13.12

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister Kocher, vorerst möchte ich Ihnen wirklich von Herzen, aber vor allem für die fast eine Million Arbeitslosen und Menschen in Kurzarbeit alles erdenklich Gute für Ihre zukünftige Arbeit in den nächsten Monaten wünschen.

Sie wurden in den vergangenen Tagen mit unzähligen Vorschusslorbeeren überhäuft, auch der Kanzler und sein Vize haben sich in der Lobhudelei Ihnen gegenüber förmlich überschlagen. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Nun, Herr Arbeitsminister, ich sehe das ein wenig nüchterner, denn niemandem in diesem Land, der gerade ohne Job dasteht – eine alleinerziehende Mama, die nicht weiß, was sie ihrem Kind zu essen auf den Tisch stellen soll, weil man es sich schlicht und einfach nicht leisten kann –, nie­mandem von jenen Menschen, die täglich mit der Ungewissheit in die Arbeit fahren, ob sie den Job auch noch am nächsten Morgen haben werden, nützt es etwas und ist damit geholfen, wenn man Sie mit Lob überhäuft.

Ich nehme mir nun das Recht heraus, das nicht zu tun. Ich werde Sie dann loben, Herr Arbeitsminister, wenn es wirklich Erfolge am Arbeitsmarkt gibt und es bei den Be­schäftigungszahlen wieder bergauf geht (Beifall bei der FPÖ), wenn man es geschafft hat, dass keine Familien mehr aufgrund der Coronapolitik dieser Regierung ihr Dasein am Existenzminimum fristen müssen. Dann werde ich mich bei Ihnen bedanken, denn ich wüsste keinen Grund, warum ich das jetzt schon tun sollte, Herr Minister, denn auch für Sie gilt: zuerst die Arbeit und dann das Lob.

Bei aller Euphorie für den Neuen will ich aber auf die geschasste Arbeitsministerin Mag.a Aschbacher nicht vergessen. Ich wünsche ihr natürlich alles Gute für ihre Zukunft. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir uns keine großen Sorgen um die Zukunft von Frau Mag.a Aschbacher machen müssen, hat uns doch die ÖVP Steiermark in der Vergangenheit schon öfter bewiesen, dass sie ihre Schäfchen auch nach Aberkennung eines Doktortitels oder eben eines Magistertitels nicht fallen lässt. Zwar sind diese dann als Landesräte oder Minister nicht mehr tragbar, für eine Karriere in der Länderkammer reicht es dann allerdings allemal. Also Vorsicht, liebe ÖVP-Kollegen aus der Steiermark, sonst ist euer Platz schnell weg! (Beifall bei der FPÖ.)

Nun wieder zurück zum brandneuen Arbeitsminister: Herr Minister, Sie werden schnell feststellen müssen, dass es einen gravierenden Unterschied macht, als Experte zu arbeiten, als Experte in einer eventuellen Expertenregierung zu sein oder als Experte in einer von Kurz geführten Regierung zu arbeiten. Sie sind jetzt sozusagen ein parteifreier ÖVP-Minister – das ist zwar ein Widerspruch in sich, aber sei’s drum. Ich bin mir sicher, dass man Ihnen auch das Kabinett von Frau Aschbacher mit allen ÖVP-Soldaten aufs Auge drücken wird, damit natürlich diese Kurz-Truppe die völlige Kontrolle über Sie und Ihr Handeln hat – wir wissen ja alle, wie so etwas abläuft. Man sagt immer, Herr Minister, die Hoffnung stirbt zuletzt, und deshalb hoffe ich wirklich inständig, dass Sie sich dann mit Ihrer unbestrittenen Expertise das eine oder andere Mal auch gegen diesen Kanzler durchsetzen können, und zwar zum Wohle unseres Arbeitsmarktes, auch wenn es nicht in die PR-Strategie des Kanzlers passt. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber Vorsicht, Herr Minister, denn wenn dem Sonnenkönig Sebastian etwas nicht passt oder etwas entgegen seiner Strategie läuft, wird er ganz schnell sehr trotzig! Wir alle hier herinnen mussten es schon miterleben, als wir in letzter Sekunde Gott sei Dank das völlig verkorkste Freitestenexperiment noch abwenden konnten. Ich glaube, nicht nur mir ist es so ergangen: Mich hat die Reaktion der ÖVP, aber vor allem die Reaktion des Kanzlers an ein kleines Kind erinnert, das plötzlich ganz trotzig wurde, weil man ihm das Spielzeug oder die Schokolade weggenommen hat – das ist ein Vergleich, der schon sehr treffend ist.

Ich erinnere Sie, Herr Arbeitsminister, an unseren Bildungsminister, der ja nun Ihr Kol­lege wird, denn auch dieser war damals als parteifreier Experte angetreten. Nur wenige können sich noch daran erinnern, dass Herr Faßmann eigentlich wirklich ein Experte in Sachen Bildung wäre. Leider sind wir aber an einem Punkt angekommen, an dem sich viele Eltern und auch Lehrer fragen, für was wir derzeit in Österreich überhaupt noch einen Bildungsminister haben. (Bundesrat Schreuder: Wofür!)

Ich weiß, dass der von mir ansonsten geschätzte Herr Minister Faßmann wirklich alles versucht hat, um gegen die Lockdownsucht des Kanzlers in unseren Schulen vorzu­gehen. Sogar eine eigene Studie von Professor Wagner erhob, dass Ansteckungen in den Schulen geringer sind als andernorts, aber bei diesem Kanzler blieb das leider ohne Erfolg, und die Schulen sind weiterhin zu.

Unsere Lehrer und Lehrerinnen leisten immer noch Unglaubliches und auch die Eltern neben ihrem Beruf und in einer angespannten Situation im Allgemeinen. Die Eltern müssen seit Monaten immer wieder auch noch den Heimunterricht irgendwie auf die Reihe bekommen. Ich kann euch sagen, das ist alles andere als lustig. Für eine Familie mit zwei Kindern zum Beispiel, von denen ein Kind in der Volksschule und eines in der Hauptschule ist, ist das eine Challenge, das alles unter einen Hut zu bringen. Ich habe Beispiele mitgebracht (einen Stapel Papier in die Höhe haltend), die zeigen, was das für ein Pensum ist, was die Eltern und Schüler in nur einer Woche an Lernunterlagen abzuarbeiten haben. Es ist unglaublich viel Stoff, der allein in der Hauptschule zu bewältigen ist. Das muss man sich einmal vorstellen: Das sind nahezu über 70 Seiten an Aufgaben, die ein Schüler in der Hauptschule in einer Woche zu bewältigen hat.

Neben Deutsch, Englisch und Mathematik kommt nämlich noch Lernstoff für Geschichte, Physik, Geografie, Zeichnen, Ernährung und Haushalt, Biologie, Religion und vieles mehr dazu, und für die Vermittlung dieses Stoffes sind einzig und allein die Eltern zuständig. – Herr Kanzler, seien Sie mir nicht böse, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie nur im Ansatz nachempfinden können, was für eine Aufgabe Sie den Eltern da gerade zumuten. (Beifall bei der FPÖ.)

Einmal heißt es: Schulöffnung am 11. Jänner, dann am 18. Jänner und jetzt am 25. Jän­ner, wobei das mit dem 25. Jänner seit dem vorgestrigen „ZIB 2“-Interview von Herrn Sektionschef Netzer auch noch nicht fix ist, weil er ja nicht sagen kann, wie lange der Lockdown noch dauert. Das heißt, unsere Eltern und Schüler sind halt wieder einmal davon abhängig, wie unser Kanzler gelaunt ist, ob der oberste Zeuge Coronas uns noch länger einsperren will oder nicht. Und das ist eine bodenlose Frechheit, Herr Kanzler! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist eine bodenlose Frechheit, was Sie gerade mit unseren Kindern und Familien in Österreich aufführen! All das und vieles mehr wird unseren Familien in Österreich zugemutet, im Bereich Bildung auch deshalb, weil sich leider ein Experte gegenüber einem Studienabbrecher nicht durchsetzen kann. (Zwischenrufe der Bundesräte Raggl und Seeber.)

Sie, Herr Arbeitsminister, haben nun die Entscheidung getroffen, in eine Regierung einzutreten, die unsere Bürgerrechte mit Füßen tritt. Sie, Herr Arbeitsminister, haben die Entscheidung getroffen, in eine Regierung einzutreten, die stets versucht, die parlamen­tarischen Grundprinzipien zu hintergehen. Sie treten in eine Regierung ein, der unsere Demokratie, um es vorsichtig zu formulieren, nur peripher ein Anliegen ist. Sie treten in eine Regierung ein, die sich stets von einem Lockdown in den nächsten hantelt. Sie treten in eine Regierung ein, die stets ankündigt und dahinter nichts umsetzt, in eine Regierung, in der nur eine Sicht der Dinge die wahre ist, nämlich die der Zeugen Coro­nas, nicht aber jener, die einen vernünftigen Umgang mit der Coronakrise einfordern. Sie treten in eine Regierung ein, die die Gesellschaft in die Bösen und die Braven spaltet. (Zwischenruf des Bundesrates Seeber. – Vizekanzler Kogler: ... Kickl! Das ist ja unerträglich!)

Ich hoffe, Herr Minister, Sie haben sich den Eintritt in eine derartige Regierung gut überlegt, denn auch Ihre Reputation steht auf dem Spiel – viel Zeit, zu überlegen, hatten Sie ja nicht wirklich. Auch deshalb hoffe ich jetzt auf Ihre demokratische Vernunft. (Zwi­schenruf des Bundesrates Lackner.) Sie haben nun die Chance, Herr Arbeitsminister, die Demokratie in dieser Regierung wieder einzufordern, denn alle anderen Minister haben sich mit der neuen Normalität in Richtung Demokratur schon längst angefreundet.

Sehen Sie, Herr Arbeitsminister, was ich mit all diesen Beispielen aufzeigen will? – Sie stehen vor einer riesengroßen Herausforderung mit einerseits einer Million Arbeitslosen und Bürgern in Kurzarbeit und andererseits einem egozentrischen Kanzler, der alles und jedes seiner PR-Strategie unterordnet, „koste es, was es wolle“. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb komme ich noch einmal auf meinem Anfangsappell zurück: Ich wünsche Ihnen, Herr Minister, viel Glück, vielmehr noch aber Durchsetzungsvermögen, denn das werden Sie dringend brauchen!

Zum Schluss hätte ich noch eine Frage an den Kanzler und seinen Vize, weil sie beide da sind: Wisst ihr beide, was an Grundrechten das Schöne ist? – Keine Antwort, ihr wisst es nicht? (Heiterkeit bei der FPÖ.) Dann gebe ich euch diese noch in einem Satz: Das Schöne an Grundrechten ist, sie gelten auch für jene Menschen, deren Meinung Ihnen und dieser unsäglichen Regierung ganz und gar nicht ins Konzept passt. Und wissen Sie, was? Das ist gut so. (Beifall bei der FPÖ. – Vizekanzler Kogler: Das sagt einer, der nicht einmal zwischen Grundbuch und Grundrechten unterscheiden kann!)

13.24

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.