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Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mich mit Teil zwei dieses Berichtes befassen, mit der Thematik der Forschung.

Im Bericht wird Forschung und Innovation als Einheit aufgefasst. Ich glaube aber doch, dass da eine Unterscheidung notwendig ist, weil Forschung eher eine Einzelleistung – auch im Team mit kleinen Clustern – ist, Innovation betriebswirtschaftlich aber eher in der unternehmerischen Organisation anzutreffen ist.

Im Bericht wird auch über Innovationspolitik gesprochen, und Innovationspolitik ist unter anderem Standortpolitik. Ich möchte daher diesen Bericht auch um den fehlenden Öster­reichbezug ergänzen.

Auf Seite 17 steht geschrieben, dass Innovationspolitik ein Prozess zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas ist. – Das klingt nach einem Wettkampf der besten Köpfe aus unterschiedlichen Kontinenten. Das ist eine Metaebene, die für Österreich sicherlich zu hoch gegriffen ist. Für Österreichs Wirtschaft gelten andere Kriterien, es müssen andere Kriterien gelten, weil wir es hier gerade mit einer sogenannten Götterdämmerung zu tun haben.

Gerade in den letzten Tagen, Wochen und Monaten zeigt sich, wie es um Österreichs Wirtschaft bestellt ist. MAN in Steyr – das war einmal, es ist kaum zu glauben, der drittgrößte Industriebetrieb Österreichs mit über 17 000 Mitarbeitern – wurde unter SPÖ-Führung Ende der Achtzigerjahre in alle Himmelsrichtungen filetiert – bis nach China! MAN in Steyr ist der letzte Rest dieses einst stolzen österreichischen Betriebes, und auch dessen 2 000 Mitarbeiter werden vermutlich ihren Arbeitsplatz verlieren, weil der Standort nach Polen abwandern wird.

Vor wenigen Tagen und Wochen hat der niederländische Chemiekonzern Royal DSM ein österreichisches Chemieunternehmen mit über 1 000 Mitarbeitern aufgekauft, weil in den Niederlanden die Steuergesetzgebung eine wesentlich andere, eben wesentlich unternehmensfreundlichere als in Österreich ist. Bei Swarovski gibt es 1 000 weitere Entlassungen, und Opel Wien wird auch früher oder später vor der Schließung stehen.

Die Ursachen für diesen Torso der einst so stolzen österreichischen Industrielandschaft und damit auch für die Freisetzung unserer ganz wichtigen, genauso stolzen und tüch­tigen Mitarbeiter sind ein unternehmensfeindliches Steuersystem, viel zu hohe Lohn­nebenkosten, die den Mitarbeitern viel zu wenig Netto übrig lassen, und viel zu hohe Differenzbeträge durch die steuerlichen Kosten.

Der Lockdown war eine absolute Katastrophe, in Österreich einzigartig, war absolut nicht notwendig, und die Hinterlassenschaft dieses Giftcocktails ist der Torso der einst so stolzen österreichischen Industrieunternehmen. Covid wird irgendwann verschwinden. Irgendwann wird man von Covid nicht mehr reden, aber es wird noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, um diese Wirtschaft, die ausschließlich durch diesen Lockdown und die abgesagte Steuerreform ruiniert wurde – wobei es ja nicht einmal Hilfestellungen gibt –, wieder aufzubauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte jetzt zur Forschung kommen. Wie gesagt, ich möchte es getrennt betrachten, denn Forschung ist eine Einzelleistung, das darf man nicht vergessen. Das hat sich ja jetzt gerade bei der Verleihung der Nobelpreise in den vergangenen Tagen gezeigt, bei der eine Französin den Nobelpreis für Chemie erhalten hat  die exzellente Forscherin Charpentier, die ja viele Jahre an der Universität Wien geforscht hat. Darauf können wir mit unserer 650-jährigen Tradition der Universität Wien auch stolz sein. Sie ist aber weggegangen, das darf man nicht vergessen, weil sie hier für ihr Forschungsprojekt, für das sie jetzt den Nobelpreis gekriegt hat, zu wenig Unterstützung bekommen hat.

Da frage ich mich doch, ob es nicht eine Frage des Gehaltsschemas ist. Gute Wis­senschaftler kann man nur durch Sonderverträge halten. Diese müssen allen Ernstes zwischen dem Wissenschaftler oder der Wissenschaftlerin und der zuständigen Behörde oder im Rahmen der Autonomie der Universität extra ausverhandelt werden. Vielleicht kann man da die normalen Verträge anheben, wenn man eine solch tolle wissen­schaftliche Leistung in Österreich beforscht, damit der Award auch hier in Österreich geleistet und bezogen werden kann. Das möchte ich nur hinterfragen.

Das Pendant zum weltweiten Nobelpreis in Österreich ist der Wittgenstein-Preis, und auch an ihm zeigt sich, dass jeder zweite Preisträger von unserer Universität Wien kommt. Auch das ist wirklich eine tolle Leistung, und es ist eben, wie gesagt, nicht die unternehmerische Organisation, die Innovation – das ist ja der zweite Aspekt von Forschung –, sondern es ist die Einzelleistung. Auch die Nobelpreisträger stammen weltweit alle von Eliteuniversitäten und nicht von Unternehmen. Das ist ein riesengroßer Unterschied, und diese Differenzierung wird in diesem Bericht nicht vorgenommen.

Ganz toll finde ich die Förderung der Nachwuchsforscher, denn es geht ja darum, öster­reichische Nachwuchsforscher zu fördern, und nicht, wie es beim IST Austria der Fall ist, sich diese Wissenschaftler international zusammenzukaufen. Das ist ja nicht Sinn und Zweck, es sollen ja die österreichischen Forscher und Forscherinnen gefördert werden. Da sind die neu errichteten Doktoratsschulen eine tolle Sache, das ist ein neues Kon­zept, das sicherlich eine interne Dynamik unter junge Forscher bringt, motivierend ist, Anreize schafft und für die Forschungsarbeit im Wettbewerb der besten Köpfe sicherlich förderlich wirkt.

Ich habe mir erlaubt, aus der historisch-kulturwissenschaftlichen Perspektive im Ver­gleich zu heute auch vier offene Forschungsfragen zu stellen, die nach Antworten suchen und noch beforscht werden müssen. Zum Beispiel: Ist es notwendig, dass heute die Steuerquote Österreichs 50 Prozent im Vergleich zur Belle Époque beträgt – das war um die Jahrhundertwende, 1910 –, als die Steuerquote 15 Prozent betragen hat (Bun­desrätin Schumann: Die Ziegelarbeiter!) – umsonst heißt es aber nicht Belle Époque! – und Wirtschaft und Gesellschaft die Gründerzeit geprägt haben, von der wir heute noch leben?

Oder: Hat das Bildungswissen dieser Bundesregierung so abgenommen, dass wir nicht wissen, wie man mit Seuchen, mit Pandemien umgeht? Wie war es im Fin de Siècle, wiederum einer Gründerzeit Österreichs für Wirtschaft und Gesellschaft? – Es gab die Tuberkulose, die war allgegenwärtig. Wurden Wirtschaft und Gesellschaft zugesperrt, wurden sie weggesperrt? – Nein! Warum war dies so? Warum hat man heute ganz anders reagiert? – Das ist eine interessante Forschungsfrage.

Oder zu Wien: Ist es notwendig, dermaßen viele Grünflächen zuzubetonieren? Wien hatte ja 1910 genauso viele Einwohner wie 2010/2020, wir haben aber zwei Drittel weniger Grünflächen. Heute steht jedes vierte Büro leer, Tausende Wohnungen in Wien sind leer, und die Hotelanlagen, wie wir wissen, brauchen gerade 10 Prozent der Auslas­tungskapazität. Es gibt falsche Widmungen, eine völlig falsche Baukultur, brachiale Architektur, von der wir noch lange, lange in Mitleidenschaft gezogen sein werden.

Oder: Eine weitere interessante Forschungsfrage zur SPÖ betrifft Karl Renner. War dies ein Staatsmann oder war er ein ideologischer Irrläufer? (Bundesrätin Schumann: Na geh!) Jede Postsendung, die ans Parlament gerichtet wird, hat die Adresse Dr.-Karl-Renner-Ring. (Bundesrat Spanring: Der Herr Karl!) Wer war Karl Renner?

Auf unserem Bundeswappen sehen wir Hammer und Sichel, das Symbol des Kom­munismus, heute nur mehr Staatssymbol in China und Nordkorea, offensichtlich aber auch hier in Österreich. Wer hat diese Hinterlassenschaft mitbegründet? – Karl Renner! (Bundesrätin Hahn: Zum Thema!)

1938 hat Karl Renner für den Anschluss Österreichs an das NS-Regime gestimmt. Hat er sich nach dem Zweiten Weltkrieg – nachher! – für die vertriebene Intelligenz im Sinne einer Rückkehr eingesetzt? – Nein, nicht wirklich! Eine Ausnahme hat er zugelassen, und zwar den Physiker, den Nobelpreisträger Erwin Schrödinger. Er schreibt in einer handschriftlichen Notiz, er, Schrödinger, sei Nobelpreisträger und Arier. Das heißt, nach dem Zweiten Weltkrieg hat offensichtlich ein Bundespräsident der SPÖ, Karl Renner, noch zwischen Ariern und Nichtariern unterschieden. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Da frage ich mich, ob es nicht besser und eine Forschungsfrage wäre, ob man den Karl-Renner-Ring in Parlamentsring rückbenennen soll, wie er bereits geheißen hatte. (Beifall bei der FPÖ.)

Fazit: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“ – so steht es in Artikel 17 unseres Staatsgrundgesetzes. Forscher und Forscherinnen müssen immer unter Wahrung von Faktizität, Authentizität und Objektivität ihre Forschungserkenntnisse liefern dürfen und auch müssen. Manchmal sind es überraschende Antworten, die vielleicht der Political Correctness der Mächtigen nicht gefallen, für die Forschung und die Wissenschaft aber eminent wichtig sind. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

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