14.20

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Gesundheitsminister! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Der dritte Lockdown, der am 26.12. in Kraft tritt, war unver­meidbar, keine Frage, der Weg dorthin hätte aber vermieden werden können. Wir haben 5 540 Covid-Tote, das ist eine bestürzende Zahl, und da sich diese Regierung ja sehr gern im Vergleich mit anderen Staaten übt: Die Zahl der Toten in Österreich ist im Ver­gleich extrem hoch. Es sind kalte Zahlen, aber jede einzelne Zahl ist behaftet mit Trauer, und unser tiefes Mitgefühl gilt den trauernden Angehörigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

In der letzten von gefühlt Hunderten Pressekonferenzen, der Lockdown-drei-Verkündi­gungskonferenz, hat der Kanzler eine ganz erstaunliche Analyse bekannt gegeben: Der Winter ist bei uns kalt, es gibt wenig Sonne, die Menschen halten sich mehr in den In­nenräumen auf. – Na geh, erstaunlich! (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) Aber: Das hat man ja schon im Sommer gewusst, oder? Das Klima verändert sich leider und da ist vieles zu tun, aber es verändert sich nicht so sehr, dass man nicht im Sommer schon wissen konnte, welchen Herausforderungen wir uns stellen müssen.

Wir sehen ein planloses Herumschlingern der Regierung in der Pandemiebekämpfung. Die Grundlage für den Erfolg von Maßnahmen war und ist das Vertrauen der Menschen in Österreich in das Krisenmanagement, aber die Menschen kennen sich nicht mehr aus. Was gilt jetzt wann und wie? Zuerst heißt es: Es kommt kein Lockdown mehr!, und ein paar Tage später: Jetzt drehen wir wieder zu! – Na was jetzt? Die Gefahr ist enorm groß, dass mit dieser Vorgangsweise die Bereitschaft der Menschen, den Weg mitzumachen, immer geringer wird, und dann wird es nicht gelingen, die Ansteckungszahlen so weit zu reduzieren, wie wir es brauchen, um die Versorgung in den Krankenhäusern sicherzu­stellen. Und: Sie machen damit allen Verschwörungstheoretikern und selbst ernannten Pandemieexperten die Tür weit auf für abstruse Theorien. Zur Bekämpfung von Corona brauchen wir aber jeden und jede Einzelne, die bereit sind, mitzumachen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Oder: Wie war das letzten Donnerstag in der Sitzung des Bundesrates? – In den Medien war es schon verkündet worden – während unserer Sitzung –: Ein dritter Lockdown kommt, und die Landeshauptleute, ja, die würde man am nächsten Tag 3 Stunden lang informieren. Auf meine Frage sowohl an Sie, Herr Gesundheitsminister, als auch danach an Sie, Herr Vizekanzler, ob nun ein Lockdown kommt, kam aber keine Antwort. – Das ist, ganz ehrlich, bestürzend und beschämend, wie mit uns Bundesrätinnen und Bundes­räten umgegangen wird. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamov­sky. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Richtig!)

Im Parlament wird nicht informiert, kann nichts gesagt werden, aber in den Medien ist es bereits bekannt. Wer so agiert, darf aber dann nicht auf die Bedeutung des gemeinsa­men Handelns pochen. Das funktioniert nicht.

Mit der Coronakrise mit all ihren furchtbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft, wo viele Betriebe vor einer existenziellen Bedrohung stehen, auf den Arbeitsmarkt mit 500 000 Arbeitslosen – eine unglaubliche Zahl! –, mit den Auswirkungen auf die Bildung unserer Kinder, auf unser Gesundheitssystem und mit dem Leid und der Trauer, der Einsamkeit, der Angst und der Depressionen, die sie verursacht, kann man nicht spielen, auch nicht für parteipolitische Interessen, und man darf sie nicht verharmlosen. (Beifall bei der SPÖ.)

So zu tun, als hätte man aufseiten der Regierung alles im Griff, ist mehr als unglaub­würdig. Pandemiebekämpfung kann nur transparent, nachvollziehbar, vorausschauend und in bester vorheriger Absprache mit den Ländern funktionieren.

Das führt mich zum Thema des angekündigten Freitestens nach dem Lockdown. Man tut sich schon sehr schwer mit dem Begriff des Freitestens. Frei wovon? Freitesten heißt nicht, man ist frei davon, sondern man kann sich bereits Stunden später wieder anste­cken. Freitesten, alles Testen ist eine Momentaufnahme. Und sprunghaft ist auch da die Handlungsweise der Bundesregierung: Zuerst wird medial abgetestet, ob nicht sozusa­gen ein Gutschein, eine Bonuslösung das Bessere wäre, damit man die Menschen dazu bringt, dass sie sich testen lassen. Nein, das funktioniert doch nicht so gut, wurde abge­fragt – na gut, dann die harte Vorgangsweise des Freitestens.

Aber Freitesten ist eine sehr heikle Angelegenheit, dazu sind x Fragen, vor allem aus der Sicht der Länder, noch offen: Wie wird denn das organisiert? Wer wird das Tester­gebnis dokumentieren? Wie wird es kontrolliert? Wie werden die Betriebe in die Tests miteinbezogen? Was bedeutet das für eine Millionenstadt wie Wien, die eine ausge­zeichnete Teststrategie hat? – Alles nicht im Vorfeld abgesprochen.

Testen ist wichtig, absolut, und es muss regelmäßig erfolgen, nur so kann es funktionie­ren. Und lassen Sie mich als Gewerkschafterin auch noch sagen: Testen muss in den Betrieben funktionieren, und es muss in der Arbeitszeit möglich sein, sich testen zu las­sen. (Beifall bei der SPÖ.) Und bitte zahlen Sie den Betrieben die Tests, das ist ganz wichtig! Direkt im Betrieb zu testen ist eine gute Strategie, ebenso wie die Strategie, alle Berufsgruppen und Branchen zu testen, die besonders betroffen sind, sei es die Ge­sundheitsbranche, seien es die Pflegeheime, seien es die Schulen, seien es die Kinder­gärten. Da braucht es eine Gesamtstrategie und eine Teststrategie. Das wäre sinnvoll, und das ist längst notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Schulen werden wieder geschlossen. Sie arbeiten durch diese fehlende Bildungsstra­tegie und Teststrategie ganz fleißig an einer Generation Corona. Wir fordern auch hier schon lange Testungen in den Schulen. LehrerInnen und Schüler müssen regelmäßig getestet werden, und die Schulen müssen offen bleiben. Die Schule muss ein sicherer Ort sein, und wir können uns eine verlorene Bildungsgeneration keinesfalls leisten.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten lehnen ein allgemeines Freitesten der Bevölkerung ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch bei den Impfungen kann man nur auf Freiwilligkeit setzen. Für die Impfungen, die kommen werden, braucht es auch eine klare, transparente Information, die Ängste nimmt, damit sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen. Aber auch da fehlt die Transparenz: Wie werden die Impfstoffe gelagert? Es braucht zwei Impfdosen. Wie wird das vor sich gehen? Wie kann sicher geimpft werden? Unter Anwesenheit von Ärzten? – Alles das muss geklärt werden. (Die Rednerin kann aufgrund von plötzlichem Hustenreiz nur mit Mühe weitersprechen. – Vizekanzler Kogler stellt ein auf der Regierungsbank stehendes Wasserglas auf das Rednerpult.) Vielen Dank! – Prost! (Die Rednerin trinkt aus dem Wasserglas. – Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Die erste Impfung soll europaweit am 27.12. stattfinden, auch in Österreich. Es ist eine sehr kluge Strategie der EU gewesen, dass alle Staaten gleichzeitig impfen, ein kluger Plan, und trotzdem: Die Menschen sind nicht gut genug informiert. Wenn am 27.12. die erste Impfung stattfindet, brauchen die Menschen ganz klare Informationen dazu: über Risiken, über Auswirkungen, über das, was diese Impfung bedeutet. Nur so können Sie die Menschen mitnehmen und sagen: Ja, bitte lasst euch impfen! – Es braucht die Infor­mation, und es braucht eine klare Informationsstruktur. Da reicht es nicht, auf die Home­page des Gesundheitsministeriums zu schauen, sondern es muss alle Menschen errei­chen, damit sie wissen, wie wichtig und wie gut diese Impfung ist und welche Auswirkun­gen sie hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen die Impfung, denn es ist dringend Zeit, dass wir wieder zur Normalität zurückkehren, dass wir uns auf die Bekämpfung der Folgen für die Unternehmen, für die Wirtschaft und für den Arbeitsmarkt konzentrieren können. Noch ein Lockdown wäre verheerend.

Zum Thema Pensionen darf ich noch etwas mitgeben, weil es ganz, ganz wichtig ist. Wir werden natürlich dem reparierten Gesetz, das vorliegt, zustimmen, aber ich möchte nur ein paar Worte zu den Frauenpensionen sagen. Der Frühstarterbonus - - Ich weiß gar nicht, wie man sich so einen Namen hat einfallen lassen können, denn es ist, Kollege Schachner hat es in einer seiner Reden schon richtig gesagt, eine Verhöhnung der Lehr­linge. Denn: Was ist denn normal? Wann ist denn der richtige Berufseinstieg? Das heißt, der frühere Einstieg ist der nicht normale?! – Also das ist wirklich keine gute Botschaft, und dieser Bonus hilft in keiner Weise, den Pensionsunterschied zwischen Frauen und Männern, der 42 Prozent beträgt, zu verringern. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Gewerkschaftsfrauen haben bereits im Frühjahr ein Pensionsmodell zur besseren Anrechnung der Kindererziehungszeiten vorgelegt. Dieses Modell bedeutet wirklich eine Verringerung der Pensionsunterschiede und eine bessere Absicherung von Frauen im Alter. Frauen tragen, das sehen wir jetzt in der Krise, die Hauptlast der unbezahlten Familienarbeit. Wie wichtig wäre es daher, dieses Pensionsmodell umzusetzen, insbe­sondere weil es die Logik des Pensionskontos nicht stört und rasch umgesetzt werden kann!

Wir haben es mehrfach vorgestellt, es wird gewerkschaftlich von allen Fraktionen getra­gen, aber kein einziges Mal wurde vonseiten der Regierung mit uns darüber gesprochen. Die Bekämpfung der Altersarmut, besonders die der Frauen, scheint die Regierung nicht wirklich zu interessieren. Aber das wundert einen nicht – Sie haben den Lockdown zwei dafür benutzt, die Abschaffung der abschlagsfreien Pensionen für Langzeitversicherte zu beschließen und gleichzeitig auch die Kürzung der Pensionen durch die Aliquotierung der Pensionsanpassungen. Das ist Pensionsraub erster Güte, und den haben Sie zu verantworten! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden nicht müde werden, für eine gute staatliche Altersversorgung der hart arbeitenden Menschen zu kämpfen, und ge­nauso werden wir genau beobachten, wie Sie in der und nach der Krise mit unserem wichtigen Sozialstaat und seiner Finanzierung umgehen.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen aber trotz allem ein fröhliches Weihnachtsfest wün­schen und für das Jahr 2021 Zuversicht, denn Zuversicht ist das, was wir jetzt ganz, ganz dringend brauchen, und wir werden sie haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.31

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.