20.23

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Die Wochen und Monate seit Mitte März haben uns gezeigt, dass Versorgungssicherheit einen neuen Stellenwert in unserer Gesellschaft, eine neue Wertigkeit erhalten hat. Das betrifft die Versorgungssicherheit mit Energie, die Versorgungssicherheit mit Medika­menten und mit Medizinprodukten, aber auch die Versorgungssicherheit mit Lebens­mitteln.

Die heimische Landwirtschaft hat gezeigt, dass sie auch in einer Krise unsere Gesell­schaft regional mit Lebensmitteln versorgen kann, die Versorgung war zu keiner Zeit gefährdet. Genau zu dieser Versorgungssicherheit haben wir heute zwei Vorlagen zu beschließen, nämlich das Futtermittelgesetz und das Pflanzenschutzmittelgesetz. Im Futtermittel­gesetz ist eine Modernisierung der Abwicklung vorgesehen, denn EDV und Digitalisierung sollen stärker zur Anwendung kommen und die Papierform damit in den Hintergrund gedrängt werden, damit die Arbeit der AMA und der Ages, der Agentur für Ernährungssicherheit, erleichtert wird. Im Pflanzenschutzmittelgesetz geht es um eine Klärung der Kompetenzen zwischen der Europäischen Union, dem Bund und den Ländern, damit Ausbringung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln eindeutig in der Kompetenz der Länder geregelt sind.

Geschätzte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Versorgungssicherheit ist aber untrennbar mit Pflanzenschutz verbunden. Wenn wir sichere Nahrungsmittel haben wollen und auch sicher versorgt sein wollen, dann müssen wir als Landwirte die Möglichkeit haben – ich sage das auch als aktiver Biobauer –, dass wir, wenn Pflanzen­schädlinge auftreten, diese auch bekämpfen können und ihnen entgegenwirken können, wenn Konkurrenzpflanzen am Acker sind, diese auch hintanhalten können, und auch wenn Pflanzen von Pilzen oder Krankheitserregern befallen sind, muss es entsprechende Möglichkeiten geben.

Es ist gut, wenn wir, die Gesellschaft, uns kritisch mit dem Pflanzenschutz auseinan­dersetzen, aber wir sollten diese Kritik sachlich, fachlich und vor allem wissenschafts­basiert üben. Wir kennen das Thema ebenso bei den Medikamenten: Niemand wird infrage stellen, dass wir, wenn jemand krank ist, Medikamente anwenden dürfen.

Wer am gestrigen Tag im EU-Ausschuss war, der weiß, dass wir dort das Thema hatten, dass Gentechnikfreiheit plötzlich nicht mehr das wesentliche Thema ist, wenn wir schnell ein Mittel gegen Corona entwickeln wollen. Dann verzichten wir, der Geschwindigkeit geschuldet, lieber auf dieses Asset Gentechnikfreiheit. Das ist sicher auch gut so (Bun­desrätin Schumann: Das als Biobauer!), aber ich möchte nur zeigen, dass es da fließende Grenzen gibt.

Darum darf und möchte ich Sie alle, euch alle einladen, zu versuchen, eine geregelte, eine geordnete Diskussion über Pflanzenschutzmittel zu führen, weil Ernährungssicher­heit eben Pflanzenschutz braucht. Damit darf ich auf den Entschließungsantrag des Kollegen Schererbauer eingehen, der eigentlich ein Entschließungsantrag des National­ratsabgeordneten Schmiedlechner ist, der in meinem Bezirk zu Hause ist, dort auch als Kammerrat bei der Kammerwahl am 1. März gewählt wurde, aber leider Gottes nicht einmal mehr zur Angelobung in die Bezirksbauernkammer gekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Der Entschließungsantrag möchte eine klare Kennzeichnung von glyphosathältigen Lebensmitteln in Österreich. Das ist ein durchaus guter Vorschlag, wenn er oberflächlich betrachtet wird. Es ist genau das Thema Glyphosat, das in Österreich sehr populistisch – das wurde von den NGOs betrieben – behandelt wird, wobei mir aber sehr oft die Fachlichkeit und die Sachlichkeit fehlen.

Was ist Glyphosat? – Glyphosat ist ein chemisch-synthetischer Wirkstoff, der ein be­stimmtes Enzym in der Pflanze blockiert und sie so vernichtet. Das heißt, alles, was grün ist, wird vernichtet (Ruf bei der FPÖ: Schlecht für den Koalitionspartner!), aber da gibt es relativ wenig Rückstände. Zu Glyphosat und Gentechnik: Frau Kollegin Prischl hat darauf hingewiesen, dass in Nord- und Südamerika gentechnikveränderte Pflanzen – Mais, Soja – gezüchtet werden, die glyphosatresistent sind und dass Anbauflächen sehr großflächig, teilweise vom Flugzeug aus, mit Glyphosat behandelt werden. Erstens gibt es ein klares gesellschaftliches Bekenntnis, dass in Österreich Gentechnik nicht ange­wendet wird, also gibt es in Österreich keine gentechnisch resistenten Pflanzen gegen Glyphosat. Das heißt, diese großflächige Anwendung von Glyphosat, wie sie in anderen Ländern durchgeführt wird, gibt es in Österreich nicht. In Österreich werden nur Grün­düngungspflanzen, Bodenbedeckungspflanzen, Pflanzen, die zum Schutz vor Erosion des Bodens verwendet werden, mit Glyphosat behandelt, das sind 9 Prozent der öster­reichischen Ackerfläche. Keine, wirklich keine Kulturpflanze – ob es eine Nahrungsmit­tel­pflanze oder eine Futtermittelpflanze ist – kommt in Österreich mit Glyphosat in Be­rührung.

Damit ist Glyphosat ein Mittel, das von einem kleinen Teil der österreichischen Landwirt­schaft benötigt wird, um Bodenschutz, um Erosionsschutz zu betreiben, da es manchmal aufwändiger wäre, zu pflügen und den Boden mechanisch zu bearbeiten, als mit einem relativ ungiftigen Mittel Erosion zu bekämpfen. (Bundesrätin Schumann: Relativ ungif­tig!) – Relativ ungiftig, ja, das kann ich Ihnen sagen. Es gibt dazu wissenschaftliche Studien, und zwar hat die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit, die Ages, Glyphosat als nicht krebserregend eingeschätzt, die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit, die Efsa (Zwischenruf des Bundesrates Rösch), die Europäische Che­mikalienagentur, die US-Umweltbehörde sowie die Behörden aus Australien, Japan und Neuseeland sagen: Glyphosat gehört nicht zu den extrem schädlichen und extrem risikoreichen Substanzen. (Bundesrätin Schumann: Nicht extrem, aber doch schäd­lich! Ruf bei der SPÖ: ... Bienensterben!)

Nein, das Risiko durch Glyphosat für Bioorganismen, bestäubende Insekten und Vögel bewertet die Ages als gering. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ohne Glyphosat der Einsatz anderer Herbizide notwendig wäre, die auch nur auf bestimmte Arten von Unkräutern einwirken und oft giftiger als Glyphosat sind. Wir müssen mit Pflanzenschutz in der österreichischen Landwirtschaft vorsichtig und sparsam umgehen, sich aber nur auf Glyphosat zu fokussieren, das ist, glaube ich, nicht der richtige Ansatz. Glyphosat wird sicher noch lange in Diskussion sein, es wird weltweit eingesetzt, aber, wie gesagt, nicht in Österreich.

Damit komme ich zum Antrag, Herr Kollege Schererbauer: Eine klare Kennzeichnung ist es, wenn österreichisches Lebensmittel draufsteht (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), denn dann ist sicher kein Glyphosat drinnen. Also wenn Sie eine Kennzeichnung von glyphosathaltigen Lebensmitteln fordern, dann kaufen Sie österreichische Lebensmittel, die sind klar gekennzeichnet! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Daher, glaube ich, ist es wichtig, als Konsument für heimische, für öster­reichi­sche Lebensmittel einzutreten, dann erhält man das, was man will, nämlich glypho­satfreie Lebensmittel. Wenn man es noch besser will, kauft man biologische Lebens­mittel, die ja angeboten werden, allerdings in einem höheren Maß angeboten als gekauft werden. Ich darf auch da die Konsumenten einladen, sich am Ladentisch entsprechend zu positionieren und die Kaufentscheidung zu treffen.

Der Niederösterreichische Bauernbund fordert, die Versorgung mit heimischen Lebens­mitteln in der Verfassung festzuschreiben. Ich glaube, das wäre ein guter Ansatz, über den wir alle gemeinsam nachdenken sollten: heimische Lebensmittel, die für dich da sind, die für alle da sind und vor allem für Österreich da sind. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

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