10.00

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Wenn es darum geht, sich mit dem Phänomen Terror auseinanderzusetzen, dann muss man sich damit auseinandersetzen, dass Ter­ror ein Ziel verfolgt, nämlich die Gesellschaft zu spalten, die Menschen gegeneinander aufzubringen, das Vertrauen in die Institutionen des Rechtsstaates zu erschüttern und damit die Menschen zu verunsichern.

Es braucht daher einen entschlossenen, einen systemischen Kampf gegen den Ter­rorismus. Das macht nicht allein die Polizei, es braucht das Zusammenwirken mit der Justiz, es braucht das Zusammenwirken mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen, um die Wurzeln des Terrors nachhaltig und strukturiert tatsächlich ausreißen zu können.

Heute war auch der 2. November – der Terroranschlag, die Terrornacht – ein wichtiges Thema in den Diskussionsbeiträgen, und der 2. November hat uns vor Augen geführt, dass der islamistische Terror in Österreich angekommen ist. Es ist für mich als Innenmi­nister meine Pflicht und Schuldigkeit gegenüber den Opfern, den Angehörigen, den Ver­letzten (Bundesrat Ofner: Zurückzutreten!), nicht im Sinne der freiheitlichen Kollegen die Flucht zu ergreifen, davonzulaufen, sondern Aufklärung zu leisten, dem Terror den Kampf anzusagen und weiter dafür zu sorgen, dass mehr Sicherheit in Österreich mög­lich ist und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Dann fangts einmal an damit! Am besten, Sie fangen damit endlich an, und nicht immer nur groß reden, reden, reden!)

Wenn wir über diesen 2. November reden und die freiheitlichen Kollegen im Bundesrat hier so laut die Stimme erheben, dann sollten sie in den Spiegel schauen, kurz innehal­ten und darüber nachdenken, wie es möglich sein kann, dass ein ehemaliger Innenminis­ter dazu bereit ist, für politisches Kleingeld eine Mission zu gefährden, die den Schlag gegen die Muslimbruderschaft und die Hamas bedeutet hat. (Bundesrat Steiner – sich mit beiden Händen an den Kopf greifend –: Sie sind so peinlich! Sie sind so peinlich! Unglaublich!) Er hat die Arbeit durch den Verrat der Operation Ramses gefährdet und darüber hinaus noch zwei weitere Operationen genannt, die noch im Laufen sind. (Bun­desrat Spanring: 2 Stunden, nachdem es in der „Heute“ gestanden ist!) Es wird zu klä­ren sein, inwieweit diese dann noch durchgeführt werden können.

Wir haben es trotzdem geschafft. Trotzdem haben die Polizistinnen und Polizisten, von denen Sie so viel sprechen, diese Polizistinnen und Polizisten, auch des Verfassungs­schutzes, des Landes-Verfassungsschutzes Steiermark, des Landes-Verfassungsschut­zes Wien der Muslimbruderschaft, der Hamas einen schweren Schlag zugefügt, 25 Mil­lionen Euro an Sachvermögen sichergestellt, Konten eingefroren. Dieser Schlag hat viel internationale Aufmerksamkeit erregt, weil Österreich eines der ersten europäischen Länder ist, das bereit ist, den Kampf gegen den politischen Islam, gegen die Muslim­bruderschaft in dieser Intensität zu führen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesra­tes Lackner.)

Gleichzeitig war heute in den Diskussionsbeiträgen auch schon die Rede davon, dass es tatsächlich durch Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität gelungen ist, über eine Spur im Suchtgifthandel einen der größten Waffenfunde in der Zweiten Republik zutage zu bringen. Es wurde schon erwähnt, dass der Waffenfund insofern ein dramati­sches Ausmaß hatte, als er über die Maßen aus halbautomatischen und vollautomati­schen Waffen bestanden hat, mit unzähligen Magazinen, mit Munition, Handgranaten, Sprengmitteln, bestimmt für den mitteldeutschen Raum, um dort eine rechtsextreme Mi­liz aufzubauen.

Wir sind daher in engem Austausch mit den bundesdeutschen Behörden, mit Innenmi­nister Horst Seehofer – das Landeskriminalamt Bayern, das Landeskriminalamt Nord­rhein-Westfalen waren an dieser Aktion genauso beteiligt wie das Landeskriminalamt Wien. Was uns tatsächlich beunruhigen muss, ist, dass man sieht, in welchem Umfang vollautomatische und halbautomatische Waffen verfügbar sind. Welche Gefahr von ih­nen ausgehen kann, das haben wir am 2. November dramatisch gesehen.

Das heißt, derzeit sind die Sicherheitsbehörden gefordert, auf der einen Seite Aufklärung darüber zu leisten, was in der Terrornacht passiert ist, was das Umfeld des Täters ist – es gab mehrere Festnahmen und Hausdurchsuchungen, ebenfalls über die Landesgren­zen hinaus –, auf der anderen Seite gilt es, Nachschau zu halten, wo Fehler passiert sind, diese klar zu benennen, Strukturen anzupassen und zu verändern. Wir bauen den Verfassungsschutz neu auf, das ist eine der wesentlichsten Maßnahmen. Normalerwei­se brauchen Länder dafür zwei Jahre, wir haben uns das Ziel gesetzt, das in einem Jahr zu erreichen. Das ist eine komplexe Materie, Nachrichtendienst vom Staatspolizeilichen zu trennen, um effizientere Strukturen aufzubauen, um tatsächlich die Schutzmauer der Republik wieder aufzubauen, und gleichzeitig gilt es, den entschlossenen Kampf gegen den radikalen dschihadistischen genauso wie gegen den rechtsextremen Terror zu führen.

Es ist beunruhigend, zu sehen – der Trend hat sich in der Bundesrepublik Deutschland schon länger abgezeichnet –, dass sich die rechtsextreme Szene bewaffnet, dass es auch dort wieder dramatische Fälle von rechtsextremem Terror gegeben hat und dass diese Entwicklung immer, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland beginnt, mit Zeit­verzögerung auch in Österreich auftritt. Das heißt, es gilt, jetzt genau Nachschau zu halten, den Terroristen den Boden zu entziehen und ständig den Druck in der jeweiligen Terrorszene, seien es die Islamisten, seien es die Rechtsextremen, aufrechtzuerhalten. Und ja, ich gebe Ihnen vollkommen recht, am Ende des Tages ist es vollkommen uner­heblich, von welcher Seite der Terror kommt, entscheidend ist, dass man ihn mit aller Härte und Konsequenz bekämpft. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Schumann und Steiner.)

Es ist schon ein wichtiger Zwischenruf vonseiten der SPÖ-Kollegen erfolgt – natürlich wird es nicht ohne BVT gehen, es wird vor allem ein neuer Verfassungsschutz sein. Aber wissen Sie, was ich Ihnen sage, Frau Bundesrätin? – Das ist jetzt ganz wichtig: Sie ha­ben hier einen sehr groben Keil verwendet, um mit dem Verfassungsschutz aufzuräu­men, mit dem Ministerium, wie Sie sagen, und auf der anderen Seite loben Sie den Einsatz der Polizistinnen und Polizisten. Wissen Sie, wer im Verfassungsschutz arbeitet? (Bundesrätin Schumann: Ich weiß es!) – Polizistinnen und Polizisten. Wissen Sie, was die geleistet haben? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Sie ha­ben den Schlag gegen die Muslimbruderschaft durchgeführt, genau dieselben, die Sie kritisiert haben, denen Sie (in Richtung FPÖ) Totalversagen vorwerfen, genau dieselben. (Bundesrat Steiner: Wir werfen Ihnen Totalversagen vor, Sie haben mit der Polizei überhaupt nichts zu tun! Ihnen werfen wir Totalversagen vor, nicht der Polizei! Die Polizei ist trotz Ihnen sehr gut! – Bundesrat Schennach: Das ist keine Fragestunde!) – Ja, das ist besonders spannend, ich weiß: politisches Kleingeld auf dem Rücken der Polizistin­nen und Polizisten, auf dem Rücken der Sicherheit.

Ich wiederhole es gerne noch einmal für die KollegInnen von der FPÖ: Bereitschaft, Polizeioperationen zu verraten (Ruf bei der FPÖ: Das war in der „Heute“!), zu gefährden, und trotzdem gelingt es - - (Bundesrat Steiner: Das ist in der Zeitung gestanden!) – Das ist die Peter-Pilz-Methode, richtig, Herr Kollege: Wir spielen etwas den Medien zu, zi­tieren es und sind nachher nicht strafbar wegen Geheimnisverrats. (Bundesrat Span­ring: Das ist eine Unterstellung!)

Nur, so leicht werden wir uns damit nicht abfinden, wir werden ganz genau Nachschau halten. Und eines ist klar, und das freut mich als Innenminister besonders: Die Polizis­tinnen und Polizisten lassen sich von solchen Spielchen nicht ablenken. Der Kampf wird entschlossen geführt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Sie leisten tagtäglich einen schweren Dienst, da haben Sie völlig recht, das kann man gar nicht hoch genug bewerten, und dann sollte man ihnen das Arbeiten nicht noch schwerer machen. Bei der Operation Ramses, die verraten worden ist, gab es 1,2 Millio­nen Überwachungsbilder, über 20 000 Überwachungsstunden, und jetzt stelle man sich vor, die Operation hätte nicht durchgeführt werden können.

Das heißt, was ist meine Aufgabe als Innenminister? – Die Rahmenbedingungen sicher­zustellen, dass die Polizistinnen und Polizisten ihrer Arbeit nachgehen können, dass der Verfassungsschutz, die Schutzmauer der Republik, der in seiner alten Konstruktion mitt­lerweile 18 Jahre alt ist, neu gebaut wird und damit effizienter ist. (Bundesrätin Grimling: Ja, aber bald!) – Ja, mit Sorgfalt und mit Effizienz.

Ich bin überzeugt davon, dass alle, die hier sitzen, ein Interesse haben: Terror darf nie­mals sein Ziel erreichen, dass Hass und Zwietracht gesät werden (Beifall bei der ÖVP) und dass wir in eine Situation kommen, in der auch Religionen gegeneinander aufge­husst werden.

Dazu ein klares Wort, weil auch das in der Diskussion immer wieder vermischt wird: Der Kampf gegen den politischen Islam ist kein Kampf gegen eine Religion, sondern ein Kampf gegen Antidemokraten. Der Kampf gegen den politischen Islam schützt die Mus­liminnen und Muslime, die in Österreich leben, davor, dass sie von einer Terrororgani­sation oder von Strukturen, die in Wahrheit einen Gottesstaat und die Scharia einführen wollen, missbraucht werden. Ja, es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, gegen die Dschihadisten, gegen die Rechtsextremisten, die Linksextremisten, die Staatsverweige­rer, die Reichsbürger – all jene, die die Staatssicherheit gefährden – zu kämpfen.

Ich kann nicht einmal mit dem Aufzählen all jener, die bereit sind, unsere Demokratie, unsere Grund- und Freiheitsrechte zu gefährden, fertig werden. Es muss unser gemein­sames Ziel sein – auch politisch –, ihnen keinen Meter und keine Chance zu geben. Das geht durch Geschlossenheit, durch entschiedenes Vorgehen wie jetzt mit dem Antiter­rorpaket, durch das Gefährderregister, durch die Maßnahmen der elektronischen Über­wachung bei bedingter Entlassung – ein großes Danke an dieser Stelle auch an die Jus­tiz, an die Justizministerin und die Integrationsministerin für die Kooperation, weil nur dieses systemische Zusammenwirken funktionieren kann, und ein großes Danke an die­ses Hohe Haus, denn Sie haben das Budget beschlossen. Wir haben das höchste Si­cherheitsbudget in der Geschichte der Zweiten Republik. Das sind die Maßnahmen, mit denen man nachhaltig Terrorismus bekämpfen kann, und wir werden diesen Weg konse­quent fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.12

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für Ihre Stellungnahme, Herr Bundesminister! Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teil­nehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidial­konferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Himmer. – Bitte, Herr Bundes­rat, ich erteile es Ihnen.