16.35

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zuerst gerade ganz kurz, muss ich gestehen, auf die die Pandemie betreffenden internationalen Daten geschaut. Wir sind jetzt bei knapp 2 Millionen Toten – 2 Millionen Menschen, die auf­grund dieser schwersten Pandemie seit 100 Jahren gestorben sind. Wir haben die schwerste Gesundheitskrise seit Jahrzehnten. Es sind mittlerweile weit über 80 Millionen Menschen irgendwo auf diesem Planeten positiv getestet.

Wissen Sie, ich persönlich habe in meinem Privatleben immer den Zugang: Wenn es eine Notsituation gibt, dann hält man zusammen, dann hilft man sich gegenseitig, dann unterstützt man sich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Fühlt ihr euch nicht angesprochen – viele im Land tun das. Viele, viele Menschen tun das in diesem Land.

Ich glaube, es nützt uns nichts, wenn wir sagen: Die blaue Partei ist die bessere; die türkise Partei ist die bessere; die NEOS-Partei ist die bessere; die grüne Partei ist die bessere; die rote Partei ist die bessere! Es nützt uns nichts, wenn wir sagen: Das Land hat das verbockt, die Gemeinde hat das nicht gemacht, der Bund hat das nicht ge­macht! – Wir sitzen da in einem Boot. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sind zuständig, und die Allerallermeisten leisten ihren Beitrag, unterstützen, helfen. Ich kann euch zwei Beispiele nennen: Im Juli haben wir tatsächlich eine sehr, sehr schlechte Verordnung, für die ich zu Recht geschimpft und kritisiert worden bin, erlassen. Was ist passiert? – Einen Tag später haben mich zwei Spitzenjuristen angerufen und haben mir gesagt: Wir haben den Eindruck, ihr braucht jetzt unsere Unterstützung. Die haben zehn Spitzenjuristen zusammengesammelt und stellen uns seither ihre Fach­expertise gratis, unentgeltlich, ehrenamtlich zur Verfügung – großartig! (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

Ich habe noch keinen Feuerwehrmenschen erlebt, der gesagt hätte: Ich habe keine Zeit, weil es da irgendetwas gibt, was schlecht gelaufen ist!, sondern alle sagen: Ich leiste meinen Beitrag in dieser Krisensituation, denn wenn ich gebraucht werde, bin ich da! (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Genau das ist die Stimmung, die wir brauchen, auch wenn es uns allen schon zu lange dauert, lieber Kollege, auch wenn es uns zu lange dauert.

Mir geht es genauso, ich würde jetzt endlich auch gern die Gesundheitspolitik, die wir im Regierungsübereinkommen verankert haben, vorantreiben können, die Pflegereform mit voller Konzentration angehen können und, und, und. Uns alle trifft diese Krise drama­tisch, uns alle belastet sie, und wir alle hätten gern, dass es vorbei ist, aber es hat über­haupt keinen Sinn, wenn wir jetzt die Nerven wegschmeißen und bei Kilometer 36 des Marathons sagen, jetzt dauert es uns zu lang. – Wir wollen und wir müssen ins Ziel, und das Ziel ist, wieder Freiheit und Gesundheit zu haben. Das ist das Ziel. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dieses Ziel werden wir nur dann erreichen, wenn wir zusammenhalten, gleichgültig ob wir Rote, Grüne, Türkise oder Blaue sind. Ich habe in diesen letzten elf Monaten viele Menschen aus allen Parteien erlebt, die ihre Beiträge geleistet haben, auch zum Beispiel von der FPÖ, viele, die die Ärmel hochgekrempelt und gesagt haben: Okay, da ist mir jetzt Parteipolitik wurscht, da helfe ich mit, da leiste ich meinen Beitrag!

In diesem Sinn verstehe ich persönlich überhaupt nicht, dass es von manchen in diesem Haus als verwerflich bezeichnet wurde, dass in den letzten Tagen miteinander gesprochen und verhandelt wurde und dass wir mit zwei Oppositionsparteien einen sehr vernünftigen Dialog gehabt haben. Das ist gut, denn es ist doch der Sinn und das Zentrum des Parlamentarismus, dass man miteinander redet. Vielleicht tun wir das zu selten, das gebe ich auch zu, denn auch das ist nicht nur eine Holschuld, sondern auch eine Bring­schuld. Auch da sehe ich meine Verantwortung. Ich sage euch ganz offen und ehrlich: Oft fehlt die Zeit, das ist einfach so.

Ich habe mit Kollegin Pamela Rendi-Wagner ein sehr gutes Gesprächsverhältnis. Sie kennt sich aus, die Frau ist kompetent, und ich mag sie im Übrigen auch als Mensch und habe Respekt vor ihr. Genauso führen wir mit den NEOS gute Gespräche. Deswegen sind wir zu einem Ergebnis gekommen, das sich hier niederschlägt und das dazu geführt hat, dass wir im Nationalrat gestern eine sehr, sehr breite, schöne Mehrheit gehabt haben – und das ist gut so. So funktioniert Zusammenkommen, Zusammenhelfen und Zusammenstehen im Parlamentarismus. Ich möchte mich bei allen herzlich bedanken, die einen derartigen Politikstil haben, bei dem es möglich ist, dass man sich zusam­men­setzt und zu gemeinsamen Lösungen kommt.

In einer akuten Krisensituation – und in einer solchen sind wir in ganz Europa und weit darüber hinaus – ist es angezeigt, zusammenzustehen und zusammenzuhalten, gleich­gültig ob man sich jetzt liebt, ob man sich besonders mag, ob man sonst vielleicht ideologisch, inhaltlich, von den Wertehaltungen her ganz woanders steht. Es ist ange­zeigt, jetzt zusammenzustehen, und deswegen danke ich noch einmal dafür, dass das beim Abstimmungsverhalten möglich ist.

Was schaffen wir mit diesen heutigen Beschlüssen? – Ich greife jetzt schon ein bissel vor, weil ja deutlich geworden ist, wer heute wie abstimmen wird. Das wird sich in den Grundlinien ja nicht so sehr von dem unterscheiden, wie im Nationalrat abgestimmt wurde. Und ich möchte zwei Dinge ansprechen – wir machen damit große Fortschritte in den beiden wichtigsten Themenfeldern, die es derzeit gibt.

Das eine sind die Testungen. Wenn ihr euch erinnert: Im Frühling gab es 4 000, 5 000 Tes­tungen pro Tag. Dann hat es eine Diskussion dahin gehend gegeben, ob es nicht ein tolles Ziel wäre, 15 000 Testungen am Tag zu schaffen. Wisst ihr, wie viele Testungen wir in dieser Woche gemeinsam – die Gemeinden, die Ärzte, die Apotheker, die Länder, der Bund, alle miteinander – durchgeführt haben? – Wir haben in dieser Woche bisher, ohne den heutigen Tag, 800 000 Testungen durchgeführt, das heißt, mittlerweile sind es weit über 100 000 Testungen an einem Tag. Und mit den heutigen Beschlüssen, die ihr hier fasst, werden wir diese Zahl noch einmal massiv erhöhen können.

Einen Punkt will ich schon korrigieren, weil immer damit verwirrt wird, asymptomatische Personen seien kein Risiko, da sie nicht ansteckend seien. Der Kollege der NEOS hat das sehr gut fachlich korrigiert und dargestellt. Ich danke dafür, denn es ist immer wohltuend, wenn man dann wieder auf die Sachebene zurückkommt und diese Infor­mationen auch weitergegeben werden.

Ich kann euch nur sagen, es gab im Bereich dieser sogenannten Massentests insgesamt 4 000 Menschen, die dann per PCR-Test positiv getestet wurden. Das hat ja einen Hin­tergrund, einen Sinn, denn sie haben eine bestimmte Infektionsmenge in sich getragen, und das bedeutet, es war extrem wichtig, dass wir diese 4 000 Menschen aus diesem Infektionszyklus herausholen konnten. Bei den Tests geht es also darum, dass wir schau­en, dass wir das Ansteckungsrisiko in unserer Gesellschaft schrittweise reduzieren. Je mehr Testungen durchgeführt werden, desto besser und effektiver können wir das machen.

Der zweite Punkt, für den ich mich auch bedanke, ist, dass wir mit diesen Beschlüssen einen großen Fortschritt im Bereich der Impfungen machen. Das ist das Zweite, bei dem es extrem wichtig ist, es voranzubringen. Wir stehen im Übrigen heute am Abend bei weit über 80 000 Impfungen, die bereits durchgeführt wurden. Wir werden Montag am Abend oder Dienstag in der Früh in Österreich bereits die Grenze von 100 000 Imp­fungen überschreiten. Wir werden Ende nächster Woche die allerallermeisten Bewohner und Bewohnerinnen der Alten- und Pflegeheime durchgeimpft haben.

Ich durfte mir gestern in der wunderschönen Stadt Klosterneuburg eine derartige Imp­fung anschauen und Gespräche mit den ÄrztInnen, mit den PflegerInnen und den Lei­terInnen des Seniorenheimes führen. Die Grundstimmung, die da derzeit in Österreich vorhanden ist beziehungsweise entsteht, war sehr beeindruckend. Darüber bin ich sehr, sehr froh.

Vereinfacht dargestellt an einem Bild: Die beiden Ärzte, die die Impfungen durchführen wollten und dann durchgeführt haben, sind in das Haus gekommen und haben relativ skeptische Bewohnerinnen und Bewohner vorgefunden – das ist überall so. Was haben die beiden gemacht? – Sie haben das irrsinnig gescheit gemacht, sie haben sich gegen­seitig geimpft. Sie haben sich gegenseitig geimpft, um damit zu zeigen - - (Bundesrat Steiner: Das machen sie dann in jedem Altenheim, oder was? Wie oft impfen sie sich dann?) – Nein, die zwei Ärzte, nicht ich (Bundesrat Steiner: Ja, ...!), ich mache keine Impfungen. Lieber Kollege Steiner, ich mache viel in meinem Leben, aber keine Imp­fungen – das ist wahrscheinlich auch besser so. (Bundesrat Steiner: Wie oft impfen sich die zwei Ärzte dann? In jedem Pflegeheim?) – Nein, Herr Kollege Steiner, in jedem Pflegeheim gibt es wieder neue Ärzte, die für die Impfung zuständig sind. Es gibt nämlich mehrere Ärzte in Österreich, mehr als diese beiden, um das einmal geklärt zu haben. (Bundesrat Steiner: Ach so, da bin ich gespannt!) – Okay, einverstanden? – Passt! (Bundesrat Steiner: Das ist eine Märchenstunde!)

Nachdem sich die zwei Ärzte gegenseitig geimpft haben, haben sich die ersten Be­wohner und Bewohnerinnen impfen lassen. Bei denen gab es auch eine gute Verträg­lichkeit, und Schritt für Schritt ist das im Seniorenheim super gut vorangegangen, im Übrigen auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So wird das funktionieren.

Und wenn Sie sich die heutigen Umfragen ansehen, dann sehen Sie, dass es in Österreich schon eine sehr, sehr starke Stimmungsänderung hin zum Impfen gibt, denn wir haben eine einzige Perspektive, wenn wir das wollen, wovon wir reden, nämlich Freiheit und Gesundheit: Das ist die Impfung. Und deswegen ist es so notwendig, da wir im Frühling davon geträumt haben und ich im September ankündigen durfte, dass sie im Jänner kommen wird, dass wir jetzt diese Chance auch gemeinsam nutzen. Sie erleichtern das unter anderem mit den heutigen Beschlüssen, auch mit dem Beschluss des Ausrollens des elektronischen Impfpasses sehr, sehr stark.

Jetzt möchte ich noch auf ein paar konkrete Punkte eingehen, die in der Debatte vorgebracht wurden. Zur FPÖ sei gesagt: Was ich gar nicht aushalte, liebe Kollegen und Kolleginnen, das muss ich ganz offen sagen, ist, wenn man sich hier an das Rednerpult stellt und glaubt, dass man über die Situation in den intensivmedizinischen Abteilungen besser als die MedizinerInnen und die PflegerInnen Bescheid weiß. Jeder, der dort mit einem Arzt spricht, müsste das nachvollziehen können. Ich lege euch das wirklich nahe: Tut das, redet mit MedizinerInnen und mit PflegerInnen, die dort arbeiten, darüber, wie extrem die Überlastungssituation auch heute noch in diesen Stationen ist, wie drama­tisch es ist, wenn man zum Beispiel als PflegerIn mit der vollen Schutzkleidung arbeiten und diese alle zwei Stunden wechseln muss, weil man schweißgebadet ist! Das ist eine extreme Leistung, die die Leute vollbringen, und ich finde es nicht okay, zu sagen: Es sind ja eh nur mehr 350 Covid-Schwersterkrankte. Das sind 350 zu viel, und die Menschen leisten dort in dieser Situation, in einer extremen Überlastungssituation, tatsächlich Fantastisches. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Dann hat es in Anträgen und in einigen Redebeiträgen noch ein paar Punkte gegeben, zum Beispiel die Frage der Information der Öffentlichkeit über die durchgeführten Imp­fungen. Es gibt mittlerweile auf der Website des Sozialministeriums ein Dashboard, auf dem die konkrete Impfzahl sichtbar ist. – Einfach darauf schauen und sich freuen, wenn die Zahlen steigen – und sie steigen jeden Tag um gut 10 000; das ist wichtig.

Zweiter Punkt: Es ist gesagt worden, in Dänemark sei das bei den Alten- und Pflege­heimen so viel schneller gegangen. Das hat mich gewundert, und deswegen habe ich mir das angeschaut. Wie ist die Situation in Dänemark? – Dänemark hat tatsächlich sogar mehr Alten- und Pflegeheime als Österreich. Dann habe ich mir gedacht: Wie gibt es das dann? – Das ist ganz einfach zu erklären: Die dänische Struktur bei Alten- und Pflegeheimen ist so, dass sie möglichst kleine Heime haben wollen. Deswegen fahren ja Sozialpolitiker und Sozialpolitikerinnen aus Österreich auch seit zehn Jahren nach Dänemark, um sich diese Modelle anzusehen und sie möglichst auch zu uns zu bringen. Das heißt, Dänemark hat viel, viel weniger Bewohner und Bewohnerinnen in Alten- und Pflegeheimen, nämlich konkret 46 000. Und es ist halt einfach so, dass man 46 000 Men­schen schneller impfen kann als 100 000. Das ist eine relativ einfache Rechnung.

Dann war diese Geschichte: Wenn das jetzige Tempo aufrechterhalten bliebe, brauchten wir vier Jahre, um die Impfungen abzuschließen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wis­sen wir doch, dass es in den Alten- und Pflegeheimen eine Bevölkerungsgruppe gibt, für die man sich in dieser Situation enorm viel Zeit nehmen muss. Es braucht mehr Aufklärung, mehr Zeit. Das sind vielfach Menschen, die schwere Mobilitätsein­schrän­kungen haben. Manche davon haben Demenzerkrankungen, manche brauchen die Zustimmungserklärung des Menschen, der für sie verantwortlich ist und ihre Geschäfte führt. Das dauert.

Auf meine Frage an die beiden Ärzte, was die wichtigste Erkenntnis für sie war, war deren Antwort: Wir brauchen dreimal, viermal so viel Zeit wie bei einer Impfstraße für die herkömmliche Bevölkerung, um zu antworten, um sich Zeit zu nehmen, um Rede und Antwort zu stehen. Ich finde, es ist extrem wichtig und gut investierte Zeit, sich für die Menschen, die die überhaupt vulnerabelste Gruppe in Österreich sind, auch tatsächlich Zeit zu nehmen. Da kann man nicht die Zeit stoppen und sagen: Wir brauchen vier Jahre. Das ist – Entschuldigung! – nicht korrekt.

Ja, und das wäre es eigentlich von meiner Seite schon wieder. Ein schönes Wochen­ende! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

16.50

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als weiterer Redner zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.