14.54

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allen Dingen liebe ZuseherInnen und ZuhörerInnen! Zuerst möchte ich aus ganzem Herzen sagen, dass die SPÖ-Bundesratsfraktion um Walter Strutzenberger trauert. Walter war von 1982 bis 1995 für die Wiener Sozialdemokratie im Bundesrat vertreten. Er war sehr lange Vizepräsident des Bundesrates und er war mit voller Begeisterung Gewerkschafter – seine Gewerkschaft war die Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Wir haben Walter Strutzenberger am 11. September die letzte Ehre erwiesen und wir werden ihn in bester und freundschaftlicher Erinnerung behalten. – Vielen Dank.

Nun zur Sache: Wir befinden uns in der größten Gesundheitskrise Österreichs seit 100 Jahren, und was wir feststellen und was uns so unglaubliche Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass ein derartiges Chaos herrscht. Herr Bundesminister, ich muss Ihnen sagen, wir haben jetzt eine Situation, in der sich die Menschen einfach nicht mehr aus­kennen: Was gilt jetzt, was gilt nicht? Welche Regelung gilt, welche gilt nicht? Auf der einen Seite sagt der Kanzler, es sei alles in Ordnung, wenig später kündigt er an: Die nächste Welle wird kommen! Er sagt, es werde im Jänner einen Impfstoff geben, bald darauf heißt es: Nein, doch nicht, einen Impfstoff gibt es Mitte nächsten Jahres. Er sagt, der nächste Sommer werde wieder ein normaler sein, aber bald darauf gesteht man ein: Nein, wir wissen es nicht. – All das sind zu viele Verunsicherungen.

Was uns besonders leidtut, ist, dass dieses doch ausgezeichnete Instrument der Ampel jetzt so sehr ad absurdum geführt wurde. Die Ampel war bisher gesetzlich nicht veran­kert, und es kennt sich wirklich niemand mehr aus: Welche Farbe gilt jetzt wofür? Warum wird welche Farbe in welcher Region eingesetzt? – All das verbreitet nur Unsicherheit und gibt all jenen, die mit dieser Pandemiesituation Scharlatanerie betreiben, Aufwind. Ich glaube, das ist nicht richtig und das ist nicht gut. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben den Sommer leider nicht genützt. Es versteht auch niemand, warum all diese Maßnahmen, die es jetzt gibt, nicht in Einheit gesehen werden. Die einzige Erklärung, die einem einfällt, ist, dass es zu intrakoalitionären Spannungen kommt und dass sich halt die Regierungspartner nicht so wirklich gut verstehen, dass es Eifersüchteleien gibt. Aber ganz ehrlich: Dieses interne politische Hickhack auf Kosten der Bevölkerung in dieser schwierigen Zeit kann man doch wirklich nicht wollen, das kann doch nicht Sinn der Sache sein! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Pisec: Es ist eher Ahnungslosigkeit!)

Für uns gilt nun: Wir werden dem Gesetz zustimmen, und wir werden deshalb zustim­men, weil uns wichtig war, dass dieses Chaos ein Ende findet. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist aber in die Verlängerung gegangen!) Wir haben uns ganz intensiv in die Verhandlungen und in die Verbesserung dieses Gesetzes eingebracht. Wir stellen heute mit diesem Gesetzesbeschluss die Ampel auf gesetzliche Beine – das ist der erste Punkt. Wir haben vielen Schärfen dieses Gesetzes die Zähne gezogen – und wir haben vonseiten der Experten, die sich alle dazu geäußert haben, keine verfassungsrechtlichen Bedenken mehr gehört. Das sind Punkte, die uns wichtig sind. Der Schutz des privaten Wohnraums gegen Zugriffe von Behörden ebenso wie grundrechtsschonende Regeln bei Betretungsverboten und Ausgangssperren wurden durchgesetzt, das Parlament wird eingebunden, und es gibt eine Befristung. Wir gehen davon aus, dass es eine Verlän­gerung gar nicht brauchen wird, weil der Kanzler gesagt hat, der nächste Sommer werde ein anderer und werde ein normaler sein. Davon können wir ausgehen und wollen wir ausgehen. (Bundesrat Ofner: Das glaubts alles, ...? – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Und: Es gibt Transparenz bei der Ampel, weil die Empfehlungen der Kommission nun mit wesentlichen Begründungen veröffentlicht werden müssen.

Der zweite Punkt, der uns so sehr am Herzen liegt, ist natürlich die Situation der Men­schen in Österreich, die hier arbeiten oder jetzt vielleicht keine Arbeit haben. Über 400 000 Men­schen sind arbeitslos, mehr als 300 000 Menschen sind in Kurzarbeit! Dieses Modell der Kurzarbeit ist wirklich ein Spitzenmodell der Sozialpartner, weil sie es geschafft haben, damit viele Arbeitsplätze zu retten, aber wir gehen in die dritte Phase der Kurzarbeit, und auch da muss klar sein: Die Menschen haben einfach weniger Geld im Geldbörsel! Das ist eine Tatsache. Und: Die Arbeitslosen haben bisher noch immer keine Erhöhung des Arbeitslosengeldes erhalten. Dazu wäre es längst an der Zeit, und das fordern wir mit aller Vehemenz. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Einmalzahlung war ein Tropfen auf den heißen Stein, und ich darf Ihnen dazu sagen: Die Hälfte aller Arbeitslosen hat nichts davon gehabt, weil sie nicht anspruchsberechtigt waren oder es ihnen gepfändet wurde. So geht es nicht! Wir brauchen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes.

Und: Wir brauchen endlich den Coronatausender! Ja um Himmels willen, die haben alle so toll gearbeitet, all jene in den systemerhaltenden Berufen haben das Land am Laufen gehalten, haben sich eingesetzt, haben sich der Ansteckungsgefahr ausgesetzt – und bis heute gibt es keine Anerkennung außer ein liebliches Klatschen und ein Zurufen: Das habt ihr aber wirklich toll gemacht! – Im Geldbörsel spüren sie es bis heute nicht, und das kann es doch nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Wirtschaft beginnt massiven Schaden zu nehmen, auch das sehen wir: MAN mit 2 300 Menschen, die zur Kündigung angemeldet sind, FACC, Swarovski, Mayr-Melnhof, ATB – ich kann gar nicht alle aufzählen, die jetzt gesagt haben, sie werden Menschen entlassen. Das ist ein ganz furchtbarer Zustand, denn es geht ja nicht darum, Zahlen zu sammeln, sondern es hängen ja immer Schicksale einzelner Personen dran, da hängen Familien dran, da hängt das eigene Einkommen dran, da hängen Kredite dran, was auch immer.

Das ist eine ganz, ganz schwierige Situation, und ich muss schon sagen: Wirklich gegengehalten wird nicht. Die Ankündigung der Einrichtung von Arbeitsstiftungen allein reicht nicht. Wir wissen noch nicht, wie diese Arbeitsstiftungen ausschauen werden. Auch die Sozialpartner sind nicht eingebunden, und ich verstehe wirklich nicht, warum die Arbeitsministerin nicht die Gewerkschaft einbindet, die jahrzehntelange Erfahrung mit der Einrichtung von Arbeitsstiftungen hat; aber wir werden sehen, was dabei herauskommt.

Ich darf noch anführen: Der Chefökonom der Industriellenvereinigung hat gesagt, wenn wir etwas aus der Pandemie gelernt haben, dann das, dass man mit der Hälfte der Be­schäftigten 84 Prozent der Leistung erbringen kann. – Also wenn das einem nicht klarmacht, wohin auch viele Wege gehen, dann weiß ich nicht! Da gilt es bitte von der Regierung gegenzuhalten, und wir ersuchen auch die Arbeitsministerin, da ein klares Wort zu sprechen.

Es geht uns darum, Arbeitsplätze zu erhalten, Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen, die Arbeit verloren haben oder jetzt verlieren, Perspektiven für ihre Zukunft zu geben. Dafür sollten wir und müssen wir Politik machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was uns Wienerinnen und Wienern wirklich sauer aufstößt, ist dieses permanente Wienbashing. Wir können es nicht mehr hören! Das merkt man, wann immer man mit Wienerinnen und Wienern spricht. Neulich sagt jemand zu mir – eh bei der Wahl­werbeaktion auf der Straße (Bundesrat Steiner: Das war sicher ein SPÖ-Mitglied!) –: Ich kann es nicht mehr hören! Wenn es irgendwo im Land regnet, wird jemand von der Bundesregierung sagen: Mhm, ich glaube, da ist auf jeden Fall Wien schuld, nämlich die Wiener Stadtregierung! – Das kann es doch nicht sein! (Zwischenrufe der Bundes­rätIn­nen Bader und Mühlwerth.) Also wir in den Bundesländern wollen uns doch nicht gegenseitig in einer der größten Krisen ausrichten, wer was richtig, wer was falsch macht. Da gilt es, das politische Hickhack hintanzustellen und zusammenzuhalten. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das ist jetzt der Weg, den man gehen muss.

Wien handelt: 50 Millionen Euro für die Stadthotellerie – die Tourismusministerin hat ein Stadthotelpaket versprochen, das gibt es bis heute nicht –; 15 Millionen Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit; die Aktion 20 000 für ältere ArbeitnehmerInnen wird in Wien stark ausgeweitet; die stille Beteiligung an den Wiener Leitbetrieben; der Taxigutschein und der Gastrogutschein. – So schaut es aus, wenn man Arbeitsplätze retten und die Menschen in einer Stadt unterstützen will. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Saurer.)

Das Chaos muss und soll ein Ende haben, und wir hoffen, dass heute mit dieser Beschlusslage dazu beigetragen wird. Die Menschen in Österreich brauchen jetzt Sicherheit, Transparenz, eine starke, tragfähige Gesundheitsversorgung und die Ge­wiss­heit, dass sie, wenn sie die Arbeit verlieren, nicht ins Bodenlose fallen, sondern auf­gefangen werden, ihre Existenz erhalten können und neue Perspektiven bekommen. Dafür werden wir als Sozialdemokratie kämpfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.03

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.