19.26

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zu Be­ginn herzlichst für die gute Aufnahme hier im Bundesrat bei meiner ersten Rede und bei meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen für die Unterstützung vom ersten Tag an be­danken. – Herzlichen Dank dafür.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass ein nicht unwesentlicher Teil unseres Lebens durchaus auf Zufällen beruht. Auch wenn wir uns noch so sehr bemühen, nicht alles können wir planen und kontrollieren. Ich möchte es an einem Bei­spiel festmachen, Sie werden sicherlich ähnliche kennen.

Ich kenne eine Familie mit zwei Kindern, gut situiert, wohlhabend, die Eltern gebildet, und die Kinder haben ebenfalls gute Schulen besucht – also eigentlich alle Vorausset­zungen für ein gelingendes Leben. Eine Tochter hat auch maturiert und studiert derzeit, und das andere, zweite Kind hat in seinem Leben als Jugendlicher falsche Entscheidun­gen getroffen, falsche Freunde getroffen, ist abgeglitten, ist kriminell geworden und kämpft heute nach wie vor damit, wieder in die Spur zu finden.

Ich kenne aber auch das Gegenteil, und zwar junge Menschen, die in schwierigen Ver­hältnissen aufgewachsen sind, die aus zerrütteten Familien stammen, die eine Lehre gemacht haben, sich im Betrieb hochgearbeitet und dort Karriere gemacht haben und heute hoch angesehen sind.

Was ich damit sagen möchte: Auch wenn man sich als Eltern noch so sehr bemüht, ab einem gewissen Punkt in der Entwicklung eines Kindes, eines Jugendlichen, ist man als Vater oder Mutter Zuseher und Passagier. Das heißt aber nicht, dass wir als Gesellschaft keine Möglichkeit haben, den jungen Menschen in dieser sensiblen Phase Halt und Un­terstützung zu geben. Genau hier greift der Ethikunterricht. Er ist lange vorbereitet, er ist umfassend erprobt, und es ist jetzt definitiv Zeit, aus diesem Schulversuch einen Regel­unterricht zu machen. Das Konzept des Verflechtungsmodells, bei dem Religions- und Ethikunterricht parallel angeboten werden, funktioniert. Es hat sich bewährt und wird sich auch in Zukunft bewähren. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin im Gegensatz zu manch anderem hier ein klarer Gegner davon, den Religionsun­terricht gänzlich abzuschaffen. Warum? – Religion ist unbestritten ein ganz fundamen­taler Teil unseres Lebens, und zwar von uns allen, auch wenn man vielleicht aus der Kirche ausgetreten ist, auch wenn man vielleicht kein Kirchgänger ist. Die Prägung unse­rer Gesellschaft, unser Verständnis davon, was richtig und was falsch ist, unsere Werte, unsere Grundsätze sind allesamt auch religiös geprägt. Den Religionsunterricht auszu­schließen würde heißen, einen ganz, ganz wichtigen Teil unseres Lebens, unserer Ge­schichte, unsere Traditionen ebenfalls auszuschließen. Das lehne ich und das lehnen wir als Volkspartei ganz klar ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist auch deshalb so, weil der Religionsunterricht heute kein Auswendiglernen von Bibelzitaten oder von Psalmen mehr ist, sondern weil der Religionsunterricht heute auch eine ganz tiefgründige inhaltliche Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Fragen ist.

Und ein zweiter Grund, warum Religionsunterricht in den Schulen stattfinden sollte, ist auch: Mir ist es lieber, Religionsunterricht findet dort statt, wo man die Inhalte kontrollie­ren kann, wo man weiß, was gelehrt wird, transparent und offen, als Religion wird in Einrichtungen gelehrt, in die man keinen Einblick hat, die abgekapselt sind und wo der eine oder andere vielleicht auch versuchen könnte, Religion zu instrumentalisieren und für seine Zwecke zu missbrauchen.

Natürlich ist Ethikunterricht kein Allheilmittel für unsere gesellschaftlichen Probleme, keine Frage. Wenn wir aber nur den einen oder anderen Jugendlichen durch diesen Ethikunterricht dazu bewegen können, bei einer Entscheidung, die er trifft, ein wenig mehr nachzudenken, vielleicht auch darüber nachzudenken, welche Konsequenzen die­se nach sich zieht, was das für sein Umfeld, für seine Eltern, für seine Freunde, für seine Bekannten bedeutet, und wenn dann in Folge der Jugendliche vielleicht durch dieses Nachdenken den einen Schritt in die falsche Richtung nicht setzt, sondern sozusagen weiter in der Spur bleibt, dann haben wir alle als Gesellschaft gewonnen. Deshalb ein klares Ja zum Ethikunterricht in dieser Form, wie er jetzt auch eingeführt wird. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.31