20.21

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst noch einmal in aller Kürze zum Schulstornofonds: Ich finde es natürlich auch positiv, dass er fortgesetzt werden soll, allerdings – da bin ich fast bei der FPÖ – ist es mir schon ein Rätsel, warum nicht die vollen 100 Prozent ersetzt werden.

Vor allen Dingen kann ich auch das Argument, das man uns im Ausschuss geliefert hat: Na ja, man hätte ja absehen können, dass in diesem Schuljahr keine Veranstaltungen möglich sein werden!, so nicht gelten lassen, wenn ich mich daran erinnere, dass ein gewisser Herr Sebastian Kurz noch vor einiger Zeit verkündet hat, er sehe Licht am Ende des Tunnels und es werde schon alles werden und so. Insofern kann ich das nicht ganz nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem – das darf man auch nicht vergessen – ist zum Beispiel gerade für Sprachwo­chen im Ausland – das hat beispielsweise meine Schule betroffen – eine entsprechende Vorlaufzeit notwendig. So etwas plant man nicht von heute auf morgen, da ist eine ent­sprechende Vorbereitungszeit nötig, da müssen zum Beispiel Flüge früh gebucht und Anzahlungen für vieles getätigt werden. Das geht eben nicht von heute auf morgen, das muss man entsprechend planen, daher gibt es natürlich auch Veranstaltungen, die jetzt noch ersetzt werden müssen. Zu sagen: Na ja, das hättet ihr halt nicht planen dürfen!, ist für mich ein bisschen zu kurz gegriffen.

Erfreulich ist, dass es in der ersten Phase immerhin nur zwei abgelehnte Anträge gab, somit konnten, wie wir erfahren haben, auf diese Weise die Kosten von 3 617 entfallenen Veranstaltungen entschädigt werden. Das entlastet auf jeden Fall die Familien, die sonst ja völlig unverschuldet zum Handkuss gekommen wären. Auch in diesem Zusammen­hang ein großes Danke an die betreffenden Lehrkräfte, die wirklich eine große zusätz­liche administrative Arbeit übernommen haben, um den Eltern Kosten zu ersparen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Was ich Ihnen aber auch nicht ersparen kann, ist das eine oder andere Wort zur aktuel­len Situation an den Schulen. Wir haben gestern in der Pressekonferenz – eine von 173 oder so, ich habe irgendwann aufgehört, zu zählen – erfahren, dass die Schulen also am kommenden Montag nach dreiwöchigem Homeschooling wieder öffnen dürfen, zu­mindest Volksschulen und Sekundarstufe I. Ich glaube, das ist für die Schülerinnen und Schüler extrem positiv, denn wir merken inzwischen doch eine sehr große Müdigkeit bei den Schülerinnen und Schülern.

Diesen stundenplanmäßigen Unterricht, der von uns ja eingefordert wurde, den ganzen Tag über vor dem Bildschirm zu erledigen, ist besonders für die jüngeren Schüler ganz, ganz schwierig, anstrengend und nicht so einfach. Auf der anderen Seite habe ich es erlebt, dass oft sogar meine eigene Mathematikklasse, die ich zu betreuen habe, frei­willig in den virtuellen Sprechstunden dazugekommen ist, und zwar aus einem Grund: damit sie einfach miteinander plaudern können. Für den sozialen Aspekt, für die Klas­sengemeinschaft, ist also diese Rückkehr in das Schulhaus immens wichtig und deswe­gen sehr positiv zu sehen.

Ich komme nun zu einem weiteren Aber. Die Lehrkräfte fragen sich schon das eine oder andere, nämlich: Sind auch wirklich genügend Sicherheitsmaßnahmen dafür getroffen worden? Wie schaut es mit dem Schutz für ältere Kolleginnen und Kollegen, für schwan­gere Kolleginnen aus? Was tun wir mit klassen- und vielleicht sogar jahrgangsübergrei­fenden Lerngruppen, ich sage nur: unverbindliche Übungen, Deutschförderklassen und vieles mehr? – Ich muss sagen, es bleiben leider Fragen über Fragen offen.

Wir haben nun ab der fünften Schulstufe die Maskenpflicht. So weit, so gut. Dazu muss ich sagen: Immerhin sind in Niederösterreich vor knapp eineinhalb Wochen FFP2-Mas­ken in den Schulen eingetroffen, obwohl sie uns schon längst versprochen wurden. Da man diese ja auch nicht über einen langen Zeitraum hinweg tragen sollte, stelle ich mir schon die Frage und bin gespannt, ob die Nachlieferung, die ja sehr regelmäßig stattfin­den muss, dann auch dementsprechend funktionieren wird. Ich habe meine Bedenken, denn wir warten beispielsweise auch immer noch auf die Grippeimpfung für die Lehr­kräfte, die uns schon längst versprochen wurde. Angeblich soll sie Mitte Dezember kom­men und ich bin gespannt, ob wir das noch vor Ende der Grippesaison erleben werden – so viel zum epidemiologisch sicheren Arbeitsplatz Schule.

Man muss dazusagen: Es sind in diesem Fall wieder die Gemeinden, die eingesprungen sind. Sie unterstützen nämlich eingreifend und besorgen beispielsweise Luftgütemess­geräte und dergleichen mehr, da finanzieren also wieder die Gemeinden, was unter Um­ständen die Bildungsdirektionen oder auch das Ministerium zu tun hätten, aber sei’s drum. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Kritik muss ich auch noch betreffend die aus meiner Sicht durchaus fehlende Kom­munikation anbringen, nämlich mit den betroffenen Personen, mit den Lehrkräften, mit den Schulleiterinnen und Schulleitern. Es wurde wieder die Presse zuerst informiert! Wir haben zuerst aus „Österreich“, „Heute“ und „Kronen Zeitung“ erfahren, was am Montag passieren wird. Die Gewerkschaft wurde in keinerlei Gespräche miteinbezogen. Ich muss Ihnen jetzt schon eine Botschaft mitgeben: Transparenz schafft Vertrauen! Eine gute Kommunikation mit den Akteurinnen und Akteuren, in dem Fall den Lehrkräften, schafft auch eine Akzeptanz und somit eine gewisse Sicherheit und ein Annehmen der Maßnahmen. Das gewährleistet, dass eben diese verordneten Maßnahmen dann auch wirklich viel eher mitgetragen werden.

Ich glaube, Personen aus der Praxis hätten mit ihren Erfahrungswerten schon aus dem Frühjahr dazu beitragen können, dass es jetzt im Herbst womöglich gar nicht zu einer weiteren Schulschließung hätte kommen müssen. Ich sage nur: Schichtbetrieb. Da gibt es durchaus schon sehr weit ausgereifte und sehr gut ausgearbeitete Konzepte, wie das hätte funktionieren können. Wir wissen, von diesem Arbeiten in Kleingruppen haben alle profitiert. Das hat man gänzlich vom Tisch gewischt, warum, kann ich auch nicht nach­vollziehen, aber sei’s drum.

Sehr positiv anzumerken ist: Das Distanceteaching, -learning hat jetzt im zweiten Lock­down wirklich gut funktioniert, zu einem großen Teil viel, viel besser, als das noch im Frühling der Fall war. Ich muss aber schon unterstreichen, dass das nicht das Verdienst des Ministeriums oder der Bildungsdirektion – in meinem Fall von Niederösterreich – ist, sondern ganz alleine auf die Eigeninitiative der Schulleitungen und der Lehrkräfte zu­rückzuführen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Denen ist es nämlich zu verdanken. Sie haben weit über das normale Ausmaß hinaus gearbeitet. Sie haben die SchülerInnen schon in weiser Voraussicht Wochen vor der Verkündung des Lockdowns auf die digitale Fernlehre vorbereitet, es wurde Lernmaterial umgestellt oder ganz neu erstellt. Wie schon im Frühling sind dabei auch ganz, ganz neue und sehr innovative Ideen entstanden, und das alles bei gleichzeitiger Betreuung von SchülerInnen in der Schule selber. Man darf eines auch nicht vergessen  das habe ich eigentlich in noch keiner Diskussion gehört : Viele Lehrkräfte sind selbst Eltern, das heißt, sie waren somit doppelt und dreifach, nämlich auch mit dem Homeschooling der eigenen Kinder belastet.

Das heißt, mein Dank und meine Hochachtung gilt allen meinen Kolleginnen und Kolle­gen da draußen, die wirklich das ganze Schuljahr über und genauso im letzten Schuljahr Großartiges geleistet haben. Sie haben sich beispielsweise um die Verteilung der Leih­geräte gekümmert – auch da könnte ich meine Kritik anbringen. Eine Schule mit 150 Schü­lerinnen und Schülern bekommt drei Leihgeräte, obwohl wir locker das Zehnfache hätten brauchen können – der Bedarf ist da. Da fällt mir der Begriff Bildungstriage ein: Muss ich sozusagen würfeln, welches Kind das bedürftigere ist, und dann sagen: Nein, tut mir leid, du bist nicht ganz so bedürftig, dir kann ich leider keines von diesen drei Geräten ge­ben!? – Da gäbe es also noch viel an Kritik.

Mein Dank gilt auch den Eltern, die wieder nach bestem Wissen alles mitgetragen haben, trotz aller Betreuungsschwierigkeiten, die es gegeben hat. Ein ganz großes Danke­schön – das ist mir als Lehrerin wirklich ein Bedürfnis – ergeht auch an die Schülerinnen und Schüler, die sich selbst organisieren müssen – das ist gerade für die jüngeren immer wieder sehr, sehr schwierig gewesen – und die bis zum Schluss drangeblieben sind, obwohl es extrem schwierig war.

Wir wissen aber inzwischen auch aus dem ersten Lockdown, dass diese Schulschlie­ßung sehr wohl negative Folgen mit sich brachte. Eine Volksschuldirektorin aus meinem Heimatbezirk Tulln hat das in der „Wiener Zeitung“ auch bestätigt. Sie sagt, Erstklässler hätten in diesem vergangenen Halbjahr des letzten Schuljahres einfach nicht lesen ge­lernt. Manche aus der vierten Klasse hätten dadurch den Übertritt ins Gymnasium nicht schaffen können. Sie spricht von immerhin zehn SchülerInnen von ihren 276, die die Klasse aufgrund des Lockdowns im Frühjahr wiederholen müssen. Ich frage mich jetzt – und das ist nicht böse gemeint, sondern ich möchte es einfach wissen –, was Sie, Herr Minister, geplant haben. Was sind die Konzepte, wie wir diesen Kindern ganz konkret helfen können, sodass sich der Verlust in ihrer Bildungslaufbahn nicht noch verstärkt?

Wir haben jetzt auch gehört, wir sollen Räume in den Gemeinden – Veranstaltungssäle, Sitzungssäle und so weiter – zur Verfügung stellen. Dies ist wieder eine Bitte an die Gemeinden. Ich stelle mir das etwas schwierig vor, das mag vielleicht noch in der Volks­schule funktionieren, nicht aber in den Mittelschulen, in denen wir einen fixen Stunden­plan und wandernde Lehrer haben. Wir haben auch einen Aufsichtserlass zu erfüllen, und ich glaube, das wissen Sie so gut wie ich.

Wie gesagt, vieles ist für uns Lehrkräfte einfach noch ungeklärt, zum Beispiel der in ir­gendeiner Form gestaffelte Unterrichtsbeginn, den Sie uns angeraten haben, der ebenso schwierig umzusetzen ist. Ich würde Sie einfach bitten: Vielleicht können Sie mich da erhellen und aufklären, was Ihre Konzepte dahin gehend sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.32

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Heinz Faßmann. – Bitte sehr, Herr Minister.