12.15

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Zu meinem Vorred­ner nur ganz kurz: Es schaut in Österreich schon so aus, dass ASVG-Pensionisten nur 15 Prozent vom Staat dazukriegen, 85 Prozent zahlen sie selbst ein, dass Unternehmer nur zwischen 40 und 50 Prozent selbst einzahlen und die Bauern in Wirklichkeit 85 Pro­zent kriegen. Da sind wir nicht neidisch, aber das sollte einmal klargestellt sein, denn das, was du gesagt hast, stimmt nämlich nicht. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Richtig!)

Die Abschaffung der Hacklerregelung wird nicht zu Unrecht als Pensionsraub bezeich­net. Die Bundesräte der Türkisen, der Grünen und der NEOS glauben offensichtlich, dass jeder Elektriker, jede Verkäuferin bis 65 Jahre arbeiten kann, dass jede Sekretärin, jeder technische Zeichner bis 65 arbeiten kann oder dass Abschläge bis 12,6 Prozent beziehungsweise von mehr als 300 Euro pro Monat weniger an Pension für normale Menschen verkraftbar sind. Glaubt ihr das wirklich? – Ich glaube es nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich aber sage euch, dass das, was da passiert, eine riesengroße Frechheit ist. Ich sage euch auch, warum das eine riesengroße Frechheit ist: weil genau diese Kollegen mit kaputten Bandscheiben, mit Bluthochdruck und anderen Krankheiten tagtäglich zu mir kommen. Diese Kollegen sagen mir auch immer wieder, sie würden gerne bis 65 ar­beiten, aber sie schaffen es beim besten Willen nicht, weil es fürchterlich ist. Wenn man mit 62 Jahren nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen könnte, dann muss auch gewährleistet sein, dass man nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen kann. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich sage euch auch: Genau diese fleißigen Leute, die ihr Leben lang brav gearbeitet haben, sollen in Zukunft nicht mehr zu mir kommen, sondern sie sollen zu euch kommen. Dann könnt nämlich ihr denen ins Gesicht schauen und sagen: Ich als Türkiser streiche dir deine Pension, weil 45 Jahre nicht genug sind! Ich als Grüner streiche dir deine Pen­sion, weil ich eh nicht für Menschen bin, die eine Lehre machen! Und ich als NEOS möchte dich bis 65 Jahre arbeiten sehen, weil ich mir gar nicht vorstellen kann, dass Menschen mit 14 oder 15 Jahren eine Lehre beginnen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Ich bin mir nicht sicher, ob alle verstanden haben, dass die Betroffenen, die Menschen über 60 Jahre, die immer gearbeitet haben, jetzt wieder bestraft werden sollen. Ich habe kein Vertrauen in Parteien, die so kaltherzige Abschläge einführen.

Ich muss auch ein Zweites dazu sagen: Es ist unwürdig, einen alten Handwerker gegen eine junge Frau auszuspielen. Es ist unwürdig, die dringend notwendige Besserstellung von Frauenpensionen mit der Langzeitversicherung abzutauschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich ist es gut, wenn Frauen mehr Pension bekommen, aber es ist keine gute Politik, dafür anderen, die diese Schlechterstellung überhaupt nicht verdient haben, viel wegzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin mir sicher, meinen Standpunkt jetzt klargemacht zu haben, aber eines noch: Sie haben sich auch durch die Wahl des Wortes Frühstarter entlarvt – damit spreche ich die Wirtschaftstreibenden im Parlament an. Gestern redeten wir von Karriere mit Lehre und am nächsten Tag tun Sie so, als ob jeder Frühstarter eine Ausnahme wäre. In eurer ideologischen Verbohrtheit wollt ihr jeden alten Menschen möglichst lange in Arbeit hal­ten, auch wenn er es vielleicht nicht mehr schafft. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Jungen haben ...!) Sie haben es noch nicht einmal verstanden, dass immer noch viele Menschen, Gott sei Dank, mit 15 eine Lehre beginnen. Ich würde mir als Lehranfänger nicht wünschen, als Frühstarter bezeichnet und stigmatisiert zu werden. Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die viel gearbeitet haben, nicht schikaniert werden, sondern abschlagsfrei mit 62 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen können. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die Geschichte rund um den steirischen Motorenhersteller ATB Spielberg ist traurig, und wir wollen nicht, dass sich so etwas in Österreich noch einmal wiederholt. Erst haben die chinesischen Eigentümer das Instrument der Kurzarbeit genutzt und sich Geld vom ös­terreichischen Staat geholt, dann aber haben sie die Firma in den Konkurs geschickt und in weiterer Folge den Maschinenpark im Rahmen eines sogenannten Sanierungsver­fahrens mit Eigenverwaltung konzernintern verkauft. Die Maschinen wurden nach Polen und nach Serbien transferiert, während es einzig und allein dem Arbeitsmarktservice und dem Land Steiermark zu verdanken ist, dass für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Stiftung installiert wurde. Der Eigentümer hat zu der Stiftung nichts beigetragen. Das Nachsehen haben die 360 arbeitslosen Kolleginnen und Kollegen und der österreichische Insolvenzentgeltsicherungsfonds.

Es muss in Zukunft verhindert werden, dass internationale Konzerne auf diese Art und Weise die ArbeitnehmerInnen und den Standort Österreich belasten. Sie lösen auch noch das Anlagevermögen günstig aus der Konkursmasse und ziehen damit weiter in Länder mit geringeren Löhnen. Es ist ganz entscheidend, den Industriestandort im Allge­meinen und die betroffenen Industrieregionen – im Besonderen das Murtal – zu erhalten und zu stärken.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Initiative zur Erhaltung des Standbeins ‚Elektroindustrie‘ in der Region Murtal“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, die Bundesmi­nisterin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, der Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung sowie die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend werden aufgefordert, im Rahmen aller ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu prüfen, welche der unten aufgeführten Maßnahmen kurz-, mittel- und langfristig umsetz­bar sind und darüber dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umgehend Bericht zu er­statten, sowie entsprechende gesetzliche Maßnahmen umgehend zum Beschluss vor­zulegen, um die nachstehenden genannten Forderungen breitest möglich zu erfüllen und umzusetzen:

Es werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

- Übernahme des Produktionsstandortes der ATB durch die öffentliche Hand.

- Marktforschung und Analyse im Bereich elektrischer Antriebssysteme.

- Erhaltung und Fortführung der derzeitigen Produktion bei ATB bis zur Serienreife neuer Produkte in diesem Segment.

- Schaffung eines von der öffentlichen Hand geführten Innovations- und Kompetenzzen­trums für elektrische Antriebssysteme unter Einbeziehung von entsprechenden Universi­täten inkl. der Einrichtung einer Außenstelle.

- Ansiedlung einer Fachhochschule für Elektromobilität und Antriebssysteme.

- Vernetzung aller in diesem Bereich tätigen Firmen mit dem Ziel Synergien zu nutzen.

- Einrichtung einer Ideenschmiede für alternative Antriebsmöglichkeiten.

- Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs für nachhaltige Produktion in diesem Segment

Zugleich werden Forderungen zur Erreichung der Ziele gestellt, diese lauten wie folgt:

- Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Besitzern von ATB in Verhandlungen zur Übernahme in das öffentliche Eigentum einzutreten.

- Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Sonderfinanzierung der Region Murtal.

- Einrichtung eines Entwicklungs- und Innovationsfonds für das Murtal.

- Einrichtung eines Koordinationsbüros zur schrittweisen Planung und Umsetzung der Maßnahmen.

- Sonder- und Wirtschaftsförderungen bedingen eine verpflichtende Beteiligung der öf­fentlichen Hand, um so ein Mitspracherecht zu gewährleisten.“

*****

Dieser Entschließungsantrag wird nachher namentlich abgestimmt. Ich bin schon neu­gierig, wie sich unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Steiermark verhalten werden. Alles Gute! Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

12.24

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Initiative zur Erhaltung des Standbeins ‚Elektroindustrie‘ in der Region Murtal“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Kollegin.