17.21

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Werte Frau Minister! Hohes Haus! „Koste es, was es wolle“, war die Devise, die wir vor ein paar Monaten gehört haben, und viele haben sich in dieser schweren Krise der Unsicherheit gedacht, wenn man wirklich Geld in die Hand nimmt, kann man das Schlimmste abwenden. Wir haben aber dann ernüchternd feststellen müssen, dass dieses „Koste es, was es wolle“ in Wirklichkeit ein Slogan der Regierung war, um eben einmal über das Ärgste hinwegzukommen.

Wir haben dann auch an den weiteren Maßnahmen gesehen, dass jede dieser Hilfsleistungen irgendwo Ecken und Kanten gehabt hat und nirgendwo Rechtssicherheit vorhanden war. Genauso beinhalten hier die Sonderbetreuungszeit und der Bildungs­bonus ein Ja, und dann folgt das Aber. Es gibt keine Rechtssicherheit für die Son­derbetreuungszeiten, die Pflegefreistellung ist nur für Pflege, und für Eltern, die Kinder zu Hause haben oder jemanden, der gepflegt werden muss, steht dann offen, ob die Firma das will oder nicht. Da, muss ich schon sagen, sollte man darüber nachdenken, was man für Verwirrung stiftet, was man für Hoffnungen aussendet, die im Endeffekt in vielen Bereichen nicht gehalten werden.

Wir wissen schon, bei 30 000 Fällen hat es gegriffen, das hat 2,8 Millionen Euro ge­kostet, wie ich heute mitbekommen habe. Da frage ich mich dann immer, warum man das tut, dass man so große Pakete ankündigt und dann immer bei diesen ganz kleinen entscheidenden Dingen zurückzieht und nur eine halbe Lösung anbietet. Es tut nämlich weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer gut, wenn diese Rechtsunsicherheit vorhanden ist. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ganz im Gegenteil: Man gibt dem Arbeitgeber irgendwo den Anschein des gönnerhaften Almosengebers, den er auch nicht verdient hat, weil die Arbeitgeber genauso in dieser Krise drinnen sind und genauso schauen, dass sie wirtschaften können. Nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam sind die Wirtschaft, die uns alle trägt, unsere ganze Gesellschaft trägt, unser ganzes Sozialsystem trägt, unsere ganzen Steuereinnahmen tragen. Nur alles gemeinsam kann stark sein.

Deswegen, Kollege Schwindsackl: Die mangelnde Leistungsbereitschaft in dieser Situ­ation anzusprechen ist ein Kopfschütteln wert. Da bin ich sicher nicht der Einzige, der so denkt, denn diejenigen, die versuchen, mit geringfügiger Beschäftigung über die Runden zu kommen, eben etwas dazuzuverdienen, damit sie sich noch die Miete, oder die Heizung, oder das Essen, oder das Studium oder sonst irgendetwas leisten können, mit mangelnder Leistungsbereitschaft zu belegen, ist nicht redlich.

Ich würde mir die gesellschaftliche Vorstellung ein bisschen überlegen und den anderen eine bessere Absicht unterstellen. Das haben sie alle nicht verdient. Ich würde mir von Ihnen, Frau Minister, wirklich jetzt nach langer Zeit erwarten – und ich habe immer wieder darum gebeten –, dass Sie auch einmal sagen, was denn Planbarkeit und Sicherheit in der Zukunft bedeuten.

Ich weiß schon, dass Investitionsförderung wichtig ist, damit die Firmen vielleicht irgend­welche Maßnahmen setzen, aber das ist Klientelpolitik von Ihnen und da gibt es kein Wenn und Aber, habe ich gesehen. Das ist also sehr großzügig ausgestattet. Es ist nicht so, dass ich das den Arbeitgebern und der Industrie nicht gönne, weil es ja wiederum Arbeitsplätze schaffen kann, weil es einen Input gibt. Warum ist man dann aber bei den Arbeitnehmern so kleinlich und vergönnt denen nicht ganz kleine Beträge?

Ich kann es Ihnen auch zeigen, wenn Sie es mir nicht glauben: Bezüglich der 450-Euro-Förderung, bei der man 60 Tage arbeitslos gewesen sein muss, sind bei mir jetzt schon einige Fälle eingegangen, der schärfste Fall mit 59 Tagen. Die Frau hat sich selbst einen Job gesucht, und es ist wirklich nur so gegangen, dass sie es nicht den einen Tag hinauszögern konnte, damit sie die 450 Euro bekommt. Das ist eine Frau, die lange Zeit gearbeitet hat, also nie arbeitslos war, in dieser Situation in Arbeitslosigkeit gekommen ist, der man die 450 Euro nicht gönnt, ich sage, absichtlich nicht gönnt, denn sonst hätte man die 60 Tage nicht eingeschaltet. Wenn Sie nachrechnen, kommen Sie auf minimale Beträge. Es werden diejenigen, die kurzfristig arbeitslos waren und sich in der prekären Situation rechtzeitig wieder einen Arbeitsplatz gefunden haben, dann dafür bestraft. Das kann ich nicht verstehen, dass Sie das in Ihrem Ministerium so aushecken, und da würde ich gerne wissen, warum Sie das tun.

Oder das Kontrollsechstel, das ich Ihnen das letzte Mal schon angekündigt habe, das jetzt auf das Jahressechstel kommen wird: Ich sage es Ihnen jetzt als Prophet, weil ich es nachrechnen kann und sonst nicht viel Kenntnis dazu brauche: Sie werden bei der ganzen Kurzarbeit, so wie es im Gesetz steht, bei vielen Arbeitnehmern das Phänomen haben, dass diese kein Weihnachtsgeld mehr bekommen. Da möchte ich Sie dann sehen, wie Sie das in der Presse beantworten werden. Wenn Sie das jetzt nicht aussetzen, werden Sie in diesen Fällen ganz einfach sehr, sehr viel Missgunst ernten. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist auch Folgendes nicht einzusehen: Wir haben uns alle geeinigt, dass in Österreich kein Job mehr unter 1 500 Euro sein soll. Warum geht man dann bei einem Vollzeitjob bei den Clusterfahndern und so weiter auf 1 100 Euro runter? Das sind McJobs, kann man schon sagen. Man hat eine Wohnung, Heizen, Auto, Mobilität, alles, was man so braucht – kulturell ist momentan eh eher weniger los –: Davon kann man nicht leben! Wir sollten nicht so anfangen, dass wir diese Krise dann auch noch ausnutzen, um den Leuten weniger Geld zu geben!

Auch beim AMS wurde nicht eingehalten, was wegen der 500 Arbeitsplätze mehr ver­sprochen wurde. Im AMS geht es, kann ich sagen, mit richtigem Druck zu, und Sie schauen zu und hören sich das an. In Wirklichkeit sind Sie verantwortlich dafür, dass diesen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im AMS praktisch die Arbeit über den Kopf wächst, und Sie tun nichts. Ich würde mir allerdings auch von Herrn Buchinger irgendwann einmal erwarten, dass er sich dazu zu Wort meldet, denn es ist ja nicht nur von der ÖVP besetzt, sondern es gibt ja auch noch ein Gegengewicht, wovon ich mir erwarten würde, dass etwas kommt.

Deswegen bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhö­hung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31. Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversiche­rungs­leistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung, ausgezahlt werden.“

*****

Ich bitte um breite Unterstützung.

Noch einmal: Ich würde mir von Ihnen wünschen, dass Sie mir Antwort geben: Wie sehen Sie das mit dem Kontrollsechstel? Wie sehen Sie das mit 1 100-Euro-Vollzeitjobs? Wie sehen Sie das mit der Arbeitsüberlastung beim AMS?

Können Sie garantieren, dass jemand, der 45 Jahre gearbeitet hat, auch beruhigt in Pension gehen kann, so wie das Gesetz das momentan vorsieht? Was gedenken Sie zu tun, damit für unsere Jugend die Lehrstellenplätze gesichert sind, dass es dafür mehr Unterstützung gibt und dass es für unsere geringfügig Beschäftigten auch eine Möglichkeit gibt, praktisch das dazuzuverdienen, was ihnen momentan fehlt? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.31

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erhö­hung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Mag. Christine Aschbacher. Ich erteile ihr dieses.