13.00

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allen Dingen liebe Zuseher- und ZuhörerInnen! Bevor ich meine Rede beginne, möchte ich, und das darf ich auf keinen Fall verabsäumen, unserer Präsidentin Dr.in Eder-Gitschthaler für ihre Präsidentschaft danken und Herrn Präsidenten Buchmann alles Gute für seine Präsi­dentschaft unter diesen besonderen Herausforderungen wünschen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Jetzt zur Sache: Gerade wir im Bundesrat haben die Chance, manchmal sehr überlegt und auch mit der nötigen Distanz auf die politischen Entwicklungen zu blicken, und gerade der klare Blick auf die Handlungsschritte der Regierung in der Pandemie­bekämpfung lässt für uns leider nur eine Diagnose zu: eindeutig zu viel Chaos.

Das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat, mit einer Sondersitzung. Was ist bisher passiert? – In Wahrheit viel zu viel, um darauf einzugehen, was alles schiefgelaufen ist. Fakt ist, wir haben fast 7 000 Covid-Tote und eine doppelt so hohe Ansteckungszahl wie in Deutschland. Deshalb halte ich es für wichtig, mich gerade jetzt ganz beispielhaft auf eine der letzten PR-Aktionen der Regierung, nämlich das sogenannte Freitesten, zu beziehen.

Die Regierung hat anfangs noch mit der Idee gespielt, irgendeinen Bonus zu geben, wenn man sich testen lässt. Das wurde dann medial abgeprüft – nein, geht doch nicht so gut –, und dann hat man die Kehrtwende gemacht und gesagt, dass man für all jene, die nicht testen gehen, die Bewegungsmöglichkeiten einschränkt – also vom Anreiz zum Zwang in nur einer Woche.

Bei dieser von der Regierung vorgestellten Regelung betreffend das Freitesten, die allein schon von der Begrifflichkeit her ein völlig falsches Bild erzeugt hätte, konnten wir natürlich nicht mitgehen. Wir hätten damit dem Gesundheitsminister sehr weitgehende Befugnisse gegeben, und – ganz ehrlich – die Begutachtung stellte in dieser Form eine wirkliche Farce dar: aufgrund der kurzen Frist keine brauchbaren Verhandlungen über einen Gesetzentwurf, der eindeutig massive Einschränkungen für die Bevölkerung enthielt. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Fall haben sich ganz plötzlich wieder einmal die Macht des Faktischen und die Kraft des Bundesrates gezeigt: Wenn die Opposition an einem Strang zieht und zusammenhält, dann kann die Regierung nicht so einfach tun, was sie will. (Bundesrat Steiner: Aber heute fallts um! Heute fallt ihr um! Platsch!) Der von Politikerinnen und Politikern der Regierungsfraktionen oft eingeforderte Schulterschluss wäre diesmal von­seiten der Regierung notwendig gewesen, denn man muss mit der Opposition reden, damit man in einem nationalen Kraftakt gemeinsam gegen diese wirklich schreckliche Krise kämpft.

Herr Bundeskanzler, Sie und Ihr Klubobmann haben es dann aber vorgezogen, die Opposition einfach zu beschuldigen, den Lockdown verlängern zu wollen – eine krasse Unwahrheit, denn der Lockdown war bereits bis 24.1. geplant. Es hätten sich Menschen aus diesem heraustesten können, und dies mit teilweise wirklich absurden Regelungen: Tests für den Kulturbereich, die zwei Tage alt sein können, Tests für die Gastronomie, die eine Woche alt sein können. Das ist keine Regelung, womit man die Pandemie bekämpft, im Gegenteil, es hätte dazu geführt, dass die Zahlen noch weiter explodiert wären. Wir haben diesen Hüftschuss der Regierung zu Recht im Interesse der Menschen in diesem Land verhindert. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

So schnell Sie mit Ankündigungen sind, so langsam sind Sie mit Lösungen. Es wäre längst notwendig gewesen, eine Teststrategie, wie wir sie nach elf Monaten heute endlich beschließen, auf die Beine zu stellen, aber nein, das passierte nicht. Diese Regierung versinkt im Chaos. Dabei wäre das alles nicht so schwierig. Wir sehen, dass in Dänemark, wo es rund 900 Altenheime gibt, die Durchimpfung bereits erfolgt ist. In Österreich gibt es weniger Heime, wir sind aber nicht einmal ansatzweise so weit. Oder schauen wir nach Israel: In diesem Land hat man in kürzester Zeit eine Durchimpfungs­rate geschafft, die wirklich großartig ist. Während in Israel innerhalb von vier Wochen die Bevölkerung durchgeimpft wurde, bräuchten wir bei dem Tempo, das wir an den Tag legen, mehr als vier Jahre, um einen sinnvollen Impfschutz zu erreichen. Genau diesen Impfschutz brauchen wir jetzt aber, dieser führt uns aus der Krise, es gibt keinen anderen Weg!

Ich darf noch etwas sagen: Wir sind in den letzten Monaten mit Pressekonferenzen der Regierung überhäuft worden – eine Pressekonferenz zur Ankündigung einer Ankündi­gung –, aber jetzt ist die Anzahl der Pressekonferenzen zurückgegangen, und es ent­steht schon der Eindruck, dass dies passiert, weil man sich wegducken möchte. Jetzt sind die Zeiten schwieriger, jetzt stehen die Fehler eindeutig auf dem Tapet, und jetzt duckt man sich weg und möchte die Auseinandersetzung mit der Bevölkerung nicht mehr haben. Das ist aber nicht gut, man lässt die Menschen im Unklaren und es führt zu Unsicherheit. Wir müssen alles tun, um diese Unsicherheiten abzumildern und um Sicherheiten zu schaffen.

Wir werden heute, das darf ich ankündigen, einen Entschließungsantrag einbringen, den wir für ganz, ganz wichtig halten. Wir wissen, dass die FFP2-Masken den Menschen mehr Sicherheit geben und dass sie eine wirksame Möglichkeit sind, sich vor der Ansteckung zu schützen. Wir wissen aber auch, dass diese Masken besonders für Menschen, die jetzt schon unter großem finanziellen Druck leiden, nicht billig sind. Das heißt, wir werden heute mit unserem Entschließungsantrag fordern, dass alle Öster­reicherinnen und Österreicher ab dem 10. Lebensjahr über die E-Card fünf FFP2-Masken im Monat bekommen sollen. Das ist eine wichtige Forderung, und wir wollen, dass sie umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf mich nun an den neuen Arbeitsminister wenden: Die Herausforderungen, die auf Sie zukommen, sind enorm groß, das ist natürlich klar. Es sind jetzt 533 000 Menschen, die keine Arbeit haben, 417 000 Menschen, die in Kurzarbeit sind, und Ihre Aufgabe als Minister und Experte wird es nun sein, die Übersetzungsarbeit von Statistiken über Arbeitslosigkeit in die Praxis zu leisten. Das ist ein wichtiger Schritt, weil die Statistik Schicksale widerspiegelt. Jeder und jede Arbeitslose in dieser Statistik entspricht einem Schicksal, entspricht dem Leben einer Familie, ihrer persönlichen Situation. Ich bitte Sie, Herr Minister, überdenken Sie ganz dringend Ihre Haltung zum Arbeitslosengeld! Es ist ganz wichtig, jetzt das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent zu erhöhen, jetzt ist Zeit dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

530 000 Menschen ohne Arbeit und 50 000 freie Stellen: Da braucht man kein Rechen­wunderwuzzi zu sein, um zu erkennen, dass Arbeit zu suchen jetzt mehr als schwierig, ja fast unmöglich ist. Die Menschen müssen aber ihre Existenz führen und wollen abgesichert sein, und es ist ganz, ganz wichtig, diesbezüglich zu handeln.

Schauen wir auf die einzelnen Gruppen: Die Jugendarbeitslosigkeit muss dringend be­kämpft werden, wir wollen keine verlorene Coronageneration. Wir brauchen Konjunktur­programme und Perspektiven.

Wir müssen auch auf die Frauen schauen. Und weil die Frauenministerin heute auch hier ist: Die Frauen sind, das muss ich ganz eindeutig sagen, mit all ihren Problematiken und all den Dingen, die sie jetzt gerade in der Pandemie schultern, eine „verschwiegene Gruppe“, um das unter Anführungszeichen zu sagen. Die Situation der Frauen muss klarer dargestellt werden. Die Frauen sind ganz stark von Arbeitslosigkeit betroffen, und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen sicher nicht, dass die Frauen die Verliererinnen dieser Krise werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen auch nicht, dass ein neues Proletariat entsteht, das unter jeder Bedingung Arbeit annimmt, weil es einfach nicht anders geht. Das ist nicht das Erfolgsmodell Österreich, das wollen wir auf keinen Fall.

Es muss auch klar gesagt werden, dass Corona für schwere Verwundungen in der Gesellschaft sorgt. Es ist wahrzunehmen, es ist anzusprechen und nicht klein- und schönzureden. Die Trauer um den Verlust eines Menschen, den man durch Corona verloren hat, die Angst vor der Ansteckung, die Angst vor der eigenen wirtschaftlichen Zukunft, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die Angst davor, das Unter­nehmen, das man mühevoll aufgebaut hat, zu verlieren, die Depressionen, die aufgrund der mangelnden sozialen Kontakte entstehen, die Wut auf die Umstände, all das gibt es und ist mehr als verständlich.

Armut ist für viele früher kein Thema gewesen, aber die Armutsgefährdung ist bei Personengruppen angekommen, die nie gedacht hätten, dass sie davon betroffen sein würden. Bitte schauen Sie beim Einkauf im Lebensmittelgeschäft einmal in die Wagerl der Leute hinein, Sie werden sehen, wie viele Billigprodukte da drinnen landen, weil die Leute sich einfach nicht mehr leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sozialmärkte sind übervoll. Wir haben ein großes Problem, und dieses ist anzu­sprechen und wahrzunehmen.

Wir brauchen Perspektiven, um die Menschen wieder aus diesem Tal herauszuführen. Heute beschließen wir die Teststrategie. Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Schritt. Nach elf Monaten gibt es wie gesagt endlich die Teststrategie, vor allen Dingen die betriebliche Teststrategie, die Absicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Krankheitsfall. Die Kosten für die Tests werden vom Bund übernommen – auch ein ganz, ganz wesentlicher Schritt –, und die Tests finden in der Arbeitszeit statt. Das ist ein wirklicher Erfolg, und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind sehr, sehr stolz darauf, dass das gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch ein Erfolg der Sozialpartnerschaft, auch darauf kann man stolz sein. Die Sozialpartnerschaft funktioniert. Sie hat bei der Kurzarbeit funktioniert und sie hat jetzt bei der betrieblichen Teststrategie funktioniert. Sie funktioniert bei noch einem Punkt, der uns so wichtig ist: Es wird die Maskenpausen geben. Das ist ganz, ganz wichtig, weil die Menschen wirklich belastet sind, wenn sie lange die Masken tragen und dabei arbeiten müssen. Darauf kann man stolz sein. Das trägt sozialdemokratische Hand­schrift, ganz eindeutig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen aus dem Negativtal heraus. Wir müssen die Sorgen und die Nöte der Menschen, die sie derzeit haben, sehen und anerkennen, und es braucht Perspektiven, es braucht Arbeitsmarktperspektiven. Es braucht wirklich die Einrichtung von Stiftungen. Ich darf nur die Forderung nach einer Pflegestiftung wiederholen – die Stiftung zu aktivieren –, denn wir brauchen zukünftig 40 000 Menschen mehr in der Pflege. Wir brauchen viele Maßnahmen für junge Menschen und für langzeitarbeitslose Menschen. Und bitte: Entfernen wir uns von den Statistiken, sondern sehen wir immer das Leben der Menschen mit all ihren Sorgen und Nöten und schauen wir, dass wir so stark und gemeinsam durch die Pandemie kommen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.12

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Frak­tionsvorsitzender Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.