11.08

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ver­ehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Dieses Budget gleicht einer Fahrt durch dichten Nebel mit unglaub­lich vielen Unbekannten. Der angestrengte Versuch, dabei zu vermitteln, dass diese Bundesregierung wirklich alles im Griff hat, ist eindeutig gescheitert. Nein, die Pande­miesituation ist wirklich alles andere als leicht oder einfach zu bewältigen, aber gerade deshalb wäre es längst an der Zeit, Fehler offen einzugestehen, zu korrigieren und zu einer Politik der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und des Miteinanders zu wechseln. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen in Österreich, die Menschen, die hier in Österreich leben – das sehen wir –, sind ja total vernünftig. Sie sind diszipliniert und können mit den Gegebenheiten, so schwer sie auch sind, wirklich ausgezeichnet umgehen. Tatsache ist aber, dass wir jetzt deshalb in dieser Situation sind, in der wir sind, weil diese Regierung den Sommer in keiner Weise genutzt hat, um sich auf das, was im Herbst und Winter kommen wird, vorzubereiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gab eine unglaublich negative Entwicklung, und die kann und soll man auch nicht schönreden. Wir haben einen zweiten Lockdown, von dem immer gesagt wurde – und wir alle wussten es –, dass er bitte nicht passieren soll, weil er dieses Land und die Menschen in noch größere Schwierigkeiten bringt. Wir hatten zwischenzeitlich die höchsten Ansteckungszahlen weltweit, und wir haben eine unglaubliche Arbeitslosigkeit: 460 000 Menschen ohne Arbeit, 276 000 Menschen in Kurzarbeit – und da sind wir noch lange nicht am Ende dieser Abwärtsspirale auf dem Arbeitsmarkt.

Die Menschen sind verunsichert, berechtigterweise verunsichert. Fakt ist aber auch – und auch das ist nicht schönzureden –, dass im Budget weniger Geld für Arbeitslose und Beschäftigung vorgesehen ist als zum Beispiel 2017. Das heißt, in der Hochkonjunktur hat man pro Arbeitslosen/pro Arbeitsloser mehr Geld in die Hand genommen als jetzt in der Krise. Ja um Himmels willen, da läuft doch etwas schief! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es gab das Ampelchaos, diese wirklich gute Idee der Ampelregelung wurde in den Sand gesetzt, eine undurchsichtige Teststrategie, eine Ankündigungspolitik mit Pressekonfe­renzen über Pressekonferenzen und einer Sickertaktik für Informationen eine Woche davor. Wir lassen den Medien ein bisschen Informationen zukommen, dann sollen sich die Leute denken, was denn da jetzt werden wird: Kommt ein Lockdown, kommt kein Lockdown? Das ist doch keine Form, wie man mit Menschen umgeht, das ist nicht trans­parent und das ist nicht nachvollziehbar! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Sie haben auch – das ist besonders schlimm – verabsäumt, mit den roten Ländern, mit den sozialdemokratisch geführten Ländern zu reden, und so wird ein Miteinander auf keinen Fall funktionieren.

Natürlich sind die Massentests eine Möglichkeit, herauszufinden, wie man die Pandemie eindämmen kann, aber mit einmal wird es nicht funktionieren. Und einen Massentest als großen Sager in einer „Pressestunde“ anzukündigen, ist auch zu wenig. Wir brauchen eine ganze Teststrategie, vor allen Dingen für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich, in den Pflegeberufen, für die Lehrerinnen und Lehrer, für die ElementarpädagogInnen und für alle jene, die jetzt auch in den Betrieben großer Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Wir sehen ja, was bei Tönnies in Deutschland jetzt wieder passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht der einmalige Massentest ist es, sondern eine große Teststrategie, die schon längst aufgestellt hätte sein müssen – nicht ein Probieren und Schauen, ob es vielleicht geht. So werden wir dieser Pandemie sicher nicht Herr werden.

Zu Ihnen, Herr Finanzminister: Es hat uns schon sehr betroffen gemacht, dass Sie nach der letzten Dringlichen Anfrage zwei Fragen, die Sie versprochen haben schriftlich nach­zureichen, erst zwei Monate später nachgereicht haben. Das ist nicht die Art, wie man mit dem Bundesrat umgeht, wie man mit der Opposition umgeht. Dazu muss man schon sagen, das spricht nicht für die Qualität Ihrer Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wo krankt es denn jetzt, wo sind die Probleme am stärksten? – Die Eltern sind ange­sichts der Schulsituation verzweifelt. Sie sind froh, dass jetzt die Schulen endlich wieder geöffnet werden. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Anrufe von verzweifelten Eltern, von AlleinerzieherInnen bei mir gelandet sind, die gesagt haben: Ich kann nicht mehr! Ich weiß gar nicht, wie ich das alles noch unter einen Hut bringe. Mir ist das alles zu viel!

Und genau in dieser Zeit von großen Schwierigkeiten und Verzweiflung setzen Sie zu einem unglaublichen Pensionsraub an. Das kann man absolut nicht nachvollziehen. Sie nehmen den hart arbeitenden Menschen in diesem Land, die 45 Jahre unter den schwersten Bedingungen wirklich gearbeitet haben, die Möglichkeit, dass sie abschlags­frei in Pension gehen können. Ja ist das die Art, wie man mit Menschen umgeht, oder ist das die erste Art, wie man Einsparungen macht? So kann es auf keinen Fall gehen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es betrifft nicht nur diese Menschen, die diese Pension absolut verdient haben, denn wir alle wissen, was sie am Arbeitsplatz leisten, gleichzeitig wird auch noch die Pensionsan­passung zurückgefahren. Es ist also ein Pensionsraub auf allen Ebenen – und das im Lockdown! Da muss man ehrlich sagen: Das ist in jeder Weise unvertretbar! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt ist es an der Zeit, und zwar endlich an der Zeit, nicht nur für die Unternehmen Geld in die Hand zu nehmen – das ist wichtig, wir wollen Arbeitsplätze erhalten, wir wollen Arbeitsplätze schaffen –, sondern gleichzeitig auch an die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer zu denken. Wir brauchen den Coronatausender, und zwar ganz, ganz drin­gend, für die Menschen, denen es jetzt schlecht geht, und um die Wirtschaft anzukur­beln. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen ein Überbrückungsgeld für ältere Langzeitarbeitslose, denn wir wissen, sie werden jetzt keine Arbeit finden, und mit dem Wenigen müssen sie jetzt auskommen. Da braucht es Überbrückungsmöglichkeiten. Und wir brauchen die Erhöhung des Ar­beitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate (Beifall bei der SPÖ), nicht die Bonus­varianten – wieder ein Bonus oder doch kein Bonus –, sondern eine eindeutige Erhö­hung des Arbeitslosengeldes und die Absicherung der Gesundheitsversorgung.

Es bräuchte auch Geld für die Pflegereform, aber dieses Geld ist im Budget nicht zu finden. Das bereitet Sorgen, denn wenn man sagt, man soll Menschen zur Pflege hin qualifizieren, gleichzeitig aber das Geld für die Pflegereform nicht vorhanden ist, dann passt etwas nicht zusammen. Das sind nicht die Antworten, die die Menschen jetzt be­kommen sollten.

Wir brauchen die Absicherung der Gemeinden und Städte, das ist ganz, ganz wichtig. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Genau!) Sie brauchen das Geld, weil die Menschen dadurch bessere Leistungen erhalten.

Und es braucht Konjunkturprogramme, und zwar ganz dringend, klimafreundliche Kon­junkturprogramme, aber Konjunkturprogramme, die den Menschen das Gefühl geben, es geht wieder aufwärts, es geht aus der Pandemie wieder heraus. Das ist das, was wir brauchen.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Warum stimmen wir zu? – Weil Teile enthalten sind, die ganz, ganz wesentlich sind. Wir sind hier wieder an ein massiges Sammelge­setz gebunden, und weder ÖVP noch Grüne waren bereit, einem Teilabstimmungsrecht zuzustimmen. Das heißt, der Bundesrat ist durch Sie nicht gestärkt worden, sondern wir stehen vor der Situation, ein Konvolut mit 38 Gesetzen jetzt in einem abstimmen zu müssen. Das ist in keiner Weise demokratiefreundlich, aber wir werden zustimmen, denn wir lassen sicher nicht die Pensionistinnen und Pensionisten und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Stich. Das ist ganz klar! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass es uns als Sozialdemokratischer Partei gelungen ist, die Schuldenbremse zu verhindern. Ich möchte mir nicht ausmalen, was wäre, wenn wir jetzt die Schuldenbrem­se hätten, die Sie so gefordert hatten, die die ÖVP wollte, die die FPÖ wollte, und wenn wir sie wieder in Kraft setzen würden, wenn dann die Pandemie vorbei ist. Ich bin sehr froh, dass wir hier im Interesse der Menschen in Österreich sehr richtig gehandelt haben, und so werden wir es auch weiterhin tun. (Beifall bei der SPÖ.)

11.17

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jo­sef Ofner. – Bitte, Herr Kollege.