9.39

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Präsidentin, ich werde mich bemühen. – Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Herzlichen Dank auch für die Vorreden, ich habe Ihre Botschaft schon verstanden. Manche Botschaften würde ich gerne im Folgenden auch erläutern, manche nehme ich so zur Kenntnis, Ihre Bewertung meiner Leistung muss ich zur Kenntnis nehmen, so wie es ist.

Eines möchte ich aber sagen: Wenn man so gerne vom Chaos in der Schule spricht – der Boulevard berichtet auch gerne darüber –, muss ich das wirklich zurückweisen, denn es wird der Arbeit der Kollegen und Kolleginnen vor Ort nicht gerecht. Ich glaube, dass unsere Lehrer und Lehrerinnen, Direktoren und Direktorinnen Großartiges leisten. Die Schule funktioniert, von einem Chaos kann nicht die Rede sein, ich danke ihnen sehr.

Die Zeit ist schwierig, und wir haben eine Pandemie – vielleicht haben Sie das auch schon bemerkt –, die unser soziales und wirtschaftliches Leben durcheinanderwirbelt, aber wir haben ein funktionierendes Bildungssystem. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dazu muss ich ganz klar sagen: Das lasse ich mir auch von reißerischen Überschriften nicht vermiesen.

Ich persönlich bin immer sehr am systematischen Wissenserwerb interessiert, auch an Samples, die größer als eins sind, und habe daher eine Umfrage in Auftrag gegeben. Wir haben 600 Eltern zufallsgesteuert befragt, und 82 Prozent dieser Eltern sagen, sie sind mit dem Schulstart sehr oder eher zufrieden. (Bundesrätin Hahn: Weil ... die Lehrer perfekt gestalten, trotz allem!) 65 Prozent der Befragten sagen: Die Schule meines Kindes hat die Situation fest im Griff und sie ist krisenfest. Es sagen auch 68 Prozent der Eltern, dass die Zeit des Heimunterrichts, Frau Kollegin, eine sehr belastende Zeit war, die sie nicht mehr haben wollen.

Drei Viertel der Eltern sagen aber auch, wenn man es ihnen freistellen würde, ob sie ihre Kinder im Herbst in die Schule geben oder im Heimunterricht unterrichten – nicht weiter überraschend –, dass sie sie in die Schule geben würden. Das ist also letztlich ein klares und positives Ergebnis für die Schule und für eine funktionierende Schule.

Was haben wir im Sommer gemacht? – Ich sage es Ihnen ganz offen, ich habe keinen Urlaub genommen. Vielleicht haben Sie das Privileg gehabt, diesen zu haben, ich hatte es nicht. Wir haben im Ministerium sehr viel betreffend die Vorbereitungen gearbeitet. Wir haben ein Informationspaket Schule im Herbst formuliert. Wir haben ganz einfache Regeln mit den Stakeholdern formuliert, Frau Kollegin, ganz einfache Regeln, wie mit dem Mund-Nasen-Schutz umzugehen ist. Wir haben auch immer die Balance gehalten. Es hat viele gegeben, die gefordert haben, den Mund-Nasen-Schutz auch im Unterricht die ganze Zeit zu tragen, und ich habe gesagt, wir müssen den Weg der Mitte finden, die Balance: Was ist erträglich, aber was ist auch gesundheitspolitisch notwendig?

Wir haben auch rechtzeitig die rechtlichen Grundlagen hinsichtlich der COVID-19-Schulverordnung geliefert. (Bundesrätin Hahn: Rechtzeitig ist ...!) – Ja, rechtzeitig in Abhängigkeit – Frau Kollegin, hören Sie mir nur ein bisschen zu! (Bundesrätin Hahn: ... muss die Regierung besser werden!) – zu dem, was die Coronakommission vorgeschla­gen hat. Die hat Ende August ihre ersten Sitzungen gehabt, aber wir haben sehr schnell darauf reagiert. (Bundesrat Steiner: Gibt’s die überhaupt noch, die Coronakommission? Da treten immer so viele Experten aus!) – Da müssen Sie Kollegen Anschober fragen.

Ich glaube, auch ein ganz wichtiger Punkt der Vorsorge – und das haben wir im Sommer sehr intensiv gemacht – war die Digitalisierung der Schule. Es war überhaupt keine Frage, dass Distancelearning wieder kommen wird. Immer dann, wenn Schulen ge­schlos­sen sind – und Schulen werden im Herbst geschlossen sein –, brauchen wir Distancelearning, und da haben wir viel gemacht. Es wurde schon darauf hingewiesen, wir haben das Portal Digitale Schule programmiert. Das wird etwas ganz Neues sein, weil es eine einheitliche Kommunikationsplattform von Eltern, Schülern und Lehrern darstellt. Wir haben einen Fortbildungskurs programmieren und erstellen lassen, den seit August immerhin 11 000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen konsumiert haben. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn.) 5 000 Pädagogen haben das auch mit einem Zertifikat abgeschlossen – großartig.

Wir haben uns gefragt, wie wir mit den Bundesschulen und dem Breitbandanschluss umgehen. Zwei Drittel bis zu drei Viertel der Bundesschulen haben einen Glasfaser­breit­bandanschluss oder haben WLAN mit mindestens 100 Mbit in der Schule, und die letzten 25 Prozent werden wir in den kommenden Jahren zusammenbringen. Und wenn Sie, liebe Mitglieder des Bundesrates, in Ihren Ländern darauf drängen, dass auch die Landesschulen, die Schulen, die den Gemeinden gehören, ähnliche Investitionen vor­nehmen, bin ich hochgradig zufrieden. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wir haben die Ausschreibung für die digitalen Endgeräte in der 5. und 6. Schulstufe vorbereitet. Das ist, Frau Hahn, die größte digitale Bildungsinvestition, die wir bisher getätigt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie müssen es mir glauben, Frau Hahn, ich kann nicht in den nächsten Elektroladen gehen und sagen: Bitte packen Sie mir 160 000 digitale Endgeräte ein! (Bundesrätin Hahn: In der Steiermark ... möglich!) Da braucht es eine ganz ordentliche Ausschreibung dazu, und die Ausschreibung und auch die gesetzlichen Grundlagen werden vorbereitet. (Bundesrätin Hahn: In Niederösterreich ist ...!)

Einen dritten Punkt möchte ich auch gerne erwähnen – Frau Kollegin, Sie haben es an­gesprochen –, das ist eine Sache, die mir am Herzen liegt: Wir brauchen Klarheit betref­fend die Frage, wie die Infektion bei den Sechs- bis 14-Jährigen voranschreitet. Das ist ein wissenschaftlicher Zugriff, den ich hier gerne mache. Ich möchte gerne wissen, wie die Prävalenz bei den Sechs- bis 14-Jährigen ist. Wir haben dazu in Zusammenarbeit mit der Universität Wien ein Forschungsprojekt aufgestellt und testen mit einer Gurgel­wassermethode – nicht dank Wien, sondern dank der Universität Wien, die das ent­wickelt hat. (Rufe bei der SPÖ: 12 Millionen Sonder- -!) Wir helfen auch der Stadt Wien, gemeinsam mit dem Stadtrat Hacker - - (Bundesrat Schennach: 12 Millionen für die Forschung ...!) – Ja, auch mein Ministerium hat für dieses Forschungsprojekt den Betrag finanziert, damit diese Methode weitergeht. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.)

Sehen Sie doch bitte beides und nicht immer nur eines! Das scheint mir doch eine wichtige Sache zu sein. Wir werden einen Überblick gewinnen können über die Infek­tionssituation bei den Sechs- bis 14-Jährigen, und das ist eine wichtige Sache. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn.)

Ja, zu meinem dritten Punkt muss ich sagen, es läuft nicht alles rund. Das sei schon zugestanden. (Bundesrat Schennach: Nach jeder Ihrer Pressekonferenzen herrscht Chaos! – Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Wonach?

Wir haben sicherlich eine Schwierigkeit bei der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden, um das ganz realistisch darzustellen. Bildungsbehörde und Gesundheits­be­hörde, da brauchen wir eine verbesserte Zusammenarbeit. Es dauert in der Tat manch­mal zu lange, bis die Verdachtsfälle getestet sind. Wenn es sehr lange dauert, bis Verdachtsfälle getestet sind, dann haben wir sehr viele sogenannte K1-Fälle, Kontakt-1-Personen. Hier brauchen wir sicherlich mehr und schnellere Testungen, dann können wir uns auch die Quarantänemaßnahmen bei den K1-Personen ersparen. Das ist, glaube ich, kein Malheur, wenn ich mich, Frau Mühlwerth, mit dem Gesundheitsminister zusammensetze, gemeinsame Verfahrensprotokolle bespreche und versuche, die auch einheitlich zu formulieren.

Wir werden im Wesentlichen drei Dinge vornehmen. Wir werden zwischen Bildungs­behörde und Gesundheitsbehörde eine Fast-Lane-Prozedur schaffen, wir werden die Verdachtsfälle schneller testen, damit klar ist, ob die K1-Personen in Quarantäne ge­schickt werden, und wir werden dafür sorgen, dass bei der Quarantäneentscheidung das Standortprinzip und nicht das Wohnortprinzip zum Tragen kommt.

Ich muss aber auch dazusagen, dass die Gesundheitsbehörde ja bekanntlich in der mittelbaren Bundesverwaltung den Landeshauptleuten untersteht. Auch der Gesund­heits­minister kann nicht ganz locker sagen: So hat es zu geschehen!, sondern er braucht die Länder dazu – und da ich hier im Bundesrat sitze: Wenn Sie Ihren Einfluss geltend machen können, damit wir einheitliche Verfahrensregeln haben, so bin ich Ihnen mit Sicherheit sehr dankbar.

Lassen Sie mich, weil das Licht blinkt, meine Rede vielleicht folgendermaßen abschließen: Es ist für mich vollkommen klar, und wahrscheinlich für die Majorität der hier Sitzenden auch, so lange wir keinen Impfstoff und keine Therapeutika haben, haben wir im Herbst eine schwierige Situation, das ist gar keine Frage. Ich bin aber wahrscheinlich auch mit der Majorität hier einer Meinung: Schule offen halten, so lange es geht!, denn Schule ist sehr viel mehr als nur eine Bildungsstätte. Sie ist ein Ort der Sozialisation, ein Ort, wo Freundschaften geschlossen und Konflikte bearbeitet werden, und letztlich ist das Bil­dungssystem ein ganz wesentlicher Teil unserer arbeitsteiligen Gesellschaft. Dahin ge­hend: Kritisieren Sie mich nur, das ist schon klar, aber ich werde mich bemühen, dass die Schule so lange wie möglich offen bleibt und gut funktioniert. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.49

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Bundesminister, für Ihre Stellungnahme.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Ing.in Judith Ringer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.