20.56

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Plastikabfälle sind längst zu einem globalen Problem geworden. Es ist schon so weit, dass Mikroplastik Bestandteil der Nahrungskette ist, es ist überall drinnen – und leider werden auch bei uns riesige Mengen an Verpackungen einfach weggeworfen.

Es ist aus meiner Sicht offensichtlich, dass der weitere Kampf gegen den Plastikmüll eine der drängenden Umweltfragen ist. So ist es auch richtig, dass die Europäische Union von ihren Mitgliedstaaten ab nächstem Jahr eine Plastikabgabe für nicht recycelte Kunststoffverpackungen verlangt.

Wir haben es gehört, es geht um beträchtliche Summen. Für Österreich reden wir da über eine Dimension von zumindest 150 Millionen Euro. Ziel der Abgabe ist es, Anreize dafür zu schaffen, Kunststoffverpackungen zu reduzieren und die Recyclingquote zu er­höhen. Die EU-Kunststoffstrategie definiert ganz konkrete Ziele wie jenes, dass 2030 mindestens 55 Prozent aller Kunststoffverpackungen recycelt sein müssen.

Ein bisschen noch zu den Zahlen: In Österreich fallen jährlich 900 000 Tonnen Plastik­abfall an. Laut Schätzung des Umweltbundesamtes wird diese Menge nächstes Jahr bereits die 1-Millionen-Tonnen-Größe erreichen. Plastikverpackungen machen davon rund ein Drittel aus, also 300 000 Tonnen pro Jahr. Das kann man sich alles nicht vor­stellen. Wenn man das auf einen Tag umrechnet, sind das täglich über 800 Tonnen Plastikmüll, der da anfällt.

45 000 Tonnen Einwegplastikflaschen werden jährlich verkauft. Auch darunter kann man sich nichts vorstellen. Wenn man das umrechnet, ergibt das eine stolze Menge von 1,6 Milliarden Einwegplastikflaschen pro Jahr. Davon werden – ich würde jetzt nicht schon sagen, sondern eher lediglich – 70 Prozent gesammelt. Umgekehrt heißt es: 500 Millionen Flaschen landen jährlich irgendwo, meist in der Landschaft. Da ist noch etwas zu tun.

Dementsprechend setzen sich auch die Litteringabfälle entlang von Straßen größtenteils aus Verpackungen zusammen. PET-Flaschen machen da, auf das Gewicht bezogen, mit 23 Prozent den höchsten Anteil aus. Die Gemeinden klagen darüber, es kostet ein Vermögen. Es sind viele Millionen Euro, die jährlich von Kommunen aufgewendet wer­den müssen, um diesen ganzen Müll wieder zusammenzuklauben.

Was Getränke betrifft, werden nur etwa 19 Prozent aller Getränke in Pfandflaschen ab­gefüllt – 1995 waren es übrigens noch 80 Prozent. Auch die Recyclingquote ist in Öster­reich nicht rekordverdächtig, nur 25 Prozent des Kunststoffabfalls werden recycelt, das ist nebenbei auch eine immense Vergeudung von Ressourcen.

In einem Punkt muss ich schon ein bisschen widersprechen, das ist nämlich tatsächlich eine nationale Frage und keine Frage eines Bundeslandes. Auf jeden Fall ist es Zeit, zu handeln, und die Klimaschutzministerin hat dazu wie bereits erwähnt ein Gesamtkon­zept, einen Dreipunkteplan vorgelegt. Kollege Novak – oder war es Herr Raggl? – nennt ihn Gewessler-Plan, das lassen wir gelten.

Ich glaube, es ist wichtig, noch einmal ganz kurz zu streifen, was die wesentlichen Ele­mente sind. Erster Punkt ist eine Mehrwegquote, die für 2030 mit 55 Prozent verbindlich festgelegt wird, so ist der Plan. Die Idee dabei ist – das ist im Grunde ja simpel –: Wenn es mehr Mehrweggebinde wie Glasflaschen oder auch PET-Mehrwegflaschen gibt, wird der Plastikmüll automatisch weniger, no na. Mehrwegflaschen können übrigens 50-mal wieder befüllt werden, und das spart auch eine Menge Energie und Ressourcen.

Das zeigt übrigens auch, dass die Plastikstrategie eine wichtige Klimaschutzmaßnahme ist. So verbraucht eine PET-Mehrwegflasche im Vergleich zu einer PET-Einwegflasche 40 Prozent weniger Ressourcen und Rohstoffe und emittiert um 50 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase, das zeigt eine Bilanz des Umweltbundesamtes. (Ruf bei der SPÖ: Also stimmt alles, was im Antrag steht! Der Antrag ist inhaltlich korrekt!)

Besonders gut schneiden übrigens Glasflaschen ab, wenn es um Ressourcenverbrauch geht, und Glasflaschen erzeugen auch kein Mikroplastik, wenn man sie wegwirft.

Der zweite Punkt ist schon etwas umstrittener, das ist das Einwegpfand, bei dem es darum geht, künftig auch für Einwegverpackungen ein Pfand einzuheben. Das betrifft übrigens auch Getränkedosen, und Sie alle kennen das Bild: Es gibt einen Marktführer aus Österreich, und Sie alle begegnen bei Ihren Spaziergängen diesen Dosen, die ir­gendwo weggeworfen wurden.

Wenn Plastikflaschen und Dosen zurück ins Geschäft gebracht werden, können sie einfach recycelt werden und – das ist ein ganz wichtiger Punkt – sie können sortenrein sortiert werden. Die Recyclingquote steigt dadurch und die Abgabenlast durch die EU-Plastiksteuer sinkt damit natürlich. Es ist eigentlich völlig unumstritten, das zeigen alle Studien und Erfahrungen, dass ein Pfand auf Einwegverpackungen und Einwegflaschen zur Zurückgabe dieser Flaschen motiviert.

Viele Länder haben das längst eingeführt; Deutschland zum Beispiel hat durch dieses Pfand eine Rückgabequote von 98,5 Prozent erreicht, das ist beachtlich. Wir haben es wieder gehört: Oft werden als Gegenargument die Kosten für die Einführung eines sol­chen Sammelsystems für Einwegverpackungen angeführt. Das kostet etwas, ja, das stimmt natürlich, keine Frage – aber man kann auch etwas damit verdienen. Gerade der größere Handel kann mit dem gut sortierten Einwegpfandsystem erhebliche Materialein­löse lukrieren, weil es ein wertvoller Rohstoff ist. Studien zeigen, dass damit die Kosten mittelfristig wieder hereinkommen.

Ich verstehe darum auch nicht, dass ausgerechnet große Ketten wie Rewe, Spar, Hofer und Lidl dermaßen massiv gegen die Einführung des Pfandsystems arbeiten, gerade die nämlich, die es sich eigentlich leisten könnten – und bezeichnenderweise kommt umge­kehrt von den Kleinen, vor allem von den unabhängigen regionalen Geschäften, kein Widerstand gegen das Pfandsystem. Die haben das nämlich verstanden, dass eine Pfandeinführung nicht den kleinen Handel bedroht. Das Gegenteil ist der Fall, weil Pfandsysteme natürlich auch für höhere Kundenfrequenz sorgen. Ich weiß das zum Bei­spiel von einem kleinen Laden in meiner Nähe, in dem auch meine Frau arbeitet, der Getränke überhaupt nur mehr in Mehrweggebinden verkauft. Genau das tritt ein: Die Leute bringen die Flaschen zurück und kaufen wieder etwas.

Der dritte Punkt, da geht es auch direkter um den Antrag, ist die Herstellerabgabe für Plastikverpackungen. Es ist klar, es geht dabei um das Verursacherprinzip, die Kosten sollen dorthin verlagert werden, wo auch tatsächlich etwas dagegen getan werden kann, wo auch die Profite gemacht werden. Diese Herstellerabgabe soll zudem ökologisch ge­staffelt werden: Wenn Verpackungen für das Recycling geeignet sind, wenn sie recycel­tes Material enthalten, dann sinkt die Abgabe selbstverständlich, und es sinkt insgesamt die EU-Plastikabgabe.

Da muss ich jetzt schon Kritik am Modell der Budgetfinanzierung – da gibt es noch keine Einigung in der Koalition – anbringen, weil es da so ist, dass es eben keinen Lenkungs­effekt gibt. Wenn die SteuerzahlerInnen dafür aufkommen müssen, dann hat ein Unter­nehmer, ein Hersteller überhaupt keinen Anreiz, irgendetwas zu tun und seine Verpa­ckung umzustellen. Umgekehrt verspüren auch die Konsumentinnen und Konsumenten keinen Anreiz, irgendetwas anders zu machen. Leider sind die Widerstände auch da sehr groß, aber auf jeden Fall muss es aus unserer Sicht eine Lösung geben, bei der die Plastikabgabe an die Profiteure weitergegeben wird und auch die entsprechende Len­kungswirkung erzielt werden kann.

Für einen effektiven Kampf gegen den Plastikmüll braucht es ein Gesamtpaket, da nützt es jetzt nichts, einen einzelnen Aspekt herauszuziehen. Es geht um ein Gesamtpaket, und die Herstellerabgabe allein ist zwar ein essenzieller Punkt, wir stimmen da inhaltlich auch zu, aber sie ist ein Teil eines gesamten Verhandlungspakets, über das jetzt, das haben wir schon gehört, sehr intensiv Gespräche geführt werden. Ich hoffe sehr, dass diverse Verbände – und ich appelliere an sie – ihren Widerstand doch bitte aufgeben und einem wirklich durchdachten Dreipunkteplan zur Plastikvermeidung zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Am besten durch Zustimmung zu diesem Antrag!)

21.07

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Vorläufig letzter Redner ist Herr Bundes­rat Michael Bernard. – Bitte.