12.28

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss den sonst sehr gut disponierten Außenminister Schallenberg ausnahmsweise einmal korri­gieren, weil er meint, dass wir uns in einer Wirtschaftskrise befinden oder das Faktum Krise als Wirtschaftskrise zu bezeichnen ist. Ich muss ihn korrigieren, denn es ist eigentlich eine eindeutig politische Krise. Es ist eine klare politische Krise. (Beifall bei der FPÖ.)

Als ich vor Kurzem zu einer sehr gut organisierten Veranstaltung der Akademie der Wis­senschaften eingeladen war, hat der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Pro­fessor Zeilinger, in seiner Rede gesagt, es sei klar gewesen, dass eine Epidemie kommen werde – das war jedermann klar –, die Frage war nur: Wann? – Das ist für mich der beste Beweis dafür, dass es eindeutig eine politische Krise ist, weil die politischen Akteure versagt haben. Das ist aber nicht nur ein österreichisches Problem, sondern eigentlich ein weltweites.

Auf Österreichs Gesundheitssystem können wir wirklich stolz sein. Jeder zweite Euro aus dem Budget fließt in das Sozialsystem. Man könnte auch sagen, es ist völlig überteuert, aber die hohe Steuerbelastung unserer österreichischen Bevölkerung hätte einen Sinn haben können, wenn wir auf unser Gesundheitssystem vertraut hätten, was Bundeskanzler Kurz leider nicht getan hat. Er und seine Bundesregierung meinen, die Bilder aus Italien – und das sagt er ja dauernd, beziehungsweise die Regierung, nicht immer er ad personam – haben die Entscheidung für diesen viel zu langen Lockdown beeinflusst, sodass wir alle jetzt geschlossen – das ist ja keine Wirtschaftsdepression, das ist ja eine globale Depression – den Bach runtergehen. Da muss man fragen: Warum hat er dem Gesundheitssystem nicht vertraut? Warum hat er das nicht gemacht?

Wie hat Landeshauptmann Haslauer gesagt? – Wir dürfen uns keinen zweiten Lock­down leisten, denn das überleben wir nicht mehr, wir sind dann beschädigt. – Auch ihn muss ich da korrigieren: Wir sind bereits vom ersten Lockdown massiv beschädigt. Wir haben uns bei Weitem nicht erholt. Die Wirtschaft hat einen 20- bis 30-prozentigen Umsatzeinbruch und ist stabil unten, die ist stabil unten. Es weiß keiner, egal welchen Sektor man nimmt, wie man das Ganze wieder in die Gänge bringt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Die Regierung hat, glaube ich, auch nicht gewusst, was sie damit verursacht hat, welche Wirkung sie damit ausgelöst hat. Eine Woche hätte gereicht, von mir aus zehn, zwölf Tage, aber doch nicht vier Wochen, in manchen Branchen zwei Monate! Und was machen Sie jetzt, da die Infiziertenzahl höher ist als im März? – Nichts! Nichts, weil das ganze Pulver verschossen ist!

Die Kurzarbeit zeigt es ja. Das ist ja jetzt praktisch bereits die dritte Verlängerung der Kurzarbeit, bis in den Jänner hinein. Warum? – Diese Kurzarbeit kostet ein Milliarden­vermögen. Eine Million Österreicher in Kurzarbeit! Das Budgetdefizit wird nicht zum Aushalten sein. Dass Herr Bundesminister Blümel nervös ist, hat schon seine Ursachen, seine Berechtigung. Sie haben Angst, die Arbeitslosigkeit auszuweisen, deswegen stecken alle in Kurzarbeit. Wir hätten wahrscheinlich eine Million Arbeitslose, so unge­fähr bei 20, 25 Prozent, und das ist dann eine Krise, die enorm ist. Einmal muss man sie aber ausweisen, wenn die Wirtschaft nicht und nicht in die Gänge kommt. (Bundesrat Schennach: Hätte man die arbeitslos werden lassen sollen?)

Warum bringen Sie die Wirtschaft nicht endlich in die Gänge? Oder folgen Sie dem Modell Survival of the Fittest, einem brutalen Überlebenskampf? Wer überlebt, ist der Beste, der schafft es, und alle anderen sollen bankrottgehen und von irgendwelchen Großunternehmen oder Konzernen weltweit aufgekauft werden. – Das kann es doch nicht sein! Sie müssen doch an die Regionalität, an die Kleinstrukturiertheit der öster­reichischen Wirtschaft denken; die ist nicht mit der Internationalität der Großkonzerne zu vergleichen. Das ist ein speziell österreichisches Modell, und die Betriebe brauchen Hilfe, aber jetzt! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Finanzminister schreibt auf seiner Homepage zu Recht – ich glaube ihm ja wirklich, dass er das Ganze gut diagnostiziert, genauso wie es Harald Mahrer gut dia­gnostiziert, aber keine Medikamente verabreichen kann oder will –: Die Fremdfinan­zierungsstruktur in Österreich hat sich seit der Krise verdoppelt. – Das heißt, die Bankkredite für die Unternehmen sind doppelt so hoch, als sie vor der Krise, vor März waren. Das muss einem doch zu denken geben. Das heißt, die Unternehmen haben einfach kein Geld.

Der Minister meint, man könne stunden – ja, das ist löblich –, man kann durch eine 100-Prozent-Ausfallshaftung des Staates Kredite bekommen – ja, das ist löblich. Eines Tages muss man es aber zurückzahlen, und was bleibt dann über? – Nichts!

Auch der Verlustrücktrag, der soeben als Möglichkeit verlautbart wurde, ist eine gute Idee, ist aber auch der Not geschuldet, weil Sie genau wissen, dass die gestundeten Beträge ja eh keiner zurückzahlen kann; also kann man die Verluste, die jetzt entstehen, auf die Erträge der Jahre davor – 2018, 2019 ist angedacht – rückrechnen und sal­dieren. – Ja, das ist eine gute Lösung, natürlich, das ist das Mindestmaß. Warum aber erst nach drei Monaten? – Sie hätten die Verunsicherung schon längst zurückdrängen und der Unternehmerschaft schon längst Hoffnung geben können, wenn Sie das schon im Mai verlautbart hätten, so wie es die Deutschen ja auch getan haben. Deswegen hängen Sie sich ja immer an die Deutschen an, weil Sie gar nicht mehr wissen, wie es weitergeht.

Anreize sind zu schaffen, damit Eigenkapital mobilisiert wird. Die Österreicher sind ja nicht arm, das kann man nicht sagen, es liegen ja 380 oder 400 Milliarden Euro auf den Sparbüchern, mit den ganzen Stiftungen ist man wahrscheinlich irgendwo bei 1 Billion Euro; also die Österreicher sind ja aus ihrer Vergangenheit heraus nicht arm. Sie müssen dieses Geld aber freischaufeln, damit es irgendwie in die Unternehmen kommt, und das machen Sie nicht, aus welchen Gründen auch immer.

Masken und Schutzausrüstung: Das ist ein Versäumnis des Gesundheitsministers. Wenn er jetzt angesichts des Coronawahnsinns, was ich schon gar nicht mehr hören kann, eine Paranoia aufweist, dann ist das auch seinem – wie soll man sagen? – schlechten Gewissen geschuldet, dass er es verabsäumt hat, Schutzkleidung zu kaufen, Masken zu kaufen und auch die Ärzte zu schützen. Es hatten ja nicht nur die Geschäfte und die Gastronomie zu, es hatten ja auch die Ordinationen 14 Tage lang geschlossen. Als ich meinen Zahnarzt fragte, ihn zur Rede stellte, warum er eigentlich geschlossen hatte – angenommen, ich hätte ihn in dieser Zeit aus welchem Grund jetzt auch immer benötigt –, sagte er mir: Ich würde aufmachen, ich habe aber keine Schutzkleidung von der Ärztekammer bekommen! – Es war nichts bestellt, es hat nichts gegeben, und das ist ein Versäumnis des Gesundheitsministers. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Und der Ärztekammer!)

Ich bin schon gespannt, wie die Produktivität aussehen wird: 600 000 Arbeitslose, über eine Million in Kurzarbeit und der Rest in Homeoffice. – Homeoffice klingt cool, ist es aber nicht immer, ja; Präsenzoffice hat schon seine Vorteile. Wenn ich jetzt die 600 000 Staats­bediensteten abziehe, ist circa jeder 1,2te oder 1,3te nicht auf seinem Arbeitsplatz. – Na, das wird am Jahresende ein Rien-ne-va-plus werden, das schaue ich mir schon an! Auf die Rezession, auf das Budgetdefizit, auf die Firmenübernahmen, auf die Firmenpleiten bin ich schon gespannt!

Das Epidemiegesetz korrigieren Sie zum dritten oder vierten Mal, ich kann es gar nicht mehr nachzählen. Ja, Sie haben es ausgehebelt. Sie wissen schon, warum: Sie hätten das gar nicht bezahlen können, also Österreich hätte das nicht bezahlen können. Dass Österreich schwimmt, ist ja schon bekannt, da Österreich als erstes Land weltweit eine hundertjährige Anleihe mit 0,8 Prozent Verzinsung begeben hat. Also die Schulden, die jetzt entstehen, ziehen sich über 100 Jahre. – Na halleluja für die dritte Generation hier in Österreich!

Die Versäumnisse im Gesundheitsbereich, das mangelnde Vorhersehen, das Ignorieren der Warnungen haben diese Entscheidung zum Lockdown verursacht, das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit wurde weggenommen – auch deswegen ist es eine politische Krise und keine wirtschaftliche –, und in die Selbstorganisationskraft der Menschen hat die Regierung eingegriffen. Weil Sie nicht wissen, wie dieses Wirtschaftssystem funktioniert, können Sie es mit Ihren Entscheidungen auch nicht hochfahren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Ganz vergessen, Wien zu kritisieren! – Bundesrätin Mühlwerth: Das nächste Mal dann!)

12.37

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile dieses.