17.53

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Eines muss ich schon sagen, wenn ich meiner Vorrednerin so zuhöre: Man könnte fast glauben, wir leben in eitel Wonne, alles ist gut, und wenn wir morgen in der Früh aufstehen, haben wir überhaupt keine wirt­schaftlichen und sozialen Probleme mehr. Dem ist aber, glaube ich, ganz und gar nicht so.

Wir erleben derzeit eine Situation, die in so vielerlei Hinsicht eine noch nie da gewesene Herausforderung für uns alle als Gesellschaft, aber auch für uns als Politiker darstellt. Die Pandemie hat neben ihrer gesundheitlichen Komponente natürlich auch eine ganz massive wirtschaftliche wie auch soziale Krise zur Folge gehabt, die uns – da, glaube ich, sind wir uns alle einig – noch viele Jahre beschäftigen wird. Schon fast täglich kommen zu den Betrieben, die Stellen abbauen, welche hinzu.

Wir haben heute schon gehört – ich möchte es aber trotzdem noch einmal sagen, weil es wirklich ganz, ganz fürchterlich ist –, dass beim Flugzeugzulieferer FACC 650 Mitar­beiterInnen abgebaut werden, bei Swarovski 1 800. Ich gehe nach Niederösterreich zum Papierkonzern Mayr-Melnhof: minus 130 Arbeitsplätze; die Agrana in Leopoldsdorf: minus 150 Arbeitsplätze; der Schalungstechniker Doka: bis zu minus 300 Stellen. Die Liste lässt sich leider Gottes noch weiter fortsetzen. Die „Oberösterreichischen Nach­richten“ haben gestern getitelt: „Die Liste der Firmen mit großem Stellenabbau wird länger“ und länger.

Diese nackten und nüchternen Zahlen sind das eine, sie sind erschreckend genug, muss man sagen. Darüber hinaus darf man aber nicht vergessen: Hinter diesen Zahlen stehen Menschen, es geht um Existenzen. Bei all diesen Kündigungen stehen Schicksale da­hinter, oft nicht nur einzelne Schicksale, sondern oft sind ganze Familien davon betroffen. Das muss man sich, glaube ich, immer wieder bewusst machen und vor Augen führen.

Wenn man nicht weiß, wie die nächste Miete, die Stromrechnung, die Autoversicherung und vieles mehr bezahlt werden soll, entstehen natürlich Angst und Verzweiflung, und aus den finanziellen Sorgen werden schnell psychische Belastungen. Ganz besonders in den letzten Wochen und Tagen, in denen jetzt auch ein neues Schuljahr begonnen hat und noch zusätzliche Ausgaben für den Schulbeginn dazugekommen sind, ver­schärft sich natürlich für viele Familien die finanzielle Situation ganz enorm. Wir sehen es daher als einen ersten kleinen, richtigen Schritt, den Topf für den Coronafamilien­härtefonds eben von 60 auf 100 Millionen Euro aufzustocken, und geben auch unsere Zustimmung dazu, aber wir sagen schon ganz deutlich dazu: Das kann und darf nicht alles gewesen sein! Die Familien brauchen nach wie vor Unterstützung, wie wir be­fürchten müssen, noch weit über den Winter hinaus.

Wir haben heute im Ausschuss gehört, laut Stand vom 16. September warten noch immer 31 000 Familien auf Geld aus diesem Fonds. Aus dem Ministerium hört man dazu: Na ja gut, das sind die 25 000 unvollständig abgegebenen Anträge, da ist man selber schuld, weil die Anträge einfach falsch ausgefüllt waren. – Das wirkt, glaube ich, auf viele in dieser akuten Situation und in ihrer Verzweiflung durchaus zynisch. Aus meiner Sicht wäre vielmehr zu hinterfragen, ob nicht die Antragsmodalitäten ein wenig anwenderfreundlicher gestaltet werden könnten, denn bei immerhin einem knappen Viertel an unvollständigen Anträgen muss man schon darüber nachdenken, ob das nicht unbürokratischer, rascher und einfacher geht. Ich glaube, da würden die Zauberworte einfach Information und Aufklärung heißen. Ich kenne genügend Menschen, die nicht genau wissen, wo man beantragen kann, wie man beantragen kann und dergleichen mehr. – Ja, Sie (in Richtung Bundesministerin Aschbacher) hören das nicht gerne, aber wenn man mit den Menschen spricht, ist das leider die traurige Realität.

Außerdem sind weiterhin etliche Personengruppen vom Coronafamilienhärteausgleich grundsätzlich ausgeschlossen, wie eben AlleinerzieherInnen in Karenz, geringfügig Beschäftigte, UnternehmerInnen, die keine Mittel aus dem Coronahärtefallfonds erhalt­en, und viele mehr. Auch da ist aus unserer Sicht ganz dringend Handlungs- und Nach­besserungsbedarf gegeben, daher wird es von uns einen Entschließungsantrag dazu geben.

Was die Erhöhung der Zuverdienstgrenze für den Erhalt der Familienbeihilfe von 10 000 auf nunmehr 15 000 Euro betrifft: Wir sehen das prinzipiell positiv, immerhin kann das eine Erleichterung für bis zu 65 Prozent aller Studierenden darstellen. Das ist nämlich jener Anteil an Studierenden, die im Sommersemester 2019 einen Job angenommen haben beziehungsweise annehmen mussten, um sich damit letztendlich das Studium finanzieren zu können.

Auch das ist ein aus meiner Sicht längst fälliger Schritt, der aber ebenfalls nicht der einzige bleiben darf, denn eines darf man nicht vergessen: Auch Studierende sind davon betroffen, dass aufgrund der Krise die Arbeitsplätze fehlen. Wir wissen, dass Studie­rende zum Beispiel häufig in der wirklich ganz besonders betroffenen Gastronomie tätig sind und ihnen nun schlicht und einfach die Perspektive fehlt, wie sie ihr Studium finan­zieren können.

Ich glaube, in diesem Fall darf man auch laut über eine Studiengebührenbefreiung nach­denken, das bestätigt uns ja eigentlich sogar das Bundesministerium für Bildung, Wis­senschaft und Forschung. Es gibt eine Studie des Ministeriums, in der davon die Rede ist, dass immerhin 34 Prozent aller Studierenden infolge der Covid-Krise mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Das ist eine große Zahl, immerhin mehr als ein Drittel aller Studierenden, und ich glaube, das können wir nicht so stehen lassen. Ich erwarte mir dahin gehend von Ihnen, Frau Minister, aber auch von Minister Faßmann ein ganz klares Bekenntnis dazu, dass das Studieren, dass Bildung auch in Zeiten der Krise nicht von der Geldbörse der Eltern abhängig gemacht werden und abhängig sein darf! (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, es geht um Familien, es geht um Frauen, Allein­erzie­herInnen, es geht um Kinder. Die Menschen brauchen und verdienen Unter­stüt­zung. Ich glaube, noch besser kann man es nicht zusammenfassen: Jedes Kind muss uns gleich viel wert sein!

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Hürden beim Familienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, sicherzustellen, dass alle Familien, die aufgrund der Corona-Krise mit Einkommenseinbußen zu kämpfen haben, anspruchsberechtigt sind. Jede in Not geratene Familie ist gleich viel wert!

Der Kreis der Anspruchsberechtigten des Corona-Familienhärteausgleichs wird er­wei­tert auf

- Personen, die selbständig sind und vom WKÖ-Härtefallfonds abgelehnt wurden;

- AlleinerzieherInnen in Karenz;

- getrennt lebende Eltern, denn es erhält derzeit nur jener Elternteil die Unterstützung, bei dem die Kinder gemeldet sind;

- Personen, die geringfügig beschäftigt sind und den Job verloren haben.“

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Geschätzte Damen und Herren! Wenn „Koste es, was es wolle“ – auch das haben wir heute schon einmal gehört – kein Lippenbekenntnis war, dann hoffe ich auch auf Ihre Zustimmung. Ich glaube, Österreich kann es sich nicht leisten, Kinder und Familien in irgendeiner Form zurückzulassen. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schluss mit den Hürden beim Familienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Kollegin.