15.20

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich kann gleich auf die tatsächliche Berichtigung erwidern und vielleicht ein paar Begrifflichkeiten klarstellen.

In dieser Studie mit den 50 Prozent ging es darum, dass 50 Prozent der Ansteckungen von Personen erfolgt sind, die zu diesem Zeitpunkt keine Symptome gehabt haben. Wenn eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Symptome hat, kann sie ent­weder eine dauernd asymptomatische Person sein, die auch nachher keine Symptome hat, oder sie kann präsymptomatisch sein und in den nächsten Tagen Symptome ent­wickeln.

Die Personen, die präsymptomatisch sind – das wissen wir –, sind genauso ansteckend wie Personen, die symptomatisch sind (Bundesrat Spanring: Sind Infizierte!), sie sind infiziert und erkranken dann nachher. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Person keine Symp­tome hat, weiß sie, wenn sie nicht getestet ist, aber noch nicht, ob sie eine präsymp­tomatische oder asymptomatische Person ist, deswegen macht das für die Ver­haltens­vorschriften von nicht Getesteten keinen Unterschied.

Asymptomatische – dauernd Asymptomatische – sind nach dem Stand der Wissen­schaft viel weniger ansteckend als präsymptomatische oder symptomatische Personen. Das Letzte, was ich gelesen habe: Sie verursachen nur 25 Prozent der Ansteckungen im Ver­gleich zu Personen, die symptomatisch sind, aber sie sind auch nicht komplett ansteckungsfrei.

So, jetzt zum Inhalt dieser Gesetzesvorlage: Ich möchte kurz das Zustandekommen dieser Novelle rekapitulieren und das, was sich letztlich gegenüber dem Silvester­ent­wurf, den wir ja noch abgelehnt haben, geändert hat. In diesem Silvesterentwurf ist ja versucht worden, das, was der Herr Bundeskanzler in einer Pressekonferenz erklärt hat, irgendwie zu einem Gesetz zusammenzuschustern. Das war nicht das erste Mal.

Es ist natürlich schwierig, Marketinggags in verfassungskonforme Gesetze zu gießen. In diesem Silvesterentwurf ist versucht worden, drei Sachen zu verknüpfen – was zum Scheitern verurteilt war –: erstens die Massentests, die nach dem damals angekün­dig­ten Plan keine gute Idee waren, da Massentests, die man in großem Zeitabstand wie es sich der Herr Bundeskanzler vielleicht nach dem Vorbild der Slowakei gedacht hat  und zu einem Zeitpunkt durchführt, an dem das Infektionsgeschehen schon länger zurückgeht, medizinisch sinnlos sind.

Sehr viel sinnvoller sind die Tests so, wie sie jetzt in den meisten Bundesländern auch zukünftig geplant sind; teilweise wurde schon damit begonnen, ständige nieder­schwel­lige Gratistestmöglichkeiten zu schaffen. Der Regierungsplan war, wenn man Ihnen gute Absichten unterstellt, einen Anreiz zu schaffen und die Beteiligung an diesen Massen­tests zu steigern.

Es ist natürlich eine der schlechtesten Ideen, sowohl verfassungsrechtlich als auch medizinisch, die Geltung der Ausgangsbeschränkung mit der Teilnahme an Massentests zu verknüpfen, weil nämlich wie wir das heute auch schon öfters gehört haben  ein Test nur eine Aussage über die Infektiosität zum Zeitpunkt des Tests beziehungsweise je nachdem, ob es ein Schnelltest oder ein PCR-Test ist  für ein paar Stunden bis Tage machen kann. Man kann auch für die Zukunft noch Prognosen oder Wahrschein­lich­keitsrechnungen anstellen, aber sicher nicht so, wie es vom Bundeskanzler verkündet worden ist, dass ein negatives Testergebnis, das man sich bei einem Massentest holt, dann eine Woche lang den Zutritt zu Betrieben, Gastronomiebetrieben, Kultur- und Frei­zeiteinrichtungen gewähren soll, denn das wäre medizinisch kontraproduktiv gewesen.

Ein drittes Thema: Es wurde damals die Teilnahme an den Massentests unzulässiger­weise auch mit Betretungsverboten verknüpft.

Jetzt, in der fünften Sitzung, ist es das erste Mal, obwohl es schon oft die Gelegenheit gegeben hätte, dass ich das Wort Lockdown in den Mund nehme. Das ist ein Wort, das ich nicht mag, weil es kein rechtlicher Terminus ist und weil es einen sehr vagen Be­deutungsinhalt hat. Es dient sowohl den Personen, die es verwenden, als Ausdruck, wenn sie sich nicht genau festlegen wollen, als auch den Personen, die es hören, als Projektionsfläche; man kann sich also unterschiedliche Sachen darunter vorstellen. Den Vogel abgeschossen hat ÖVP-Nationalratsklubobmann Wöginger, als er gesagt hat: Lockdown heißt Lockdown. – Das ist so ähnlich wie: Brexit means Brexit. (Bundesrat Himmer: Da ist er aber auf der sicheren Seite, oder? Heiterkeit des Bundesrates Bader.)

Welche Maßnahmen damit nämlich gemeint sind, was alles davon umfasst wird, reicht von Ausgangsbeschränkungen über Betretungsverbote für den Handel oder Gastrono­miebetriebe oder Beherbergungsbetriebe oder Kultureinrichtungen, Freizeiteinrich­tun­gen bis hin zu Veranstaltungsverboten, Distanzunterricht oder nicht, Auflagen oder nicht. Ich halte es deswegen nicht nur rechtlich, sondern auch politisch für keine gute Idee, diesen Begriff zu verwenden, denn eine allfällige Einschüchterungsabsicht oder eine Absicht, damit das Verhalten von Personen zu beeinflussen, was vielleicht im Frühling damit verbunden war, geht momentan nach hinten los.

Was ich vorschlagen würde oder was ich sogar schon in der Sitzung vor Weihnachten gesagt habe, betrifft eine Maßnahme, die mir nach wie vor fehlt, nämlich die Forcierung des Homeoffice: Die Schweiz, ein Land, das nicht für die Gängelung der Wirtschaft be­kannt ist, hat diese Woche eine Maßnahme gesetzt, die Agenda Austria – sie ist auch nicht für wirtschaftsfeindliche Positionen bekannt – hat eine Studie vorgestellt, dass über ein Drittel der Arbeitsplätze in Österreich für dauerndes Homeoffice geeignet sind.

Jetzt ist es nicht unbedingt so, dass die Methode, wie man die Homeofficebeteiligung stark erhöht, eine normative sein muss, also es muss meiner Meinung nach nicht unbe­dingt eine Verordnung sein. Es wäre auch eine Möglichkeit, dass sich die Sozialpartner gemeinsam hinstellen und sagen (Bundesrat Schennach: ... häufiger genutzt werden!), sie sind der Meinung, dass das Homeoffice sehr viel häufiger genutzt werden soll, weil das nachgewiesenermaßen eine der besten und effizientesten Möglichkeiten zur Kon­taktreduktion und zur Vermeidung von Ansteckungssituationen ist.

Ich möchte in dem Zusammenhang auch noch auf die Einreiseverordnung eingehen, wie ich das auch schon vor Weihnachten gemacht habe. Es ist am 15.12.2020 in dieser Einreiseverordnung eine Länderliste für die Staaten, aus denen die quarantänefreie Einreise möglich ist, veröffentlicht worden. Ich habe schon damals gesagt, das ist grundsätzlich eine gute Idee, aber diese Liste muss am besten wöchentlich upgedatet werden, um auf die unterschiedlichen Infektionsgeschehen in diesen Ländern eingehen zu können.

Was ist passiert? Es ist vier Wochen lang nichts passiert, die Novelle dieser Länderliste ist erst diese Woche kundgemacht worden. In der Zwischenzeit sind in einem dieser Länder, in Irland, die Infektionszahlen ganz stark angestiegen. Österreich hat nicht rechtzeitig darauf reagiert und hat noch drei Wochen, nachdem dort bereits eine sehr gefährliche Inzidenz aufgetreten war, die quarantänefreie Einreise aus Irland erlaubt. Das halte ich für fahrlässig.

Irland war zu dem Zeitpunkt, als die Liste am 15.12. kundgemacht worden ist, das beste Land Europas, aber bereits vor Weihnachten gab es in Irland schon diese Werte, die Zahlen sind so in die Höhe gegangen, dass die Anzahl der Personen, die sich zu Weih­nachten treffen konnten, von der irischen Regierung bereits vor Weihnachten stark reduziert wurde und dort die höchste das ist die fünfte  Stufe betreffend die Strenge der Maßnahmen ausgerufen worden ist. Wir haben uns drei Wochen lang Zeit gelassen. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Viele andere Länder bringen es auch zusammen, wöchentlich ein Update dieser Länderliste zu machen, das ist keine Hexerei: Deutschland macht das, Dänemark macht das, Norwegen macht das, Finnland macht das. Die machen wöchentliche Updates.

Sehr erfreulich in der neuen Version der Einreiseverordnung ist, dass endlich die Digita­lisierung, was die Erfassung der Einreisenden betrifft, Einzug hält – Digitalisierung statt der monatelangen Zettelwirtschaft, die unleserliche handschriftliche Angaben enthält, die dann vermutlich von Grundwehrdienern in den Computer eingegeben werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber ich muss sagen, er kommt auch ziemlich spät. Wir sind viele Monate hinterher, hinter anderen Ländern wie zum Beispiel Griechenland, Spanien oder Italien, auf die der Herr Bundeskanzler damals noch herabgeschaut hat. Diese Digitalisierung brauchen wir nicht nur bei der Erfassung der Einreisen, sondern auch im Contacttracing.

Diese Novelle, die durch überparteiliche Zusammenarbeit in eine mehrheitsfähige Fas­sung gebracht werden konnte, ermöglicht jetzt feiner abgestufte und damit auch raschere Öffnungsschritte, wenn sich die seit Mitte November sichtbare Verminderung des Infektionsgeschehens weiter so fortsetzt, und ich kann nur appellieren, dass wir weiter daran arbeiten, dass die Einschränkungen der persönlichen Freiheiten kontinuier­lich wieder verringert werden können. – Danke.

15.31

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte.