14.48

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanz­ler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Kolland, ich glaube, es ist legitim, bei Anwesenheit des Herrn Vizekanzlers und des Herrn Gesundheitsministers im Hause auch das Thema des bevorstehenden harten Lockdowns anzusprechen (Beifall bei der SPÖ), denn dieses Thema betrifft uns alle.

Pannen pflastern den Weg dieser Regierung, sonst säßen wir heute nicht hier.

Herr Bundesminister, auch ich muss noch einmal an die Debatte vom vergangenen Don­nerstag anschließen. Ich hätte mir eigentlich nicht von Ihnen erwartet, dass Sie die dezi­dierte Frage meiner Kollegin Schumann, ob es – es kursierten bereits entsprechende Medienberichte – nach Weihnachten zu einem harten Lockdown kommen werde, nur mit einem Schweigen quittieren. Sie, Herr Vizekanzler, haben dem mit einem allgemeinen Wischiwaschi zu dieser Fragestellung dann noch die Krone aufgesetzt. Anscheinend ist es dieser Regierung wirklich wichtiger, Medien zu füttern, als das Parlament ordnungs­gemäß zu informieren. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wie man sieht, ist dieser Regierung ein PR-Foto mit einem Babyelefanten und einer Schokobanane wichtiger als ein kompetent vorbereitetes Konzept für die Zukunft. Sinn­voller wäre es, wenn Sie, Herr Vizekanzler, Herr Bundesminister, aber auch der Herr Bundeskanzler sich als Vorbild als Erste impfen lassen würden, anstatt sich, wie es der Herr Bundeskanzler über die Medien ausgerichtet hat, erst später impfen zu lassen. So wie es derzeit aussieht, werden Sie es wieder versemmeln, so wie Sie die Aktion der Massentests versemmelt haben, das Ampelsystem, die Coronaapp und, und, und.

Wie sieht sie aus, die Strategie nach dem dritten Lockdown, um einen vierten zu verhin­dern? (Bundesrat Steiner: Gibt es keine!) Wie soll es nach den Tests weitergehen? Gibt es dann Armbänder in Grün wie bei Zeltfesten, wenn man den Abstrich hinter sich hat, damit man am öffentlichen Leben wieder teilnehmen kann und nicht eine Woche Haus­arrest riskiert, weil man keinen Test absolviert hat? Derzeit wirkt das wieder wie eine planlose Aktion, und dann wundern Sie sich, wenn die Bevölkerung das Vertrauen ver­liert und sich keiner mehr auskennt.

Der Kreislauf der Infektionen folgt derzeit einem verfolgbaren Rhythmus. Daraus wird mit der jetzigen Vorgangsweise keine Ausfahrt gefunden. Es freut mich, dass ich Ihnen heute einmal ein Taferl zeigen kann, Herr Bundesminister, auf dem dargestellt ist, wie der Weg der Infektionen verläuft (eine Tafel in die Höhe haltend, auf der der angespro­chene Kreislauf dargestellt ist): Die Zahl der Infektionen steigt – die Politiker ordnen Maßnahmen an – die Maßnahmen wirken – die Kurve flacht ab. Wir sind auf dem richti­gen Weg, doch was passiert dann? – Wahrnehmung der Bevölkerung: Der Virus ist doch gar nicht so gefährlich! – Menschen vernachlässigen die Regeln – die Zahl der Infektio­nen steigt wieder. (Bundesrat Steiner: Es sind also die Menschen schuld!)

Das ist der Kreislauf, aus dem man derzeit nicht herauskommt. Wenn man da nicht ein­schreitet, ist man im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. (Beifall bei der SPÖ.) Mit einer überlegten Impfstrategie kann der Ausgang gefunden werden.

Gerade jetzt wäre es die Aufgabe der Regierung, nicht Angst zu verbreiten, sondern aufzuklären, zu versuchen, Verständnis zu finden und Vertrauen zu erwecken. Sie schaf­fen es mit Ihrem Kanzler nicht, eine glaubwürdige Kommunikation aufzubauen. Noch am Mittwoch erklärten Sie öffentlich, was getan werden müsse, um den dritten Lockdown zu verhindern, bevor Sie diesen am Freitag ankündigten. Mit dieser Vorgangsweise und den derzeit bekannten Plänen verstärken Sie noch den Eindruck von Chaos, von geplan­ten Zwangstestungen und Zwangsimpfungen, wobei diese gar nicht im Raum stehen oder zur Diskussion stehen, aber mit Schlagwörtern wie Freitesten oder Freiimpfen be­feuern Sie noch die Verschwörungstheorien.

Mit einem harten Lockdown, Freitesten und Freiimpfen verlassen Sie den demokrati­schen Weg. Es gibt in dieser Republik noch immer Grund- und Freiheitsrechte. Der der­zeit begangene Weg ist ein sehr schmaler und führt in eine Richtung, die keiner von uns will. Es ist auch die Aufgabe der Regierung und des Parlaments, gegenzusteuern, um zu verhindern, dass Widerstand gegen die Staatsgewalt provoziert wird. Daher wäre es dringend notwendig, aufzuklären, anstatt Zwangsdrohungen auszusprechen, denn, wie gesagt, Freiheitsbeschränkungen sind ein gefährliches Spiel mit den demokratischen Grundwerten.

Kritik und Widerspruch der Opposition müssen erlaubt sein, aber „sie müssen Maß neh­men am großen Ganzen“. Gerade unsere Parteivorsitzende und exzellente Fachexpertin auf diesem Gebiet „zeigt, dass es dafür eine Tonlage gibt. Der Kanzler hätte sich der SPÖ früher öffnen sollen. Auch das ist Krisen-Erwartung, eine Schwachstelle im System Kurz. Es stößt an Grenzen“, wie Hubert Patterer in der „Kleinen Zeitung“ treffend be­merkte. Freiwilligkeit sollte im Vordergrund stehen, Zwang darf keinen Platz haben.

Die Bevölkerung ist mit dem Anspruch der Eigenverantwortung aufgrund des Zickzack­kurses der Regierung überfordert. Seit nunmehr fast zehn Monaten werden wir alle tag­täglich nur noch mit negativen Schlagzeilen bombardiert. Das Credo des Tages lautet: Zahl der Neuinfektionen, Zahl der Todesopfer, Problem der überfüllten Krankenhäuser und Intensivstationen und ein am Rande des Zusammenbruchs stehendes Kranken­hauspersonal. Das sind keine positiven Nachrichten, die Hoffnung geben, die Zuversicht verbreiten, die signalisieren: Wenn wir das gemeinsam schaffen, geht es wieder auf­wärts.

Die bevorstehende Impfung wäre jetzt der beste Anlass, diese positive Botschaft auch entsprechend zu kommunizieren, aber ohne Zwang, ohne bitteren Beigeschmack. Das muss freiwillig geschehen. Nur durch vertrauenswürdige Aufklärung kann es gelingen, eine Durchimpfungsrate zu erreichen, die dazu beiträgt, diese Pandemie in die Schran­ken zu weisen.

Schauen Sie sich die Impfrate bei der FSME-Impfung in Österreich an! Diese liegt bei über 75 Prozent – ein Spitzenwert in Europa! Oder schauen Sie sich die Durchimpfungs­rate betreffend Masern an, derzeit leider mit sinkender Tendenz! Bei der Grippeschutz­impfung lag Österreich jedoch mit 10 Prozent am Ende der Skala in Europa.

Sehr geehrter Herr Vizekanzler, Herr Bundesminister, nützen Sie die Zeit des dritten Lockdowns für ein geregeltes Management für die Zeit danach! Hier und heute geht es um das Vertrauen in die Zukunft, das rapide abhandenzukommen scheint. Nützen Sie die Zeit, damit nicht wieder dasselbe passiert wie heuer schon einmal: vom Musterschü­ler zum Weltmeister bei Infektionen und Todesfällen!

Lassen Sie nach den Weihnachtsferien die Lehrer und Schüler nicht im Stich. Da kom­men Tests am 18.1. zu spät. Man muss getestet werden, bevor man sich wieder in der Schule trifft.

Wie geht es in den Altenheimen weiter? – Nicht so wie in der Vergangenheit, hoffe ich. Da wurden die Bewohner isoliert, alleingelassen, wurde das Pflegepersonal alleingelas­sen, das medizinische Personal alleingelassen.

Es gibt keine flächendeckenden Teststrategien für Schulen und Kindergärten. Die Ele­mentarpädagogen wurden alleingelassen, die Gemeinden alleingelassen.

Herr Abgeordneter Wöginger hat gestern im Nationalrat festgestellt: Die Aufgabe der Politik ist es, speziell diese Bevölkerungsschichten zu schützen. – Da hat diese Regie­rung in der Vergangenheit versagt. Nützen Sie bitte jetzt die Chance, nicht zu versagen! Nützen Sie die nun verbleibende Zeit, um zukunftsorientiert zu planen! Dies wurde beim ersten Lockdown nicht getan, dies wurde beim zweiten Lockdown nicht getan.

Es ist höchst an der Zeit, zwischen Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft neue, zu­kunftsweisende Lösungen zu finden, bevor die Impfung flächendeckend durchgeführt wird. Diese Pandemie ist auch ein „Test für die Reife einer Gesellschaft“, wie der Kärnt­ner Primarius Kaulfersch gesagt hat: „Nur wenn alle Menschen Empfehlungen verstehen und einhalten und sich mehr als 70 Prozent impfen lassen, werden wir ohne noch größe­re Verluste dieser Covid-19-Pandemie entkommen.“

Liebe Frau Präsidentin, ich möchte auch die Gelegenheit nützen, dir zu deiner Präsident­schaft unter diesen erschwerten Umständen zu gratulieren. Ich wünsche insbesondere dir, aber auch Ihnen allen ein erholsames und friedliches Weihnachtsfest. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die netten Wünsche.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Schilchegger. – Bitte, Herr Bundesrat.