nehmen und keine Perspektiven darlegen können, sondern das ist eigentlich verantwortungslos und für diese Republik nicht tragbar.

Vor allem sage ich Ihnen dazu auch noch eines: Als die Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona erlassen worden sind, waren – das werden, glaube ich, alle Bürgermeister hier bestätigen können – die übergeordneten Verwaltungskörper noch nicht in der Lage, zu sagen, wie diese Maßnahmen zur Ausführung gelangen können, aber die Gemeinden haben in ihrem eigenen Verwaltungsbereich dafür gesorgt, dass unmittelbar, unbüro­kratisch und vor allem zielgenau bei auftretenden Themen- und Problemstellungen die Maßnahmen zur Ausführung gelangen konnten, dass diese abgearbeitet und bewältigt werden konnten.

Die kleinste Zelle in unserem staatlichen Organismus ist nun einmal die Gemeinde, und es hat sich auch in dieser Krisensituation wieder einmal bewiesen: Die Gemeinde ist wieder einmal nicht nur die zuverlässigste, sondern auch die effizienteste Einheit ge­wesen, denn, wie ich gesagt habe, als es von staatlicher Seite noch keine konkreten Verordnungen gegeben hat, haben die Gemeinden gewusst, wie sie die Dinge zu regeln haben, wie sie entsprechende Informationen auszugeben haben, wie sie die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen haben, aber auch, wie sie die notwendigen Abläufe gewährleisten können.

Gerade wir Freiheitliche haben in den ersten Tagen der Krise erkannt, welche finan­ziellen Auswirkungen diese Krise auf die österreichischen Gemeinden in Bezug auf die Liquidität und die Finanzkraft haben wird. Daher hat mein Kärntner Kollege im Natio­nalrat und Wirtschaftssprecher, Nationalratsabgeordneter Erwin Angerer, bereits am 3. April die Schnürung eines solchen Investitionspaketes für die Gemeinden in der Höhe von mindestens 1 Milliarde Euro gefordert, denn ja, zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits mit den verminderten Einnahmen, aber auch mit den stark sinkenden Ertrags­anteilen gerechnet.

Jetzt, Ende Juni, drei Monate später, sind wir in dieser Situation, jetzt wird diese berechtigte Forderung auch von der Bundesregierung teilweise umgesetzt. Frei Kärnt­nerisch kann man dazu sagen: Mit der Zeit kommen mia a gschwind drauf. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Bader.)

Jetzt kann man sich sozusagen noch darüber freuen, dass die Förderquote gegenüber dem KIG 2017 von 25 auf 50 Prozent erhöht worden ist, wobei man sich aber in Vergegenwärtigung der finanziellen Situation der Gemeinden die Frage stellen muss, ob diese Maßnahmen seitens der Bundesregierung überhaupt zu Ende gedacht worden sind. – Genauso wie bei vielen anderen getroffenen Maßnahmen muss man auch da feststellen: leider nein.

Die Frage, wie die Eigenmittel aufgebracht werden sollen, die verbleibenden 50 Prozent für die Gemeinden, die sowieso schon jetzt in einer schwierigen finanziellen Situation sind, bleibt für viele offen. Daher müssen wir uns auch hier im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage damit beschäftigen.

Laut Berechnungen, die ich vorher ausgeführt habe, müssen wir davon ausgehen, dass wir bis zu 20 Prozent weniger Ertragsanteile haben werden. Die aktuellen Zahlen liegen zwar, wie Sie gesagt haben, nicht vor, entsprechende Fragen konnten uns auch im Aus­schuss nicht beantwortet werden, aber wir müssen davon ausgehen, dass diese 20 Prozent durchaus traurige Realität werden.

Wenn ich hier das Beispiel meiner Heimatgemeinde Hüttenberg hernehme, in der ich Bürgermeister bin, mit der eher geringen Einwohnerzahl von 1 400, so bedeutet das allein bei den Ertragsanteilen ein Minus von 250 000 Euro in diesem Jahr. Das bedeutet weiters den Entfall von entsprechenden Einnahmen wie der Kommunalsteuer aufgrund der Kurzarbeit, aber auch aufgrund der Arbeitslosenzahlen, und selbstverständlich auch hinsichtlich der Tourismusabgaben.

Wenn man dann den Ansatz vertritt, dass die Restfinanzierung am besten über Darlehen erfolgen soll, dann frage ich mich schon, ob das ein verantwortungsvoller Zugang ist. In dieser schwierigen finanziellen Situation werden die Gemeinden noch genötigt, Darlehen aufzunehmen, und sind dann nicht in der Lage, diese in den kommenden Jahren zurückzuzahlen, denn die Entwicklung können Sie ja nicht voraussehen, haben Sie gesagt! (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Was bedeutet das für die Zukunft? – Für die ÖVP bedeutet das wieder einmal eines: Man schafft Abhängigkeiten, und das ist ja das Ziel, denn: Wo soll man diese Darlehen am besten aufnehmen? – Am besten bei ÖVP-nahen Kreditinstituten. (Heiterkeit der BundesrätInnen Grimling und Steiner.) Und dann verhält es sich ähnlich wie bei den Auszahlungen für die Betriebe: Das Geld kommt zwar nicht an, aber es ist bei der Wirtschaftskammer angesiedelt, damit man alle Daten hat, und das wird nicht vom Finanzamt durchgeführt, was zielführender wäre. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Dasselbe habt ihr jetzt bei den Gemeinden vor: Die müssen jetzt zu den ÖVP-nahen Kreditinstituten vielleicht betteln gehen, das wäre euer Vorschlag. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Da sehen wir wieder einmal, diese Förderungsgestaltung, die ihr gemacht habt, fällt in die Kategorie: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. – Wenn man das aus dem ÖVP-Kalkül heraus betrachtet, dann ist es eben, wie gesagt, nichts anderes als die Schaffung von Abhängigkeiten und gepaart – und das darf ich jetzt vielleicht medizinisch ausdrücken – mit einem frustranen Reanimationsversuch. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Ich darf auch gerne erläutern, was das bedeutet: Das heißt, dass wir Gemeinden helfen, sie aber trotzdem sterben. Wir wissen zwar, dass sie sterben, aber wir helfen ihnen trotzdem (Bundesrätin Mühlwerth: Also man hilft ihnen beim Sterben!), um dann sagen zu können: Wir wollten eh nur das Beste!, und das am besten in einer Sondersitzung, die zufällig vor den Gemeinderatswahlen in der Steiermark stattfindet. Das ist natürlich reinster Zufall. Da muss ich Ihnen schon sagen: Durchschaubarer geht es ja gar nicht mehr! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Gerade diese Gemeinden – und das ist heute auch schon von mehreren Rednern angesprochen worden – sind die Multiplikatoren, wenn es darum geht, unsere Wirtschaft hochzufahren, weil eben gerade die Gemeinden diese regionale und kommunale Wert­schöpfung haben und einen wesentlichen Beitrag leisten. Es wird daher notwendig sein, eine gesamtheitliche Lösung für Österreich und für die Gemeinden zustande zu bringen und keine parteipolitische, kurzfristig gedachte Lösung, denn das ist eine Lösung, die mehr Probleme schafft, als sie bringt.

Es ist traurig, dass es – wie wir heute zweimal gehört haben, im Ausschuss und jetzt auch hier – keine Einschätzungen in Bezug auf die Zahlen und Entwicklungen gibt, weder hinsichtlich der Kommunalsteuer noch hinsichtlich der Ertragsanteile. Da fragt man sich schon: Wie kann man denn ernsthaft ein Paket anbieten, wenn man nicht einmal weiß, ob sich der Großteil der Gemeinden dieses Paket überhaupt leisten kann und wie die Entwicklung ist? Das ist ja wirklich ein sehr verantwortungsloser Zugang. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, noch ein paar Worte zu diesem Investitionsprogramm, diesem 18-Punkte-Programm: Es ist hier positiv zu vermerken, dass auf unsere Forderung hin die Sanierung der Gemeindestraßen eingebaut worden ist – wohlgemerkt die Sanierung. Was ich aber nicht verstehe, ist, warum der Neubau, die Verlegung und die Instandhaltung nicht eingebaut worden sind. Es konnten uns auch heute die Minis­teriumsbeamten nicht erklären, warum das nicht eingebaut worden ist. Es sprechen weder Förderrichtlinien noch irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen dagegen. Das dürfte wohl den Grünen geschuldet sein, die ja einen anderen Zugang zu diesem Thema haben. Das ist dann natürlich in der Koalition schwer: Der Neubau einer Straße, der für uns eine lebensnotwendige Lebensader in unseren ländlichen Bereichen ist, ist für euch ein klimatechnisches Kapitalverbrechen, wie wir wissen.

Dabei sind Straßen notwendig, um etwa Kindertagesstätten, Senioreneinrichtungen, Sportstätten und Freizeitanlagen, deren Errichtung in diesem Programm sehr wohl enthalten ist, zu erreichen. Es ist komisch, dass man nicht versteht, dass die Leute auch dorthin kommen müssen, wenn man das errichtet. Andererseits leben bei uns auch viele Pendler, die mit ihrem Fahrzeug eben zum Arbeitsplatz fahren müssen. Daher ist es für uns selbstverständliche Realität, aber in Ihrem Paralleluniversum scheinbar gelebte Utopie.

Ein weiterer fehlender Punkt ist die Förderung der gemeindlichen touristischen Infra­struktur. Dabei ist diese vielerorts ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, auch in unse­rer Gemeinde beispielsweise.

Ebenfalls nicht enthalten ist – und das ist jetzt ganz toll – die Förderung der Nahversor­gung. Gerade in den letzten Monaten hat sich gezeigt, was die Nahversorgung eigentlich für einen Stellenwert in Österreich hat. Wie viel die Menschen im Bereich der Nah­versorgung gearbeitet und für uns geleistet haben, wird hier gerne sehr populistisch propagiert – heute waren die Bürgermeister die Helden des Alltags, damals waren es die Menschen, die in den Lebensmittelgeschäften gearbeitet haben –, aber man erkennt auch da wieder: Diese Bundesregierung darf man ja nicht an den Worten messen, sondern an den Taten, denn genau diese Nahversorgung ist jetzt in diesem Programm wieder nicht inkludiert. Das heißt, diese Nahversorgung ist dieser Regierung auch nichts wert, da gibt es nur leere Worthülsen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

Zusammenfassend kann ich Ihnen sagen: Wir hätten uns mehr erwartet, und wir erwar­ten uns nach wie vor mehr. Wir sind aber durchaus zuversichtlich, dass es vielleicht ähnlich wie bei den Coronamaßnahmen zu weiteren Adaptierungen kommen wird, denn seitens der Regierung hat man ja immer folgenden Zugang: Wenn die Opposition etwas fordert, sagt man einmal von Haus aus Nein, um dann draufzukommen, dass es eigentlich gescheit gewesen wäre. Dann nimmt man es an und setzt es halt so wie heute mit dem kommunalen Investitionspaket Monate später um.

Die Gemeinden und die Bevölkerung in unseren Gemeinden dürfen auf keinen Fall als finanziell Sterbende zurückgelassen werden! Es ist eine Pflicht, dass man auch in dieser Ausnahmesituation den Gemeinden beziehungsweise der Bevölkerung in den Gemeinden die anerkennende Wertschätzung entgegenbringt (Bundesrat Schennach: Tut er nicht!) und Unterstützung bei der Bewältigung dieser Ausnahmesituation, die diese Menschen in den letzten Monaten durchgemacht haben, leistet.

Daher: Herr Minister, übernehmen Sie endlich die Verantwortung auch für die Finanz­kraft der österreichischen Gemeinden! Derzeit nehmen Sie ja eine andere Rolle ein – ich werde das jetzt auf die Rhetorik Ihres Innenministers beschränken –: Derzeit sind Sie der größte „Lebensgefährder“ für Österreichs Gemeinden. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.07

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.