Antrittsansprache der Präsidentin

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen zu Hause! Wir Salzburgerinnen und Salzburger verlieren keine Zeit, wenn uns etwas wirklich wichtig ist. Gestern, am 1.7., übernahm das Land Salzburg den Vorsitz hier im Bundesrat – das Wappen des Landes ist angebracht –, und heute darf ich bereits meine Antrittsrede als Bundesratspräsidentin halten.

Zum Auftakt haben wir für gestern Abend – coronabedingt natürlich mit eingeschränkter Gästezahl, dafür bitte ich nochmals um Verständnis – junge Künstlerinnen und Künstler der Salzburger Festspiele eingeladen. Es war wirklich ein famoser Abend. Ich glaube, alle, die dabei waren, haben das sehr genossen, dass wir Kunst wirklich wieder einmal live hören konnten. Es war uns nämlich sehr, sehr wichtig, gerade in Zeiten wie diesen, jungen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit eines Auftritts zu geben und somit etwas für diese jungen Menschen zu tun. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Beginn bedanke ich mich bei dir, lieber Herr Landeshauptmann, und den Man­datarinnen und Mandataren des Salzburger Landtages für das Vertrauen, mich mit die­sem Amt zu betrauen, und ich bedanke mich natürlich beim scheidenden Präsidenten Robert Seeber sehr herzlich für seine Präsidentschaft. (Allgemeiner Beifall.)

Lieber Robert, deine Präsidentschaft war wirklich eine ganz besondere, geprägt von den Maßnahmen gegen die Coronapandemie. Das war eine herausfordernde Zeit, in der sich der Bundesrat unter deinem Vorsitz als verlässliche Stütze unseres parlamentarischen Systems bewährt hat. Wir hatten neun Sitzungen, sehr außergewöhnlich auch am Samstag und am Sonntag, und wir haben das wirklich gemeinsam sehr, sehr gut be­wältigt. – Vielen Dank, lieber Robert, dass du die Länderkammer so sicher durch diese unsichere Zeit geführt hast! Als kleines Dankeschön möchten wir dir ein Salzburger Schmankerlpaket überreichen, damit du dich jetzt ein bisschen erholen und genießen kannst. (Allgemeiner Beifall. – Eine Mitarbeiterin überreicht Bundesrat Seeber ein großes Geschenkpaket aus Holz. – Bundesrat Seeber: Danke! – Bundesrat Steiner: Teilen!)

Meine Präsidentschaft wird natürlich auch von Corona beeinflusst werden, wenn es auch derzeit danach aussieht, dass wir die geplanten Veranstaltungen, wie etwa die Enquete oder die Veranstaltung „Bundesrat im Bundesland“, durchführen können werden.

Das Motto meiner Präsidentschaft hat sich den neuen Gegebenheiten angepasst. Das Leitthema ist weiterhin der Masterplan ländlicher Raum. Der Salzburger Schwerpunkt wird dabei nicht nur in dem Bereich Kunst und Kultur liegen, sondern in der Kultur des Miteinanders.

Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, hat in Sachen Politik und Kultur gesagt: „Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“ – Genau das möchte ich in den nächsten sechs Monaten versuchen. Die Kultur des Miteinanders unter den Bürgerinnen und Bürgern, das gemeinsame Anpacken zum Überwinden der durch Corona verursachten Krise werden uns nämlich durch diese schwierige Zeit führen; davon bin ich zutiefst überzeugt.

Die Förderung der Regionalisierung ist daher für mich ein Gebot der Stunde, denn die letzten Monate der Coronakrise haben gezeigt: In den Gemeinden vor Ort weiß man am besten, wie die Probleme ihrer Bürgerinnen und Bürger zu lösen sind. Subsidiarität funktioniert also bis in die unterste Ebene. Wir haben von tollen Gemeinschaften gehört, von Aktionen in den Nachbarschaften, von Hilfe von Jung und Alt. Es war wirklich beeindruckend.

Homeoffice, Telearbeitsplätze sind effizient, gerade diese bieten vermehrt Chancen für Beschäftigte in den ländlichen Regionen.

Der Bezug von Lebensmitteln beim Nahversorger bringt neben Klimaschutz auch höhere Versorgungssicherheit. Ich würde mir wünschen, dass wir diesen Hype, den wir gehabt haben, beim Händler nebenan einzukaufen, beim Gemüsebauern einzukaufen, auch weiter beibehalten und dass auch für die Kasernen künftig wieder lokal eingekauft wird. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Salzburg hat in Bezug auf die Regionalisierung bereits Wegmarken gesetzt und treibt sie auch schon voran. Erstmals in der Geschichte der Landesverwaltung werden suk­zessive in größerem Umfang über 200 Arbeitsplätze des Landes Salzburg in die Bezirke verlegt; zum Beispiel – schon in Arbeit – das Landesabgabenamt nach Tamsweg, und die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung wird von der Stadt nach Seekirchen verlagert. Auch da gibt es schon sehr detaillierte Pläne, und es ist in Umsetzung.

Diesen Weg, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir weitergehen, weil Dezentralisierung ein starker Motor für sozialen Wandel ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Die Ansiedelung von Bundes- und Landeseinrichtungen in Regionen ist ein wirksames Instrument der Strukturpolitik. Dezentralisierung der Verwaltung stärkt die regionale Innovationsfähigkeit und steigert die Effizienz. Ich möchte da auch die kulturellen Ein­richtungen inkludieren. Unser Landeshauptmann hat sich bereits für die Errichtung eines Bundesfotomuseums in Salzburg engagiert; dieses Vorhaben ist nur zu unterstützen.

Wir haben im Dezember 2019 hier im Bundesrat einen Gesetzesantrag zur Dezen­tra­lisierung der Verwaltungsbehörden des Bundes beschlossen. Ich appelliere an die Ver­antwortlichen, dass diese Initiative auch im Nationalrat weiterverfolgt wird und am Ende ein Gesetz steht, das den ländlichen Raum nachhaltig zum Besseren verändert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben gehört, dass der ländliche Raum jährlich mehrere Tausend gut ausgebildete Personen pro Jahr an die großstädtischen Gebiete verliert. Gerade die Abwanderung von jungen Frauen macht mir da sehr, sehr große Sorgen, weil sich das natürlich auf das Sozial- und Wirtschaftsgefüge im ländlichen Raum besonders negativ auswirkt. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, Frauen generell zu fördern. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Das beginnt bei der Ausbildung – gerade Mädchen für Mint-Fächer zu begeistern wäre ein möglicher Weg –, führt zur weiteren Verbesserung der Kinder­be­treuungseinrichtungen und endet bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Auch das Thema Frauenpension muss mitbehandelt werden. Da gibt es noch viel zu tun, zumal die Nutzung von Netzwerken noch immer eine männliche Domäne ist, was besonders bei Berufsmöglichkeiten und Vorzugsstimmenwahlkämpfen zum Tragen kommt. Ich begrüße deshalb das Reißverschlusssystem bei Wahllisten und eine Quo­tenregelung. Wer Frauen fördern will, muss sich auch dazu bekennen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich möchte das Augenmerk auch auf die ältere Bevölkerung richten, ob sie nun auf dem Land oder in städtischen Gebieten beheimatet ist. Meine Vorgängerin Sonja Ledl-Rossmann hat sich bereits 2017 in einer Enquete im Bundesrat mit der Zukunft der Pflege auseinandergesetzt. Dieses Thema ist aber längst noch nicht erledigt und wird hier im Herbst weiter behandelt. Auch da war Salzburg mit seiner Pflegeplattform Vorreiter. 74 Millionen Euro werden in den Bereich Pflege und Betreuung investiert oder sind schon auf dem Weg. Eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, eine weitere Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige und ein Pflegebonus wären aus meiner Sicht weitere Schritte, um dieses wichtige Thema einer Lösung zuzuführen.

Das ländliche Miteinander wird wesentlich von der lokalen Kultur und dem Ehrenamt geprägt und gefördert. Von der dörflichen Blasmusik, den Brauchtumsgruppen, den Chören und den Galerien bis zum international geschätzten Opern- und Theaterfestival, von den Rettungsorganisationen und den Feuerwehren zu den Sportvereinen und den Jugend- und Seniorengemeinschaften – die Aufzählung ist natürlich nicht vollständig – bietet der ländliche Raum auch für die Stadtbevölkerung diesen Ort des Miteinanders.

Das Ehrenamt gibt gerade jenen, die in Pension gehen, die besten Möglichkeiten, weiterhin eine tragende Säule der Gesellschaft zu bleiben, in eine Gesellschaft ein­gegliedert zu werden, geistig und körperlich fit zu bleiben und ihr Leben weiterhin sinnvoll auszufüllen. Wir müssen also jene, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, fördern. In Salzburg gibt es bereits eine Landesstelle zur Unterstützung dieses Ehren­amts. Eine steuerliche Anerkennung ehrenamtlicher Tätigkeit wäre zudem ein deutliches Zeichen für mehr Fairness gegenüber jenen, die etwas für das Gemeinwohl tun.

Welche tragende Rolle das Miteinander jetzt und in Zukunft einnimmt, wollen wir im Rahmen einer Enquete – hoffentlich dann wieder möglich – am 4. November näher beleuchten. Dort werden wir uns mit der Kultur des Miteinanders in vielerlei Aspekten auseinandersetzen. Wir werden hören und darüber diskutieren, wie Zusammenarbeit auf nationaler und auf europäischer Ebene funktioniert und wie die Coronapandemie das Miteinander im Bildungswesen, in Kunst, Kultur, in Politik und Wirtschaft verändert hat und möglicherweise noch verändern wird.

Am 15. September möchte ich Sie alle nach Salzburg einladen, wo wir gemeinsam mit der Präsidentin des Salzburger Landtages und dem Salzburger Landtag zum Thema „Bundesrat im Bundesland“ zusammenkommen wollen.

Die nächsten sechs Monate werden auch von verschiedenen Jubiläen geprägt: 100 Jahre des Bestehens unserer Bundesverfassung möchte ich zum Anlass nehmen, um eine Diskussion darüber zu führen, wie Frauen die nächsten 100 Jahre unsere Geschichte prägen können. Im Oktober wird auch die Bundesversammlung zu diesem Jubiläum zusammenkommen. Auch unser Bundesrat wird 100 Jahre alt. Es wird einen Festakt mit einer Buchpräsentation im Dezember geben. Im Dezember werden wir – Bundesrat und Nationalrat – auch in einer gemeinsamen Sitzung des 75-jährigen Jubiläums der Re­publik gedenken.

Die Termine sind schon bekannt gegeben worden, und ich bitte euch wirklich um Teilnahme, sodass, wenn möglich, dann viele, viele Bundesrätinnen und Bundesräte bei diesen Veranstaltungen dabei sein werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die nächsten sechs Monate werden uns alle vor wirklich große Herausforderungen stellen. Wir wissen noch nicht, wie sich die gesundheitliche und wirtschaftliche Lage im Herbst entwickeln wird, aber wir wissen natürlich, dass der Herbst und auch die Zeit danach im wirtschaftlichen Bereich noch viele, viele An­strengungen von uns erfordert.

Damit schließt sich für mich nun der Kreis der Kultur des Miteinanders. Wenn wir Bundesrätinnen und Bundesräte miteinander diese Herausforderungen angehen, dann werden wir sie auch meistern.

Der Bundesrat wird nicht umsonst neben Europakammer auch Zukunftskammer ge­nannt. Themen wie Digitalisierung, Pflege, Schutz des Trinkwassers oder jetzt die Zukunft des ländlichen Raums haben uns schon beschäftigt, bevor andere darauf auf­merksam geworden sind. Darauf, dass wir immer abseits der Tagespolitik die Auf­merksamkeit auf Zukunftsthemen legen, die später in der einen oder anderen Form Eingang in Regierungs- oder Wahlprogramme oder in Gesetze, die dann beschlossen werden, finden, dürfen wir wirklich stolz sein. Das gelingt uns nur, weil wir hier im Bundesrat das Miteinander hochhalten. Um dieses Miteinander möchte ich Sie für die nächsten sechs Monate bitten.

Ich wünsche mir, dass wir den Parlamentarismus hier in diesem Hohen Haus sachlich, kritisch, inhaltlich fundiert und lebendig leben – mit gegenseitiger Wertschätzung und Respekt für die Meinung der anderen. Nutzen wir diese Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, um den Bundesrat weiterhin als aktive Länderkammer zu präsentieren und eine innovative Kraft im Hohen Haus zu sein! – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)