14.15

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit einem Foto von vier Kindern mit Mund-Nasen-Schutz und darunter dem Schriftzug: „Das Ende des Lachens, das Ende des Kindhaften.“, die anfänglich immer wieder auf die vor der Rednerin befindliche Plexiglasscheibe kippt, auf das Rednerpult. – Ruf bei der ÖVP: Ist eh kein Fernsehen da!) Ja, liebe Kollegen von der ÖVP, solche Taferl sind leider notwendig geworden.

Seit einem halben Jahr versetzen Sie das Land in Angst und Schrecken. Wie wir herausbekommen haben, war es von der ÖVP ja durchaus beabsichtigt, den Leuten so viel Angst zu machen, dass man alle Maßnahmen ohne jedes Problem durchbekommt, weil sich die Menschen einfach fürchten, denn Angst ist etwas völlig Irrationales. Das ist nichts, was man steuern kann, dem ist auch nicht mit Argumenten beizukommen, sondern die Furcht ist einfach da und die kann man den Menschen nur sehr schwer nehmen.

Bei all Ihren Verordnungen, die Sie da gemacht haben, haben Sie geschlampt wie sonst was – der Verfassungsgerichtshof musste Teile davon ja wieder aufheben. Das war nicht allein dem Umstand geschuldet, dass man vor einer neuen Situation stand und in der Eile natürlich Fehler passieren können – das ist ja etwas, wofür wir Verständnis gehabt hätten –, sondern da ist einfach nicht richtig, unseriös und zum Teil auch mit Unwissen gearbeitet worden. (Beifall bei der FPÖ.) Dabei haben Sie überhaupt kein Problem damit gehabt, massivst in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger dieses Landes einzu­greifen.

Niemand sagt, dass das jetzt eine Krankheit ist, die wie eine Verkühlung funktioniert, dass sie nicht ernst zu nehmen ist, dass sie nicht ansteckend ist, es stellt sich jedoch immer die Frage der Verhältnismäßigkeit. Und auch wenn Sie immer sagen, man könne das nicht mit der Grippe vergleichen, sage ich: Doch, man kann es schon mit der Grippe vergleichen – nicht zu 100 Prozent, aber man kann es sehr wohl auch mit einer Grippe vergleichen. Es gibt nämlich auch bei der Grippe sehr schwere Verläufe, es gibt auch bei der Grippe Langzeitschäden und es gibt Leute, die Herzrhythmusstörungen bekom­men haben, Herzmuskelentzündungen, die zum Teil blind wurden. Ich kenne sogar Leute, die über einen gewissen Zeitraum wirklich massive Schäden gehabt haben.

Trotzdem sage ich Ihnen jetzt etwas zum Vergleich: 2017/18 hatten wir ein recht schweres Grippejahr mit 281 000 registrierten Fällen; daran gestorben sind 2 851 Men­schen. Covid-19, 2020, Stand 24.9.: 40 914 Fälle und 777 Tote. Und sagen Sie mir jetzt nicht, das ist allein dem Umstand geschuldet, dass wir so restriktive Maßnahmen getroffen haben. Da sind sich nämlich die Experten ich will jetzt nicht sagen: nicht einig, aber es gibt Experten, die eine andere Sichtweise der Dinge haben, und zwar aufgrund von Fakten – und Fakten, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und von den Grünen, haben Sie uns nie geliefert.

Sie liefern uns zwar über die Medien, die da brav mitspielen, jeden Tag betreffend Corona die Zahlen der Neuinfizierten, der Genesenen, der Gestorbenen – das kriegen wir schon zum Frühstück, bevor wir noch den ersten Kaffee getrunken haben, serviert, und es versetzt ja die Leute auch in Panik, jeden Tag diese Zahlen vorgelegt zu bekommen –, aber es ist kein einziges Mal in der Öffentlichkeit kommuniziert worden, auf welcher Fakten- und Datenbasis Ihre Entscheidungen getroffen wurden.

Stattdessen haben Sie das gemacht, was der Bundeskanzler immer macht – der Gesundheitsminister übrigens genauso –: Eine Pressekonferenz jagt die nächste, und da wird verkündet, was das Parlament als Nächstes zu beschließen hat. Wir reden ja jetzt nicht davon, dass das Parlament da vorher eingebunden ist, sondern das wird quasi so abgewickelt: Kaiser Kurz verkündet in der Pressekonferenz, was passieren wird, und das Parlament hat das gefälligst abzunicken.

Was Sie bei all diesen Fällen auch immer verschwiegen oder nur am Rande erwähnt haben: Es sind da ja auch Zahlen vermengt worden von Menschen, die an Covid gestorben sind, und Menschen, die mit Covid gestorben sind. Es sind Menschen mit Covid gestorben, die massivste Vorerkrankungen hatten, die an die 80 oder darüber waren!

Man hat sich nicht die Mühe gemacht, zu unterscheiden. Auch Experten aus Deutsch­land – es gibt ja nicht nur Herrn Drosten – wie Herr Streeck haben gesagt, man müsse da schon unterscheiden, ob die jetzt am Corona oder mit dem Corona gestorben sind, das sei schon ein Unterschied. – Den haben Sie aber nicht beachtet.

Übrigens sind auch unter den Jungen, die gestorben sind, welche, die Vorerkrankungen hatten, die nur scheinbar gesund waren. Ein Hamburger Pathologe hat sich die Mühe gemacht und alle untersucht und hat festgestellt: Es sind alle mit dem Covid und nicht am Covid gestorben. Also sollte man den Leuten das nicht so suggerieren wie hier (auf die auf den Bankreihen aufgestellten Glastrennwände weisend): Wenn wir jetzt nicht diese Abteile hätten – weshalb wir da jetzt wie in einer Legebatterie sitzen –, würden wir schon fast sterben! So kommunizieren Sie es aber und so kommt es bei den Menschen auch an, und darum haben die Menschen auch solche Angst davor, dass sie selbst dann schon infiziert werden, wenn irgendjemand auch nur in ihre Nähe kommt. – Das stimmt einfach nicht!

Sie haben in Kauf genommen, ein Land in Grund und Boden zu fahren. Wir haben eine Höchstrekordzahl an Arbeitslosen, die Leute sind im Homeoffice, obwohl sie es vielleicht gar nicht wollen. Wir haben Tausende in Kurzarbeit, und es ist nicht absehbar, wann das zu Ende sein wird, es ist nicht absehbar, ob sie nicht demnächst gekündigt werden. Bei den großen Unternehmen sehen wir es ja schon: Ein renommiertes Hotel wie das Sacher muss 140 Mitarbeiter kündigen, MAN kündigt fast 1 000, Swarovski kündigt an die 1 000 Mitarbeiter. Und das sind alles Einzelschicksale, es ist nicht so, dass man sagt: Gut, den können wir nicht mehr zahlen, der muss halt weg!, wie das vielleicht der eine oder andere von Ihnen sehen möchte, sondern das sind Menschen, da sind Existenzen gefährdet, da sind Familien gefährdet! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben den Eltern aufgezwungen, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten. Manche können das. Es gibt welche, die haben eine gewisse pädagogische Begabung mitbe­kommen, es gibt auch welche, die besser situiert sind, die gebildeter sind, die sich ein bissel leichter tun. Ein Freund von mir – aber nicht aus Wien, sondern aus Nieder­österreich – hat zu mir gesagt: Eigentlich eh gut, dass es das Homeschooling gegeben hat, endlich haben meine Kinder einmal etwas gelernt! – Das sollte Ihnen übrigens auch einmal zu denken geben, wenn Eltern der Meinung sind, dass ihre Kinder in der Schule zu wenig lernen. Aber viele, viele Eltern waren mit diesem Homeschooling oder mit dem Daheim-Unterrichten – mir gefällt ja der deutsche Ausdruck besser – schwerst überfordert, weil sie daneben ja auch noch ihre Arbeit tun mussten. Ich kenne viele – und die werden Sie auch kennen –, die gesagt haben: Ich setze mich um 6 Uhr in der Früh hin, dann muss ich mit meinen Kindern lernen, und das nächste Mal setze ich mich dann am Abend wieder hin, wenn die Kinder schon im Bett sind, denn da kann ich dann in Ruhe arbeiten. – Das ist kein Lebenszustand und solch ein Lebenszustand ist mit nichts zu rechtfertigen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt gerade wird die Gastronomie, die eh schon schwer zu tragen hat, noch einmal ein bissel vernichtet. Was glauben Sie denn, was passieren wird? Im Westen gilt die Sperr­stunde ab 22 Uhr. Was glauben Sie, wohin sich das verlagert? Sie glauben allen Ernstes, dass Sie die jungen Leute davon abhalten können, sich dann irgendwo anders zu treffen? Und dann kommt vielleicht das – es steht im Raum –, wozu Sie ja in der Natio­nalratssitzung noch gesagt haben: niemals im privaten Wohnbereich! – So wie Sie seit einem halben Jahr verfahren, unterstelle ich Ihnen, dass das das Nächste sein wird, das Sie machen: zu den Leuten nach Hause gehen, um die privaten Coronapartys aufzu­lösen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nebenbei – oder nicht nebenbei, sondern eigentlich schändlich – haben Sie dann auch mit all diesen Maßnahmen, die ja so wichtig für die Bevölkerung sind, denn Eigen­verant­wortung so wie in Schweden gibt es ja bei uns nicht – das können wir offensichtlich nicht oder Sie trauen es der Bevölkerung nicht zu –, billigend in Kauf genommen, dass Operationen nicht stattgefunden haben (Bundesrat Rösch: Richtig! Bis heute!), wichtige Operationen verschoben worden sind, Behandlungen nicht durchgeführt worden sind, Chemotherapien nicht stattgefunden haben, weshalb Leute auch gestorben sind. Ist das jetzt für Sie so etwas wie ein Kollateralschaden oder wie würden Sie das bezeichnen, dass diese Menschen nicht mehr die notwendige medizinische Behandlung bekommen? (Beifall bei der FPÖ.)

Wie eingangs schon erwähnt: Das Parlament ist für Sie nur noch ein Erfüllungsgehilfe. Wie gesagt: Kaiser Kurz hält eine Pressekonferenz ab, kündigt die Maßnahmen an, und das Parlament hat sie abzunicken. Dazu sage ich Ihnen: Mit uns, sehr geehrte Da­men und Herren, nicht! Meine Vorfahren haben nicht 1848 für Pressefreiheit und Demokratie – damals gemeinsam mit den Sozialdemokraten, mit der Arbeiterschaft – gekämpft, damit Sie das jetzt mit einem Federstrich vernichten. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu sage ich Ihnen – weil im Nationalrat Frau Präsidentin Bures zu unserem Klub­obmann Kickl gesagt hat, dass er die Würde des Hauses verletze –: Der Umgang mit dem Parlament verletzt die Würde dieses Hauses, nicht eine pointierte Rede von Herbert Kickl. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Es ist ein Metternich’scher Überwachungsstaat, den Sie da jetzt weitertransportieren – wobei mir nicht klar ist, warum die SPÖ da unbedingt mitstimmt, aber vielleicht haben Sie sich mit den Koalitionsparteien irgendetwas ausgemacht; ich verstehe diese Haltung überhaupt nicht, es ist nicht das, was Rendi-Wagner gesagt hat, nämlich: verant­wor­tungsbewusst, weil man das Gesetz reparieren muss –, Sie machen einem Metter­nich’schen Überwachungsstaat die Mauer. Das müssen Sie mit Ihrem Gewissen ausmachen, aber ich darf sagen, ich finde es zumindest merkwürdig. Unsere Zustim­mung zu diesem massiven Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte der Bürger wird es jedenfalls nicht geben! (Beifall bei der FPÖ.)

14.27

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.