17.19

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Hohes Haus! Es gibt Zeitungsschlagzeilen wie: „Testanmeldung: Chaos und Daten­leck-Gefahr“, die „Presse“; „Über den Sinn von Massentests wird heftig gestritten“, „Der Standard“; Corona-„Antigentest-Beschaffung ausgesetzt und ausgeschrieben“, APA-Aus­sendung, ganz frisch; „Wie man Tests verhaut“, „Kleine Zeitung“.

Viele Menschen in Österreich fragen sich, ob die Ankündigung der Massentests nur wie­der ein PR-Manöver Ihrerseits war, Herr Bundeskanzler. Mit Ihrer Äußerung in der ORF-„Pressestunde“ haben Sie nicht nur Österreich überrascht, sondern anscheinend auch den dafür zuständigen Gesundheitsminister. Also können wir davon ausgehen, dass Sie nun auch die alleinige Verantwortung dafür tragen werden und in der Folge dann nicht wieder andere Schuldige suchen.

Interessant wird sicherlich die Frage sein, wie und ob die beschafften Tests überteuert angeschafft wurden. Nach der heutigen APA-Aussendung wurde ja die Antigentestbe­schaffung von der BBG ausgesetzt und ausgeschrieben. Dies ist der zweite Flop inner­halb von 24 Stunden, nachdem es ja schon gravierende Probleme beim Anmeldesystem gegeben hat und noch immer gibt. Die Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie geht also weiter.

Wird die Aktion zu einer millionenschweren Blamage für die Regierung geraten, wenn sich die Leute aus Angst vor einer Ansteckung vor dem Anstellen in den Reihen fürch­ten? Das Verhalten der Politik steigert nicht gerade das Vertrauen der Bevölkerung. Der Kanzler berichtet ganz flott: Wer nicht zum Testen geht und dies verweigert, handelt schwer fahrlässig. – Wenn dann auch noch Abgeordnete öffentlich zum Boykott der Tes­tung aufrufen, ist das Chaos bei der Bevölkerung komplett.

Wir in den Ländern und Gemeinden versuchen unter schwierigsten Umständen, das er­denklich Möglichste zu tun, um all dies in kürzester Zeit zu schaffen, um unserer Bevöl­kerung das Service einer raschen und sicheren Testung zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Bader.) Tausende Menschen versuchen derzeit rund um die Uhr, all das umzusetzen, stoßen jedoch aufgrund der dilettantischen Vorbereitung an Grenzen. – Professionalität sieht anders aus.

Doch wie sollen die Massentestungen funktionieren? – Gute Planung schaut anders aus. Zuerst erfolgt die Ankündigung: In ganz Österreich werden Tests durchgeführt. – Noch ist kein Plan, keine Information bekannt. Dann sickert langsam durch: Die Länder haben zu organisieren. Die Durchführung liegt wieder einmal bei den Gemeinden. Solche Mas­sentests müssen generalstabsmäßig geplant werden, wenn sie von Erfolg gekrönt sein sollen. Die Reaktion aus vielen Bundesländern ist Entsetzen über das derzeitige Krisen­management.

Nun sehen wir, dass der Erfolg vom Engagement vieler abhängig sein wird. Ohne frei­willige Helferinnen und Helfer wäre die Durchführung der Massentests gar nicht möglich. Es erhebt sich die Frage: Werden diese dann auch bestmöglich unterstützt und ge­schützt? Fragwürdig ist jedoch schon, dass positive Fälle bei Testungen Privatpersonen mit allen Daten und Ergebnissen bekannt sind, dem sanitätspolizeilich Verantwortlichen in der Gemeinde jedoch nicht.

Wer sind die Stützen dieser Aktion? – Das Bundesheer, die Feuerwehren, das Rote Kreuz, freiwillige Helferinnen und Helfer, Landes- und Gemeindebedienstete. Sie alle stellen sicher, dass Ihre Aktion zum Erfolg wird. Diese sind nicht schuld, wenn der ge­wünschte Erfolg nicht eintreten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine große Bitte: Keine neue Aktion Helden des Alltags und kein virtuelles Schulter­klopfen! – Das ist destruktiv. Wie es im Vortrag des Ministerrates steht, sollen diese Mas­sentestungen ja nochmals vor und nach Weihnachten wiederholt werden. Sollten Sie die Freiwilligen jetzt überfordern, werden Sie bei den nächsten Testungen massive Proble­me bekommen. Es liegt an Ihnen, dies zu verhindern.

Derzeit erscheinen der Stand der Vorbereitung und der Organisationsgrad komplett kon­fus. Kanzler und Gesundheitsminister koordinieren sich lieber nicht. Je nach Bundesland wird der Massentest früher oder später durchgeführt: da zentral, dort dezentral; da mit Drive-in-Straße, dort mit Teststraßen in geschlossenen Räumen; da voller Bereitwillig­keit, dort voller Skepsis. Es könnte bessere Bedingungen für solch ein Großprojekt ge­ben, denn dabei steht viel Geld auf dem Spiel, aber es gilt ja das Motto „Koste es, was es wolle“.

Wie Sie derzeit agieren, fallen Sie aber auch noch beim Massentest durch, den Sie selbst angeordnet haben. Diese Verantwortung tragen Sie allein, Herr Bundeskanzler, und nicht die Länder, Gemeinden, Bürgermeister und all die Freiwilligen. Denn noch ist die Geschichte nicht geschrieben, ob die Regierung den zweiten Lockdown nicht zu spät verordnet hat und sich angesichts der aktuellen Coronarekordzahlen den Vorwurf der Fahrlässigkeit wird gefallen lassen müssen, wie Michael Jungwirth in der „Kleinen Zei­tung“ schreibt.

Auf jeden Fall kann es nicht so sein, dass Sie sich beim ersten Lockdown als europäi­scher Musterschüler feiern ließen, jetzt aber, da die Lage ernst ist, den Ländern und den Gesundheitsbehörden, die übrigens über ein vertretbares Maß hinaus arbeiten und bereits am Rand der Leistungsfähigkeit angelangt sind, den Menschen, die den Hausver­stand nicht eingeschaltet haben, die Schuld in die Schuhe schieben wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben es im Sommer versemmelt. Der Virus kam nicht mit dem Auto, er war schon lange hier. Jetzt setzen Sie dem Ganzen noch eine Krone auf, indem Sie behaupten, es seien jene, die aus ihren Heimatländern gekommen sind, die den Virus wieder zu uns eingeschleppt hätten. Was hat diese Regierung im Sommer ge­macht, außer die Aufforderung ausgesprochen, in Österreich Urlaub zu machen? – Nichts! Dies hat anscheinend auch der Bildungsminister gemacht, denn anders kann man sich nicht erklären, dass am Schulanfang keine Planung fertig war. Nach 14 Tagen Schulbetrieb ist man aufgewacht und hat mit der Planung der Strategien begonnen, obwohl jeder Laie schon wusste, dass es im Herbst zur heißen Phase kommt. So war es im Bildungsbereich zu dieser Jahreszeit, in Grippezeiten, schon immer und ist jetzt, bei Covid-19, nicht neu.

Das war, lieber Herr Bundeskanzler, ein Bauchfleck mit Ansage. So geht jetzt die Pan­nenserie weiter. Ein Höhepunkt und eine Meisterleistung des Bildungsministers war in der vergangenen Woche das Schreiben des Bundesministers für Bildung und des Prä­sidenten des Österreichischen Gemeindebundes mit der Aufforderung an die Bürger­meister, jetzt dafür zu sorgen, dass die Gemeinden den Schulen mehr Raumkapazitäten und Einrichtungen zur Verfügung stellen sollen, damit die Abstände im Unterricht ein­gehalten werden können. Wie, bitte, sollen wir als Gemeinden jetzt ad hoc das alles aus dem Ärmel schütteln, Herr Bundeskanzler? Wieder werden wir als Gemeinden vom Bund aufgefordert, zu handeln.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, gerade heute war Ihr Finanzminister hier im Haus und hat zum x-ten Male gezeigt, dass dem Bund der Einsatz und die Aufgaben der Ge­meinden nichts wert sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht können Sie sich einmal zu den Gemeinden bekennen und auch dafür sorgen, so wie Sie es für den Handel, die Landwirtschaft, die Hotellerie, die Gewerbetreibenden machen, dass Sie und Ihre Regierung den Gemeinden nicht die kalte Schulter zeigen und sie nicht finanziell verdursten lassen.

Weil ich zuvor von den Schulen gesprochen habe, möchte ich Ihnen ein Weihnachts­zeugnis ausstellen, Herr Bundeskanzler: Selbstvermarktung, Schuldzuweisung und Selbstdarstellung: sehr gut; Krisenmanagement und Verantwortung: nicht genügend. Setzen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Abschließend: Derzeit haben wir erschreckend hohe Zahlen an Todesfällen. Es ist, glau­be ich, an der Zeit, an dieser Stelle vonseiten der Politik den Angehörigen die Anteilnah­me für die vielen schmerzlichen Verluste in ihren Familien auszusprechen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

17.29

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.