11.01

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe beziehungsweise wir haben hier heute schon sehr viel gehört. Ich möchte jetzt zum Schluss noch sagen: Die 450 Euro gelten von Mai bis Au­gust. Was aber machen wir mit den Menschen, die schon im März und bis April arbeitslos waren? Diese Personen bekommen nämlich gar nichts von den 450 Euro! – Das ist einmal ein Punkt. Das wollen wir einfach nicht verstehen!

Kollegin Eder hat die Frage in den Raum gestellt, was die SPÖ früher gemacht hat. – Ich möchte darauf hinweisen, dass die SPÖ mit der ÖVP in einer Koalition war und dass es dort Bremser gegeben hat, damit wir das Arbeitslosengeld nicht erhöhen. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Verweildauer betrug damals 90 Tage, jetzt haben wir schon 181 Tage Verweildauer in der Arbeitslosigkeit! Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Regierung lässt die Arbeitslosen im Regen stehen. So kann man Ihre Politik leider in Worten zusammenfassen. Insgesamt gibt es viele Maßnahmen, die verschiede­ne Gruppen mit Geld in Milliardenhöhe unterstützen. Wir haben auch gestern darüber gesprochen. So gibt es zum Beispiel für die Land- und Forstwirtschaft Beträge von 3 600 Euro und für Unternehmen gibt es knappe 36 000 Euro. Dagegen haben wir nichts. Ich bin Sozialpartner, und wir müssen darauf achten, dass auch die Betriebe Geld bekommen, überhaupt kein Problem! Dass aber sieben Millionen Menschen, die in Ös­terreich leben, nämlich die PensionistInnen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, in den nächsten vier Jahren nur 1 100 Euro bekommen, das ist uns einfach zu we­nig! (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich glaube, darüber brauchen wir nicht viel zu disku­tieren. 450 Euro Arbeitslosengelderhöhung, wenn wir 55 Prozent Nettoersatzrate haben: Wie soll sich das in Wirklichkeit ausgehen? Ich habe das schon einmal hier am Redner­pult gesagt: Wenn die meisten, bevor sie im Zuge der Coronakrise arbeitslos geworden sind, zwischen 1 500 und 1 800 Euro netto – ob sie nun in Fabriken oder im Gastge­werbe gearbeitet haben – verdient haben und jetzt mit 990 Euro leben müssen: Kann sich jemand hier herinnen vorstellen, was es bedeutet, mit der Hälfte des Gehaltes auskommen zu müssen? – Das ist ein riesengroßes Problem für die Arbeitslosen, und deshalb muss das einfach erhöht werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen müssen wir die Nettoersatzrate von 55 auf 70 Prozent erhöhen. Das sagen wir nicht, damit die Leute mehr Geld haben, sondern damit die Konjunktur belebt wird. Es hilft uns nichts, wenn wir den Arbeitslosen kein Geld geben. Deren Zahl wächst, es werden immer mehr. Schauen wir uns im Herbst an, was sich da im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit abspielen wird! Jeder hier herinnen weiß, dass im Herbst viele Be­triebe wahrscheinlich zusperren werden, dass viele Betriebe - - (Bundesrat Steiner: Die Regierung weiß das nicht!) – Ja. Viele Betriebe werden im Herbst zusperren und einfach nicht mehr aufsperren können, weil das nicht mehr geht. Und was bedeutet es, wenn sie zusperren? – Das bedeutet, dass wir noch mehr Arbeitslosigkeit haben und sich die Leu­te noch weniger werden leisten können! Wer aber ist der Motor, damit die Konjunktur in die Höhe geht? – Das sind nicht drei Unternehmer, sondern die sieben Millionen Men­schen, die tagtäglich einkaufen gehen! So schaut die Wahrheit aus. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb werden wir nicht müde werden, zu fordern, dass die Nettoersatzrate auf 70 Pro­zent erhöht wird. Das wäre jetzt die richtige Maßnahme. Machen wir das! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Gferer.)

Über Jugendarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit von Lehrlingen ist auch in der Aktuellen Stunde gesprochen worden; ich wollte mich schon zu Wort melden. Ich kann euch nur sagen, wie die Wahrheit ausschaut: Ich komme aus einem Betrieb mit 2 700 Leuten. (Bundesrat Steiner: Die wählen aber nicht alle die SPÖ!) Ich bin dort Zentralbetriebsrat. Wir nehmen jedes Jahr Lehrlinge auf. (Zwischenruf des Bundesrates Gferer.) Ich sage euch: Wir nehmen Lehrlinge auf. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Passt auf! 450 Ansuchen kommen jährlich zu uns, und wisst ihr, wie viele Lehrlinge wir aufneh­men? – 20. Was geschieht mit den anderen 430 Lehrlingen? Jetzt soll mir niemand sa­gen, dass diese im nächsten Betrieb anfangen können. Das funktioniert einfach nicht. Deshalb gehören Lehrlingsprogramme her! Wir müssen die überbetrieblichen Lehrwerk­stätten forcieren, wir müssen schauen, dass diese jungen Menschen in Ausbildung kom­men, denn es ist immer schlecht, wenn sie ein Jahr Wartezeit haben, während der sie nichts tun können. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Kaltenegger.)

Ich weiß, dass ihr euch aufregt, aber es ist einfach so! Man muss damit leben. Momentan haben wir dieses riesengroße Problem. Ich kann mich noch erinnern, dass Bundeskanz­ler Kurz gesagt hat: „Koste es, was es wolle“, keiner darf zurückbleiben! – Die Jugend­lichen, die Arbeitslosen und alle anderen bleiben aber zurück. Was soll das? In Wirklich­keit muss man jetzt etwas dagegen tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlings­garantie in Zeiten von Corona“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ein umfassendes Paket zur Bekämpfung und Vermeidung von Ju­gendarbeitslosigkeit vorzulegen, das allen Jugendlichen, die im Herbst eine Lehre star­ten möchten und in der Wirtschaft aufgrund der Corona-Krise keinen Platz finden, einen entsprechenden Lehrplatz – in Kooperation mit den Ländern – in überbetrieblichen Lehr­werkstätten bzw. direkt bei der öffentlichen Hand garantiert. Dazu muss das AMS mit den entsprechenden finanziellen Mitteln für zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen aus­gestattet werden. Zudem muss das AMS Personal entsprechend aufgestockt werden.

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Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

11.07

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Horst Schach­ner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Lehrlings­garantie in Zeiten von Corona“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Kollegin.